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FeuilletonFrankfurt

Das Magazin für Kunst, Kultur & LebensArt

PETRA KAMMANN, HERAUSGEBERIN · www.feuilletonfrankfurt.de · GEGRÜNDET 2007 VON ERHARD METZ

Hans Jürgen Diez: Cocooning …

Zeichnungen

Von Brigitta Amalia Gonser
Kunstwissenschaftlerin

Hans Jürgen Diez lebt und arbeitet in Frankfurt am Main. 1950 in Stuttgart geboren, absolvierte er die Frankfurter Staatliche Hochschule für Bildende Künste – Städelschule – als Meisterschüler sowie das Kunstphilosophische Seminar der Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main und war danach Dozent mit einem Lehrauftrag für „Farbe“ an der Hochschule für Gestaltung in Offenbach am Main.

Galerien aus Frankfurt, Darmstadt, Wiesbaden, Eltville, München, Kassel und Miltenberg haben seine Arbeiten ausgestellt.

Im Unterschied zu seiner abstrakten Malerei konzentriert sich Hans Jürgen Diez in seinen Zeichnungen und Skulpturen vor allem auf die Figuration.

Dem Cocooning – der Verpuppung: diesem Prozess des Rückzugs des Individuums aus der Zivilgesellschaft und Öffentlichkeit folgt Diez in seinen energiegeladenen, versponnenen Zeichnungen mit ihren haarigen oder strahlenden Protagonisten, die sich wie Magnete verhalten, die ein Magnetfeld hervorrufen und von diesem durchströmt werden. Dessen Richtung und Stärke werden gleichsam durch die Feldliniendichte der Behaarung veranschaulicht.

Eine autarke Aura umhüllt die verstrahlten Männerköpfe.

Daneben öffnen sich kleine ironisch-dramatische Szenen, wie der Eiertänzer über dem Fegefeuer der Hölle oder der von vielen Köpfen bestaunte, verwurzelte, rote Wunderknabe mit seiner abstehenden Mähne.

o.T., 2006, Zeichnung Bleistift, Buntstifte, 29,7 x 21 cm

Ebenso der sich verpuppende Adam mit der ihm zur Seite knienden Eva.

o.T., 2005, Zeichnung Bleistift, Buntstifte, 29,7 x 21 cm

Dazu kommen humane Metamorphosen und durch dynamische Rotationslinien animierte Kompositionen: der innige Kuss zweier strahlender und zugleich sich verpuppender Individuen; eine von Energiefeldern umwobene, auf einem Nest sitzende Frauengestalt;

o.T., 2005, Zeichnung Bleistift, 29,7 x 21 cm

oder der enge Reigen dreier sich tröstender Menschen; ein Tänzer, der seine Frau durch die Luft wirbelt; sowie die wundersame Verschmelzung eines Frauenkokons mit einer Rose.

o.T., 2007, Zeichnung Bleistift, 29,7 x 21 cm

Während die von einem Frauenkopf ausgehenden energetischen Schwingungen das Bild des Mannes verblassen lassen, tapsen zwei Gestalten, deren Mähnenmagnetfelder verwachsen, in eine ungewisse Zukunft.

Immer wieder paraphrasiert Diez so in seinen DIN A4-formatigen Zeichnungen mit einer ganz eigenen figürlichen Formensprache individuelle Persönlichkeit, Ausstrahlung, Anziehungskraft und zwischenmenschliche Beziehungen.

Hingegen tragen die lebensgrossen Zeichnungen allegorischen Charakter.

„Getragener“, 2009, Zeichnung Bleistift, 200 x 85 cm

Der sich verpuppende „Getragene“ erinnert an die Metamorphose der Raupe zum Schmetterling. Im Kokon liegt, dem Getragenen gleich, die Mumienpuppe.

Dutzende Hände spinnen den dünnen Lebensfaden auf den spindelförmigen Körper auf, wie das die mythologischen Schicksalgöttinnen, die Parzen, oder in Griechenland Zeus Töchter, die drei Moiren taten: Clotho die Spinnerin, die den Lebensfaden spinnt, Lachesis die Zuteilerin, die die Länge bemisst, und Atropos, die den Lebensfaden abschneidet. Atropa belladonna heisst die giftige Tollkirsche und Acherontia atropos ein Schmetterling – der Totenkopfschwärmer.

Aber Diez‘ „Getragener“ lebt, denn die Schmetterlinge sind noch nicht da.

Er ruht in sich, aufgehoben in den Händen des Schicksals.

„Honigtopf“, 2011, Zeichnung Bleistift, Buntstifte, 160 x 100 cm

Der „Honigtopf“ zeigt eine in der Lebensquelle stehende, von Blüten, Blättern und Bienen umschwirrte Frauengestalt mit einem Honigtopf im Arm, deren Augen erregt dem Treiben folgen. Eine barocke Rotationsform. Ein äusserst verführerischer Anblick eines schönen Weibes. Der fatal sein könnte … wie die Falle für den Bären.

Was uns daran denken lässt, dass Honigtopf, im englischen Honeypot, auch eine Einrichtung bezeichnet, die einen Angreifer oder Feind vom eigentlichen Ziel ablenken, oder in eine Falle locken soll – was seinen Ursprung im Umgang mit Bären hat.

Ausserdem schwimmt um ihre Beine ein Fisch. C. G. Jung sieht aber den Fisch als Sinnbild für das Selbst. Wenn man also selbst ein Fisch ist, kann man sich im Bad der Lebensquelle erneuern.

Zwei skulpturale Arbeiten „Fall“ und „Aufstieg“ werden in einem späteren Ausstellungsbericht besprochen.

Diez bespielt im Kunstprojekt „Omnibus 2012“ des Frankfurter Ausstellungsraumes Eulengasse die Station „Schöne Aussicht“. Seine Ausstellung „Cocooning …“ ist dort bis zum 24. Juni 2012 zu sehen.

Abbildungen und Fotografien: © Hans Jürgen Diez

→  Hans Jürgen Diez im Kunstforum Mainturm

 

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