Sarah Schoderer, Sabine Rak und Xue Liu in der Frankfurter Galerie Perpétuel
Leserinnen und Leser dieses Magazins wissen, wie sehr wir die Malerei und das Tafelbild wertschätzen. So kommt es nicht von ungefähr, dass wir bereits früher die Malerinnen Sarah Schoderer und Sabine Rak vorgestellt haben. Heute tritt der Künstler Xue Liu hinzu. Den drei Absolventen der Frankfurter Hochschule für Bildende Künste – Städelschule – widmet die Galerie Perpétuel derzeit eine in allen Aspekten stimmige Gemeinschaftsausstellung. Und Galerist Milorad Prentovic untermauert mit seiner Auswahl erneut seinen schon früher oft bewiesenen Qualitätsanspruch.
Alle drei waren Schülerinnen beziehungsweise Schüler der Professorin Christa Näher: Sabine Rak und Xue Liu als deren Meisterschüler; Sarah Schoderer studierte zusätzlich auch bei den Professoren Willem de Rooij und Wolfgang Tillmans.
Sarah Schoderer, Cat woman (Hollywood), 2012, Öl auf Leinwand, 60 x 50 cm
Sarah Schoderer, 70er Stuhl und Deus, 2011, Öl auf Pappe, 39 x 31 cm
Sarah Schoderer, Spiegelsaal, 2012, Öl auf Leinwand, 115 x 85 cm
Sarah Schoderers Arbeiten changieren in gelungener Weise in einem Spannungsfeld zwischen Figuration und Abstraktion, in einem Raum zwischen zivilisatorischer Vergangenheit, auf die ein marmorner Torso, ein marmornes Relief, als „Deus“, als ein Gott der Antike also, bezeichnet, oder eine bronzene Statue verweisen, und dem Jetzt und Heute des Betrachters.
Die Hollywood-Welt der „Cat woman“ begegnet uns in der maskenhaften Gestalt Botox-aufgespritzter Lippen und alle Poren des Gesichts glanz-versiegelnder Schminke. Am Ende nicht weniger hilflos und ohnmächtig als der antike einbeinige, arm- und kopflose Torso. Fantasievoll und in warmen Farben der Palette von Karminrot bis hin zu den orangenen und gelben Tönen die Szenerie vor dunklen Säulen und Gebälk, die vielleicht einst das Relief des Deus beherbergten. Dann die Spiegelsituation, in der wir wahrnehmen, was hinter uns, dem Betrachter, liegt: einen gewaltigen Durchbruch wie einen von Riesenkräften eines Erdbebens aufgetanen Riss, der den Blick auf ein hellblaues Schimmern freigibt.
Es sind Arbeiten, die uns Räume eröffnen und Assoziationen erlauben, auf die wir vielleicht – unbewusst – schon länger gewartet haben; Bilder, die nicht bedrängen und doch mitnehmen, hineinnehmen in Welten, die den Neugierigen willkommen heissen.
Ganz anders die Arbeiten Sabine Raks, kompositorisch und malerisch feinst und sensibel ausgeführt. Sie erzählen uns von Abwesenheit und Einsamkeit.
Ein Bett und eine weitere Lagerstatt, das Kopfkissen an das Fussende geschmiegt, davor ein Tisch mit einem Tuch bedeckt, eine Armauflage, wie ein Arzt sie zum Blutdruckmessen und zur Blutentnahme benutzt, im verhalten-verhangenen Licht des Zimmers blutrot ein Vorhang, der den Store des Fensters, im Luftzug halb über die Wand gebreitet, nicht verdeckt. Lag auf diesem Tisch noch eben eine Kranke, eine Sterbende vielleicht? Zartlila Blumen atmen, in ein Weiss gebettet. Ist das Zimmer wirklich leer, oder sind nicht Mutter und Tochter auf geheimnisvolle Weise gegenwärtig? Eine Bettstatt auch in „comme ci, comme ça“, eine Schlafcouch verdoppelt, in geschlossenem und geöffnetem Zustand, eine unbekleidete weibliche Gestalt in geisterhaftem Weiss, vor sich auf dem Lager eine gläserne Schale, ein Fabeltier scheint in sie hinein zu greifen, oder fliesst etwas Seltsames aus der Schale hinaus auf den Teppichboden? Eine surrealistische Szene. Aber auch Stille, Alleinsein, Einsamkeit. Einsamkeit auch in der fast ganz in verschiedenen Graustufungen gehaltenen Theaterszene, die Kulissen menschenleer, auf der Bühne ein Armlehnstuhl, er erinnert an einen Richtersitz, wieder ein Tisch ähnlich dem im verlassenen Zimmer vom Mutter und Tochter. Eine junge Frau steht allein im Vorparkett, die Sitzreihen und Ränge alptraumhaft leer, ins Leere auch geht jedwede Botschaft der Darstellerin.
