Der „Krönungsweg“ – Frankfurts und Deutschlands bedeutendste historische Meile
Wo über dem „Archäologischen Garten“ der Kran steht, verläuft der Krönungsweg
Der „Krönungsweg“ – Frankfurt am Mains und ganz Deutschlands wahrscheinlich bedeutendste historische Meile – auf Jahre und Jahrzehnte hinaus eine Betontrümmerbrache? Im historischen Herzen der Stadt, über viele Jahrhunderte hinweg Stätte der Wahl deutschen Könige und der Krönung vieler Kaiser des „Heiligen Römischen Reichs Deutscher Nation“? Schlicht unverantwortlich!
Hässliche Brache im Herzen der Stadt; Fotos: FeuilletonFrankfurt
„Das ist der Krönungsweg“ rief der Frankfurter SPD-Stadtverordnete Turgut Yüksel am 25. März 2012, dem Tag des triumphalen Wahlsiegs des künftigen Frankfurter Oberbürgermeisters Peter Feldmann über den CDU-Kandidaten Boris Rhein, als Feldmann sich vom Haus am Dom, wo die SPD-Party stattfand, zum altehrwürdigen Frankfurter Rathaus Römer begab. Hat der Siegreiche dabei – wenigsten verschämt – mal nach rechts geschaut, dorthin, wo einst dieser Krönungsweg zwischen Kaiserdom und Römer verlief und wo jetzt, nach dem Abriss des betonmassigen Technischen Rathauses, eben jene erbärmliche Wüste und Brache zum Himmel schreit?
Warum wir diese Frage stellen? Nun, niemand anderes als Peter Feldmann hatte sich im Wahlkampf zu der (offenbar von Teilen der Frankfurter SPD getragenen), für uns nicht nachvollziehbaren Aussage verstiegen, der Bau der „neuen Altstadt“ könne zurückgestellt werden, bis die städtischen Finanzen wieder konsolidiert seien. Und nun fragen wir weiter: Wann wird das sein, diese Konsolidierung? In einem, in fünf, in zehn Jahren? Wir sagen es Ihnen, liebe Leserinnen und Leser, klipp und klar voraus: am Sankt Nimmerleins-Tag!
Schuld an letzterem Befund ist nun wiederum nicht Peter Feldmann, sondern eine seit Jahrzehnten verfehlte Bundespolitik, die die öffentlichen Haushalte der Kommunen ins finanzielle Elend manövriert hat. Um keine Missverständnisse aufkommen zu lassen: Feldmanns die städtische Finanzkraft herausfordernde Ziele – Kinderarmut stoppen, bezahlbaren Wohnraum schaffen, ältere Bürgerinnen und Bürger integrieren – sind wichtige und richtige. Das aber alles ist kein Grund, besagte Abbruchwüste jetzt einfach mal Abbruchwüste sein zu lassen. Die „neue Altstadtbebauung“ zurückzustellen wäre ein beispielloser Frevel an der ehemaligen Freien Reichsstadt und an ihrer auch heute herausragenden Bedeutung im gesamten Deutschland und – allein schon als Sitz der Europäischen Zentralbank – in einem vereinten Europa; wäre eine Zumutung gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern und eine Lachnummer für die zwischen Dom und Römer pendelnden Touristenscharen aus aller Welt! Auch einen Namen für solches städtebauliche Elend liesse sich der Volksmund wohl sehr bald für die 7000 m² umfassende Abrisswüste einfallen – wie wäre es beispielsweise mit „Peter Feldmann-Anlage“ oder „Dom-Römer Kulturforum“?
Vor zweieinhalb Monaten legte Oberbürgermeisterin Petra Roth den Grundstein für das Jahrhundert-Bauvorhaben: „Mit dem DomRömer-Projekt schreiben wir“, so Frau Roth, „einmal mehr Frankfurter Stadtgeschichte. Nach der Zerstörung unserer Altstadt im Zweiten Weltkrieg und jahrelanger Diskussion erhält die Stadt ihr Herz zurück“. Die Planungen sind weitgehend abgeschlossen, die Fertigstellung für das Jahr 2016 angekündigt. Es sollte deshalb auch endlich Schluss sein mit der immer wieder aufflammenden, klein-klein geführten, auf Provinzniveau abgesunkenen Debatte über die Zahl der Rekonstruktionen. Denn es kann als selbstverständlich angenommen werden, dass auch in einer vom Bombenkrieg verschont gebliebenen Altstadt wesentliche bauliche und allein schon sanierungsbedingte Veränderungen stattgefunden hätten. Was die verantwortlichen Gremien, vor allem die städtische DomRömer GmbH in jahrelanger Arbeit und unter steter Bürgerbeteiligung entwickelt und nun zur Beschlussfassung vorgelegt haben, ist ein eindrucksvoller und sowohl städtebaulich wie ästhetisch sehr befriedigender Kompromiss.
Bildnachweis: HHVISON, DomRömer GmbH
Bildnachweis: HHVISON, DomRömer GmbH
Bildnachweis: HHVISON, DomRömer GmbH
Schlimm ist ebenso die unter dem Vorzeichen eingeschränkter finanzieller Mittel entfachte Diskussion um einen Verzicht auf das als zentrales Element der Gesamtplanung schlechthin notwendige Stadthaus, in dessen Untergeschoss der archäologische Garten integriert werden soll. Dem „Garten“, derzeit unter freiem Himmel der Verschmutzung und Verwitterung ausgesetzt, nicht selten mit Flaschenscherben, verschmierten Essensverpackungen und Zigarettenstummeln verschönt und unzweifelhaft leider auch als Latrine missbraucht, garantierte die Einbettung in das Stadthaus endlich eine angemessene und denkmalgerechte Bleibe.
Auch deshalb nicht nachvollziehbar ist schliesslich die Forderung der Initiative „SOS Dompanorama“, die „Garten“-Brache zugunsten eines – völlig unhistorischen, weil nie vorhandenen – freien Blicks auf den Dom zu belassen. Kirchen und Dome waren Mittelpunkte eng um sie gescharter mittelalterlicher Bebauung; sogenannte „freie Blicke“ schufen in aller Regel allein erst die Kriegszerstörungen.
Das Stadthaus schafft einen harmonisch abgeschlossenen, zum Verweilen einladenden Platz; Bildnachweis: DomRömer GmbH
Plakat zur Kampagne; Foto: FeuilletonFrankfurt
Archäologischer Garten sinnvoll und denkmalgerecht unter dem Stadthaus; Bildnachweis: DomRömer GmbH
Die „neue Altstadt“ jetzt kaputt-, gar totsparen? Nein danke! Auf die jetzt erforderliche allseitige Vernunft der Stadtpolitik kann man aber leider nicht vertrauen, sondern nur hoffen. Und die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt.
s. a. Baut Bettina Pousttchi in der Schirn schon an der neuen Altstadt
s. a. Folie statt Fachwerk: „Framework“ von Bettina Pousttchi in der Schirn Kunsthalle