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FeuilletonFrankfurt

Das Magazin für Kunst, Kultur & LebensArt

PETRA KAMMANN, HERAUSGEBERIN · www.feuilletonfrankfurt.de · GEGRÜNDET 2007 VON ERHARD METZ

Michael Kalmbach in der Kunsthalle Mainz

Michael Kalmbach: „Christopheruspuppe“

Text und Fotografien: Vera Mohr

Die scheidende Leiterin der Kunsthalle Mainz, Natalie de Light, präsentiert in der letzten von ihr kuratierten Ausstellung den pfälzischen Künstler Michael Kalmbach, der in Mainz erstmals die Möglichkeit erhält, seine Werke unter dem Titel „Christopheruspuppe“ umfassend der Öffentlichkeit vorzustellen. Der 1962 in Landau (Pfalz) geborene Künstler studierte an der Städelschule bei Professor Michael Croissant und lebt heute in Berlin. Die Ausstellung läuft im Rahmen des Kultursommers Rheinland-Pfalz unter dem Motto „Gott und die Welt“.

Galaxie, 2011

Michael Kalmbachs Werke thematisieren die Auseinandersetzung des Menschen mit seiner Umwelt. Das Lebewesen, eingebunden in Familie und weitläufige Verwandtschaft, muss sich dem Kampf mit Zeitgenossen und den Verwerfungen des Alltags stellen, woraus sich Macht und Ohnmacht entwickeln, die zu Zerstörung und Tod führen. Ein Leben zum Kotzen? Jedoch auch Schöpfung und Geburt spiegeln sich in seinen Gemälden und Skulpturen wider.

Kotzender, 2006; Erzengel, 2012

Vieles muss er geschluckt haben, bevor das Unverdauliche in einem derartigen Schwall nach aussen drängt und den Protagonisten in die Luft hebt, sodass er wie ein Fähnchen im Wind pendelt.

Hilfe im Lebenskampf verspricht Erzengel (Michael?), an dessen Schulter zwei verzweifelt flatternde Gestalten hängen. Mit einer Stange stochert er nach dem Bösen in den Gefässen zu seinen Füssen. Doch die Schlange hat sich schon weiter geschlängelt und erhebt ihr Haupt – das er laut Bibel zertreten soll – in seinem Rücken. Wird ihm der Kampf gelingen? Oder ist die hehre, tapfere Gestalt nur Illusion?

Ausstellungsansicht

Michael Kalmbach verknüpft viele seiner einzelnen Skulpturen zu riesigen Mobiles, die, an Stangen und Fäden aufgehängt, den Besucher anmutig umspielen. Sie sind aus Pappmaché gefertigt und bewegen sich, ändern ihre Position bei jedem Luftzug. Der Mensch, in Abhängigkeiten verstrickt, klammert sich an Gegenstände, die seine Unfreiheit bedeuten und ihn der Manipulation der Strippenzieher ausliefern. Oder ist es Freude am Spiel, Dabei-sein-wollen, auf keinen Fall abgehängt zu werden?

Der grosse und der kleine Paul, 2003 (Details)

Im Mittelpunkt seiner Gemälde steht eine Bild-Text-Geschichte, die auf den ersten Blick an ein Kinderbuch erinnert. Mit sanften Farben illustriert Kalmbach die Geschichte vom „kleinen und grossen Paul“. In einer Welt mit grossen und kleinen Menschen haben die Grossen das Sagen. Sie unterdrücken die Kleinen, terrorisieren sie und fressen sie sogar auf. In dieser Klassengesellschaft gelingt es dem kleinen Paul, eines Tages als Grosser wiederzuerstehen und als solcher ins Geschehen einzugreifen. Die Leichtigkeit der Figuren, die an eine heile Kinderwelt erinnert, wird durch massive Gewaltdarstellungen gebrochen.

Hänger, 2005; Stabile, 2004 (Ausstellungsansicht)

Die Sexualität als Motor des Weltgeschehens findet sich mit teils drastischen Darstellungen in Kalmbachs Werk. Auf erigierten männlichen Geschlechtsteilen und lang gezogenen Nasen sitzen kleine männliche Figuren als Scharniere.

Satt, 2006; Spirale, 2006

Die Frau erscheint als Gebärmaschine, die in ihrem Unterleib Unmengen von ungeborenen Kindern mit sich herumträgt und mit Säugen die unendliche Spirale des Lebens am Laufen hält.

Ausstellungsansicht mit dem Künstler (links)

Michael Kalmbach, Christopheruspuppe, Kunsthalle Mainz, bis 5. August 2012

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