home

FeuilletonFrankfurt

Das Magazin für Kunst, Kultur & LebensArt

PETRA KAMMANN, HERAUSGEBERIN · www.feuilletonfrankfurt.de · GEGRÜNDET 2007 VON ERHARD METZ

Medienpreis der SSG an Robert B. Goldmann

Überzeugter Amerikaner, aber im Herzen deutsch

Text und Fotos: Renate Feyerbacher


Ingrid Gräfin zu Solms-Wildenfels und Robert B. Goldmann bei der Preisverleihung

Die Steuben-Schurz-Gesellschaft (SSG), ein Verein zur Förderung deutsch-amerikanischer Beziehungen und internationaler Verständigung, verleiht jährlich einen Medienpreis – erstmals 1989. Preisträger in diesem Jahr ist der deutsch-amerikanische Publizist Robert B. Goldmann. In seiner Dankesrede erzählte er von seinem Leben und sprach anschliessend über „Wandlungen in der deutschen und der amerikanischen Gesellschaft“.

Er ist ein „hessischer Bub“ aus Reinheim im Odenwald, 1921 als Sohn einer jüdischen Arztfamilie geboren. Mit 13 Jahren musste er mit den Eltern erstmals die behütete Kindheit auf dem Lande hinter sich lassen. „Der Nationalsozialismus hatte uns früh und mit einem grossen Knall getroffen …“ ( S. 41 aus Robert Goldmann „Flucht in die Welt“, Fischer Taschenbuch Verlag 3. Auflage Juli 2006). Nazi-Nachbarn hatten nachts im Hof der Familie einen Kanonenschlag gezündet. Das war 1933. Es wurde über Emigration nachgedacht, aber der depressive Zustand von Oma Hilda verhinderte das. Sie sprach nicht mehr. Ihre Tochter, die Mutter von Robert, war von Angst getrieben.

Auf dem humanistischen Ludwig-Georg-Gymnasium in Darmstadt, das er mit der Schmalspurbahn, dem „Lieschen“, erreichte, wurde er von einem Lehrer als „Judenjunge“ aufgefordert, die Bananenschale aufzuheben, die „einer von euch Schweinen“ fallengelassen hat“ (S. 42).

Mitte 1934 zog die Familie in eine Wohnung in der Eschenheimer Anlage in Frankfurt am Main. Einige im Dorf hatten den dort weit und breit bekannten „Doktor“, Roberts Vater, gebeten zu bleiben und versprachen, ihn zu schützen. Ihnen war aber nicht klar, dass sie gegen die antijüdischen Ausschreitungen nichts ausrichten würden.

Das Leben in Frankfurt begann gut. Robert Goldmann besuchte das Philanthropin (deutsch: Stätte der Menschlichkeit), es war die grösste und am längsten existierende jüdische Schule in Deutschland. Dort machte er im März 1939 Abitur. Nach dem Tod von Oma Hilda, die sich 1935 aus dem 2. Stock des Frankfurter Wohnhauses stürzte (ein „Stolperstein“ vor dem Haus Eschenheimer Anlage 20 erinnert daran), wurde noch einmal umgezogen, in die Scheffelstrasse. Der Vater praktizierte wieder als Arzt, er tauchte tief in die jüdische Gemeinschaft ein. Er wurde Zionist.

Dann kam die „Kristallnacht“ am 10. November 1938, die Synagogen in der Friedberger Anlage und am Börneplatz brannten. Am gleichen Tag wurde der Vater verhaftet und ins KZ Buchenwald deportiert, aus dem er im Dezember entlassen wurde – total verändert. Die Wohnungseinrichtung wurde zertrümmert.

Die Emigration in die USA, wo bereits ein Cousin der Mutter und die Schwester des Vaters lebte, wurde nun intensiv geplant. Am 8. Mai 1939 verliess Robert Goldmann Deutschland Richtung London, die Eltern kamen sechs Wochen später. London wurde zum Sprungbrett in die USA.

