Skandal um Meldegesetz im Bundestag (1)
Ein Kommentar
620 Abgeordnete zählt der aktuelle Deutsche Bundestag, gerade mal 27 von ihnen sassen am 28. Juni dieses Jahres abends noch im Plenarsaal, knapp 4,4 Prozent also, wenn wir richtig gerechnet haben; an jenem schicksalhaften Abend, als die cleveren Azzurri die Löw-Jungens ins Europa-Aus kickten. Das zu betrachten war den 593 zu jener Stunde im Parlament Fehlenden wohl wichtiger als der dröge Tagesordnungspunkt 21 der Plenar(haha!)-Sitzung „Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Fortentwicklung des Meldewesens (MeldFortG) – Drucksache 17/7746 – Beschlussempfehlung und Bericht des Innenausschusses (4. Ausschuss) – Drucksache 17/10158 – „
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Kann man ja irgendwo fast auch verstehen, wenn es schon gegen 20 Uhr ist oder noch später – und dann noch der Fussball rollt! Also winkten 17 Schwarzgelbe gegen kümmerliche 10 restoppositionelle Nein-Abstimmer die Vorlage in 57 Sekunden durch – Sie haben richtig gelesen: Sekunden, nicht Minuten! So etwas kann sich im Bundestag „Zweite und Dritte Beratung“ nennen! Auf solch eine Art und Weise können in Deutschland Gesetze zustande kommen!
Es ging um etwas, was offensichtlich beträchtliche Teile der Bevölkerung, als sie dank kritischer Medienberichterstattung den Schwarzgelben hinter die Schliche kamen, sozusagen hoch auf die Palme bringt und das Ansehen des Parlaments tief in den Boden rammt, wir fokussieren es auf die Formel: Bundesregierung und Mehrheitskoalition wollen die Meldedaten der Bürgerinnen und Bürger künftig noch unverschämter an Werbewirtschaft und Adressenhändler verhökern, als dies bereits seither der Fall ist. Wieso? Weil die Betroffenen dann nicht mehr in solche Deals zuvor „einwilligen“ müssen, sondern der Datenschieberei nur noch „widersprechen“ können, – „Widerspruchs- gegen Einwilligungslösung“ – was juristisch wie auch praktisch einen sehr erheblichen Unterschied zum Nachteil des Datenschutzes macht. Und obendrauf soll solch ein Widerspruch dann nicht möglich sein, wenn „Daten ausschliesslich zur Bestätigung oder Berichtigung bereits vorhandener Daten verwendet werden“. Letztes wurde noch äusserst kurzfristig in einer CSU-Nacht- und Nebelaktion in den Gesetzentwurf eingeschmuggelt.
Natürlich haben die Bundesregierung und die hinter ihr stehenden Lobbyisten die Rechnung ohne den Wirt, sprich den Bundesrat gemacht, der das Gesetz zu Fall bringen wird. Obendrein gerät das alles zur kompletten Politposse: CSU-Chef Horst Seehofer und Verbraucherschutz-Ministerin Ilse Aigner wollen das so verschärfte Gesetz jetzt stoppen! Und so will es denn von den 17 Adresshändlerfreunden im Bundestag heute keiner mehr so recht gewesen sein – ausser CSU-Drahtzieher Hans-Peter Uhl. Und so steht fest: Der Bundespräsident braucht den Füllhalter in dieser Causa gar nicht erst aufzuschrauben. Das ist auch gut so!
Plenarsaal des Bundestages im Reichstagsgebäude; Bildnachweis: Furcas/wikimedia commons GFDL
s. a. Skandal um Meldegesetz im Bundestag (2)