Über den Bildern liegt der Schleier einer fein gewobenen Melancholie, die zugleich innehalten, verweilen lässt in einem noch zaghaften In-sich-geborgen-Sein.
Sabine Rak, Meine Mutter und ich in Polen, 2011, Öl auf Leinwand, 102,5 x 80 cm
Sabine Rak, comme ci, comme ça, 2011/2012, Öl auf Leinwand, 60 x 50 cm
Sabine Rak, Anhand Tatsachen, 2012, Öl auf Leinwand, 60 x 70 cm
Xue Liu handelt nach der griechischen Vier-Elemente-Lehre von Feuer, Wasser und Erde (die Luft treffen wir in der Bildauswahl nicht an), ferner der chinesischen Fünf-Elemente-Lehre, in der sich zu den drei genannten noch Holz und Metall als Grundelemente gesellen.
Er verkörpert die Elemente durch menschliche Figuren: Im Ruderboot kämpfen sie gegen die gewaltige See, mal scheinen sie auf Götterthronen wie im wolkenverhüllten Olymp zu sitzen, ein Knabe spielt dabei auf einem Blasinstrument, ein andermal präsentiert sich ein bekrönter athletischer Held als Reiter. Den goldfarbenen Stilrahmen dazu lieferte der Galerist.
Xue Lius luftig-leichte Malerei (da ist sie ja doch, die vermisste Luft!) gibt den Figuren etwas Schwebendes, die verschiedenen Nuancen der Blau- und Blauviolett-Töne unterstreichen diesen Eindruck. Ein Wandeln auch zwischen den alten Weisheiten von Ost und West. Wir werden von diesem Künstler noch hören – und vor allem sehen, da sind wir uns gewiss.
Xue Liu, Wasser, 2012, Acryl auf Leinwand, 150 x 150 cm
Xue Liu, Holz und Erde, 2012, Acryl auf Leinwand, 100 x 100 cm
Xue Liu, Feuer und Metall, 2012, Acryl auf Leinwand, 46 x 26 cm
Kurzbiografisches:
Sarah Schoderer, 1984 in Friedrichshafen geboren, 2005 Akademie für Bildende Künste der Johannes Gutenberg-Universität Mainz, 2007 bis 2011 Städelschule;
Sabine Rak, 1984 in Ruda Slaska/Polen geboren, 2003 bis 2005 Kommunikationsdesign an der Fachhochschule Darmstadt, 2005 bis 2010 Hochschule für Gestaltung Offenbach, 2009 bis 2011 Städelschule;
Xue Liu, 1981 in Chong Qing/China geboren, 2000 bis 2004 Malerei an der Sichuan Kunstakademie, 2004 Hochschule für Gestaltung Offenbach, 2006 bis 2010 Städelschule.
„SEXY SCHUHE MACHEN GUT“ – Sarah Schoderer, Sabine Rak, Xue Liu, Galerie Perpétuel, bis 9. Juni 2012.
Milorad Prentovic öffnet seine Galerie auch auf individuellen Wunsch hin (Telefon 0163/7485480).
(abgebildete Werke © jeweiligen Künstlerinnen bzw. Künstler; Fotos: FeuilletonFrankfurt)