documenta 13 in Kassel (10)
Apichatpong Weerasethakul errichtet ein virtuelles „Umweltkino“
Apichatpong Weerasethakul (in Zusammenarbeit mit Chaisiri Jiwarangsan Weerasethakul), The Importance of Telepathy, 2012, verschiedene Materialien, Courtesy der Künstler
Eine Lichtung in der weitläufigen Karlsaue, Apichatpong Weerasethakul sieht in ihr so etwas wie ein Freilichttheater. In der Mitte dieser Lichtung eine riesige weisse Skulptur, an die neun Meter Höhe soll sie messen, einen „uralten Geist“ verkörpern. In der Umgebung zwischen mächtigen Bäumen gespannt grosse dunkelgrüne Tücher, sie sollen als Hängematten dienen. Besucher, die sich dort in die Waagerechte begeben, können sich in den Tüchern gänzlich verhüllen, unsichtbar machen, sie werden „so von der Natur verschluckt und in einen unsichtbaren Film eingewoben“ (Zitate documenta-Begleitbuch). Doch der aus Thailand angereiste, per Hubschrauber installierte Geist, ohnehin von wenig sympathischen Gesichtszügen, wirkt dabei eher wie ein Fremdkörper.
Zusammen mit den Arbeiten von Kristina Buch, Janet Cardiff / George Bures Miller und Natascha Sadr Haghighian haben wir zu Beginn unserer Serie von Berichten vier Freilicht-Installationen vorgestellt, von sehr unterschiedlicher formaler Anlage und Zielsetzung, die aber unserem Verständnis nach viel von dem Konzept der aktuellen documenta 13 widerspiegeln: Dort der Mensch als Zerstörer von Umwelt und Natur, dem Betrachter bewusst das Scheitern des Versuchs vor Augen führend, in einer künstlichen Biotop-Insel ein Stück des Zerstörten als Realität zu inszenieren; dann der Mensch und Künstler als Öko-Romantiker und, vielleicht, Pädagoge; hier nun der Mensch in dem nicht gelingen wollenden Versuch, sich als Teil von Natur zu begreifen, gleichsam in sie einzutauchen, begleitet von fernöstlicher Spiritualität.
Und wir sollten an Carolyn Christov-Bakargievs Aussage denken, dass das eine oder andere der diesjährigen documenta eben „Kunst sein könne oder auch nicht“, worauf es aber letztlich nicht ankommen könne.
Bei allem bestätigt sich, wie sehr der Auepark als Projektions- und Ausstellungsfläche einer documenta geeignet ist: einst selbst als artifiziell-inszenierte Landschaft von absolutistischen „Landesfürsten“ als repräsentative Barockanlage eingerichtet, die die natürliche Flussaue in ein von Menschen ersonnenes Korsett zwingt, dann wiederum, in von Romantik umsponnenen Zeiten, umgestaltet mit zahlreichen Elementen der damals modischen englischen Gartenkultur, dann schliesslich 1955 im Zuge der Bundesgartenschau hergerichtet zu einem – wie man heute sagt – Event und einem massenattraktiven Publikumsmagnet.
Apichatpong Weerasethakul, 1970 in Bangkok geboren, studierte Architektur und Film. Der Regisseur und Filmemacher lebt in Bangkok und Chiang Mai /Thailand.
(Fotos: FeuilletonFrankfurt)
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