Hier musste nun neu begonnen werden. Der Vater erhielt nach mühsamen Berufseignungsprüfungen die Approbation. Sohn Robert arbeitete zunächst in einer Fabrik für Damenkleidung, träumte aber von einer Karriere. Mit 24 Jahren verkündete er zuhause: „Ich bin jetzt Journalist“ (S. 140). Die vertiefenden Studien folgten erst später. Er wurde Redakteur bei der „Voice of America“, dort kam er ins Fadenkreuz des McCarthy-Ausschusses, der vermeintliche Kommunisten aufspüren und eliminieren sollte. Bertolt Brecht musste sich ihm stellen, und Charlie Chaplin, als Kommunist verdächtigt, durfte nach einem Auslandsaufenthalt nicht mehr in die USA zurückkehren. Robert Goldmann überstand diese Befragung.

Zuvor hatte er Eva, die aus einer Prager Industriellenfamilie stammte, geheiratet. Sie wurden Eltern eines Sohnes und weiblicher Zwillinge. Tochter Andrea Klainer hatte er jetzt zur Preisverleihung nach Frankfurt mitgebracht.

Robert B. Goldmann und Tochter Andrea Klainer

Als ihn ein Zuhörer fragte, ob er Amerikaner oder Deutscher sei, antwortete Robert Goldmann: „Ich fühle mich als Amerikaner, aber im Herzen bin ich deutsch“.

Er rede lieber über Luther als über Antisemitismus. Versöhnlich, ohne Hass erzählt er von der schweren Zeit, die seine Familie durchmachen musste. Feiner, selbstkritischer Humor, jüdischer Witz kennzeichnen seine Rede.

Laudator Professor Günther Nonnenmacher, Mitherausgeber der FAZ, sprach diese besondere Art von Vaterlandsliebe an. Er zeichnete den Berufsweg von Robert Goldmann nach, der auch heute noch für die FAZ schreibt und für die amerikanische Zeitung „International Herald Tribune“. Stationen aus Goldmanns Leben: Sprecher des neu eingerichteten Kennedy-Programms für Lateinamerika, Mitarbeiter bei „Vision“, einem lateinamerikanischen Magazin, Wegbereiter des American Jewish Committee, Arbeit für die Ford Foundation; dazwischen immer wieder Europa und auch Reinheim, wo die Goldmanns Lisbeth, ihre treue Haushälterin von damals in Reinheim treffen. 1986 Umzug nach Paris, um das europäische Büro der  Anti-Defamation-League, eine Organisation, die gegen Diffamierung und Diskriminierung von Juden eintritt, zu leiten.

rechts Laudator Günther Nonnenmacher

Trotzdem machte Goldmann in Frankfurt klar, dass er auch Kritik an Israels Regierung nicht scheut und ebenso wenig an seiner neuen Heimat Amerika. Er befürchtet den Rückfall in die Isolation, das Desinteresse der Amerikaner am Ausland. Er sieht die Konfliktlinien, die aufgrund unfähiger Politiker immer tiefer werden, und fürchtet den Verlust amerikanischer Identität.

Vom „Musterländle“ Deutschland verlangt er, dass es sich seiner Verantwortung stellt und seiner Rolle als führende Wirtschaftsmacht gerecht wird.

Für ihn ist die Sprache sehr wichtig, weil sie Menschen einander näherbringt. „Immer und immer wieder stelle ich fest, dass Sprache so viel mehr ist als blosses Kommunikationsmittel: Sie gibt nicht nur Einblick in die Gedankenwelt, auch in die Psyche, fördert die Aufrichtigkeit und suggeriert ‚Zusammengehörigkeit‘, auch inmitten von Meinungsverschiedenheiten“ (S. 210).

Ein Brückenbauer, der echte Versöhnung anstrebe, nennt ihn die Präsidentin der SSG, Ingrid Gräfin zu Solms-Wildenfels. Die deutsche Sprache helfe ihm dabei.

Am Tag nach der Preisverleihung brachen Vater und Tochter zur Fahrt nach Reinheim auf, dessen Ehrenbürger Robert ist.

 

Comments are closed.