Der Frankfurter Maler Wilhelm Steinhausen
Eingang zum Garten der Burg Schöneck, um 1912, Öl auf Karton, 48,5 x 34 cm, Steinhausen-Stiftung, Frankfurt am Main; Bildrechte: Museum Giersch
„Willst du immer weiter schweifen? Sieh, das Gute liegt so nah!“ wusste schon Johann Wolfgang Goethe. Und wenn uns vor lauter Konzeptkunst wieder einmal, wie man so sagt, der Kopf schwirrt, sind wir recht froh, dass es am Frankfurter Museumsufer, will sagen am Schaumainkai 83, das Museum Giersch gibt, das es sich zur Aufgabe macht, regionale Kunst von überregionaler Bedeutung zu präsentieren, per definitionem „Kunst im Rhein-Main-Gebiet zwischen Mainz und Hanau, Aschaffenburg und Wiesbaden, Darmstadt und Friedberg mit Frankfurt am Main als Brennpunkt“.
Seit März dieses Jahres läuft dort die Ausstellung „Wilhelm Steinhausen – Natur und Religion“, die demnächst, am 15. Juli 2012, zu Ende gehen wird. Dem, der sie noch nicht besucht hat, sei sie redlich empfohlen.
Waldteich, 1897/98, Öl auf Leinwand, 73 x 63 cm, Privatbesitz; Bildrechte: Museum Giersch
Wie so viele andere Maler des 19./20. Jahrhunderts scheint auch Steinhausen bei einem breiteren Publikum in Vergessenheit geraten zu sein – zu Unrecht, wie die von Sophia Dietrich kundig wie umsichtig kuratierte Ausstellung zeigt. Zwar mögen heute – wie übrigens auch seinerzeit – manche seiner Bilder religiösen Inhalts, die mitunter recht schwülstig daherkommen und die ihn in den Augen vieler primär als einen Spätnazarener erscheinen lassen, nicht den Geschmack eines grösseren Publikums treffen. Jedoch sind insbesondere seine Landschafts- und Naturszenen von ausserordentlich grossem Reiz und grosser künstlerischer Ausdrucks- und Gestaltungskraft.
Dem Œuvre des Malers, Zeichners und Grafikers und seinem Angedenken widmet sich die 1978 errichtete Steinhausen-Stiftung, die auch das im ehemaligen Wohn- und Atelierhaus des Künstlers in der Frankfurter Wolfsgangstrasse (Nr. 152) untergebrachte Museum mit einem der wenigen noch erhaltenen Malerateliers in der Rhein-Main-Region unterhält.
Fichtelgebirge, 1880er Jahre, Öl auf Holz, 15,8 x 21 cm, Steinhausen-Stiftung, Frankfurt am Main; Bildrechte: Museum Giersch
Steinhausens Œuvre, angesiedelt zwischen Romantik und Realismus, zwischen Impressionismus und Symbolismus zeugt von einer eigenständigen, in seiner Zeit nicht immer akzeptierten Position des Künstlers. Seine künstlerische Intention als bekennender Protestant richtete sich zunächst auf die religiöse Malerei. Erst später gewann die Landschaft, zunächst lediglich Stimmungsträger biblischer Szenerien, ein eigenständiges Gewicht. Stets floss in seine heiter getupften Gartenszenen, in seine dem Geheimnisvollen und Grossartigen der Natur verpflichteten Walddarstellungen, in seine ruhigen, weiten Überblickslandschaften seine tiefe Religiosität ein.
Nicht zu vergessen sind Steinhausens Arbeiten als Porträtmaler und -zeichner, als Aquarellist, Illustrator und Druckgrafiker. Besonders reizvoll: In der Ausstellung steht Steinhausens Werken eine Auswahl von Arbeiten seiner Künstlerfreunde Louis Eysen, Hans Thoma, Wilhelm Trübner und Fritz von Uhde gegenüber.
Madonna unter Tannen / Madonna mit Christusknaben und Johannes dem Täufer unter Tannen, 1890, Öl auf Leinwand, 75 x 68 cm, Privatbesitz; Bildrechte: Museum Giersch
Johannes der Täufer und die Abgesandten der Pharisäer (Evang. Joh. 1,19–28), 1889, Öl auf Leinwand, 100 x 160 cm, Privatbesitz; Bildrechte: Museum Giersch
Vier Jahre nach Wilhelms Geburt 1846 im heute polnischen Sorau übersiedelte die Familie Steinhausen 1850 nach Berlin. Der angehende Künstler studierte zunächst an der Berliner und anschliessend an der Karlsruher Akademie. Nach einem mehrmonatigen Aufenthalt in Italien zog er nach München, bevor er sich 1876 endgültig in Frankfurt am Main niederliess, wo er, teilweise in Zusammenarbeit mit dem Architekten Simon Ravenstein, die Ausmalung zahlreicher Villen und öffentlicher Gebäude übernahm. Steinhausen gehörte dem 1829 gegründeten Frankfurter Kunstverein an und mietete verschiedentlich Ateliers im Städelschen Kunstinstitut. 1886 bezog er mit seiner Familie das bereits erwähnte Haus in der Wolfsgangstrasse, in dem er sein noch heute erhaltenes Atelier einrichtete. 1910 erwarb er das Schloss Schöneck in der Nähe von Boppard, wo die Steinhausens fortan die Sommermonate verbrachten. Für seine künstlerischen Leistungen wurden ihm eine Ehrenprofessur und die Ehrendoktorwürde in Theologie verliehen. Wilhelm Steinhausen starb in den ersten Tagen des Jahres 1924, wenige Wochen nach dem Tod seiner Frau.
Selbstbildnis des Malers mit seiner Frau, 1892, Öl auf Pappe, 90,5 x 111 cm, Wallraf-Richartz-Museum & Fondation Corboud, Köln; Bildrechte: Rheinisches Bildarchiv (RBA) Köln
„Wilhelm Steinhausen – Natur und Religion“, Museum Giersch, Frankfurt am Main, bis 15. Juli 2012