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FeuilletonFrankfurt

Das Magazin für Kunst, Kultur & LebensArt

PETRA KAMMANN, HERAUSGEBERIN · www.feuilletonfrankfurt.de · GEGRÜNDET 2007 VON ERHARD METZ

Internationaler Freundschaftsball des IWC 2012 zugunsten der Stiftung Bärenherz

Einfühlsame Orte des Abschiednehmens
Die Kinderhospize Bärenherz

Von Renate Feyerbacher

IWC-Gründerin Elisabeth Norgall (Foto: Renate Feyerbacher)

Am 10. März 2012 veranstaltete der International Women’s Club of Frankfurt (IWC) seinen jüngsten Freundschaftsball. Der Termin fiel zusammen mit dem 125. Geburtstag der Studienrätin und Dolmetscherin Elisabeth Norgall (1887 bis 1981), die nach dem zweiten Weltkrieg zunächst den deutsch-amerikanischen Frauenclub gründete, aus dem 1946 der IWC entstand. Jedes Jahr verleiht der IWC den Elisabeth-Norgall-Preis an Frauen, die sich für die Probleme und Belange von Frauen und Kindern einsetzen.

Und der IWC veranstaltet jährlich seinen Internationalen Freundschaftsball. Natürlich geht es auch auf diesem Ball fröhlich zu, wird getanzt, wird geredet.

Der Freundschaftsball hat aber auch immer ein Projekt, das viel Geld einbringen soll. Soziales Engagement ist eben ein wichtiges Anliegen des Vereins. Sage und schreibe kamen diesmal aus Spenden und dem Erlös der Tombola 45.560 Euro zusammen.

Gabriele Orth, Geschäftsführerin der Bärenherz-Stiftung (Foto: Renate Feyerbacher)

Der Vorstand des IWC unter seiner finnischen Präsidentin Anna-Maria Eiden hatte sich in diesem Jahr für die Stiftung Bärenherz in Wiesbaden mit ihren Kinderhospizen in Wiesbaden und Leipzig und einem Kinderhaus in Heidenrod-Laufenselden entschieden. Und hatte sich, um auf Bärenherz einzustimmen, die Clown Doktoren aus Wiesbaden zu Hilfe geholt.

IWC-Damen (dritte und vierte v. r. Präsidentin Anna-Maria Eiden und Ball-Schirmherrin Pirkko Ackermann) mit den Clown Doktoren „Dr. Schnickschnack“, „Dr. Schienbein“ und Signora Stracciatella (Foto:Renate Feyerbacher)

Schirmherrinnen des Freundschaftsballs waren die finnische Botschafterin in Deutschland Päivi Luostarinen und die Finnin Pirkko Ackermann, selbst Mutter einer erwachsenen Tochter, Absolventin der Universität St. Gallen wie ihr Ehemann Josef Ackermann.

Ehepaar Pirkko und Josef Ackermann (Foto: Renate Feyerbacher)

Sie hielt eine nachdenkliche Rede, in der sie sich und die Zuhörer, die Kinder, Enkel und Paten haben, an das Babygebrabbel, an den ersten Schultag, an überstandene Kinderkrankheiten und die Diskussionen über Mofas und Discobesuche erinnerte, um überzuleiten auf Bärenherz: „Doch leider gibt es Familien, deren gemeinsames Leben durch etwas erschüttert wird, das nur schwer begreifbar ist: Eine unheilbare Krankheit. Kinder, die plötzlich schwerstkrank sind … Dieses Kinderhospiz ist eine Herberge, die Schutz, Geborgenheit und Sicherheit gibt für Familien, deren Kind lebensverkürzend und unheilbar erkrankt ist.“

Ball-Schirmherrin Pirkko Ackermann, IWC-Präsidentin Anna-Maria Eiden, Ball-Moderatorin Jennifer Knäble, Brigitte Seeger, Chair woman des IWC-Speciel Events-Teams, und Stiftungs-Geschäftsführerin Gabriele Orth (Foto: Renate Feyerbacher)

10 Jahre Bärenherz Wiesbaden

Im April  2002 wurde Bärenherz Wiesbaden als bundesweit zweites stationäres Kinderhospiz eröffnet. Es ist das einzige seiner Art in Hessen, das Kinder und Jugendliche bis 18 Jahren, die unheilbar lebensverkürzend erkrankt sind, aufnimmt und die gesamte Familie betreut. Ein zweites Kinderhospiz Bärenherz wurde 2008 in Leipzig eröffnet. Weiter kommt das Kinderhaus Bärenherz im hessischen Heidenrod-Laufenselden hinzu. Im Jahr 2008 war Bärenherz Bambi-Preisträger in der Rubrik „Engagement“. Drei Kinderhospiz-Mitarbeiterinnen aus Wiesbaden und der Gründer Wolfgang Groh erhielten den begehrten Medienpreis.

Hospiz bedeutet Herberge. Bärenherz ist „eine Herberge, die Schutz, Geborgenheit und Sicherheit gibt für Familien und deren Kind“, so äussert sich eine Mutter.

Herberge bedeutete ursprünglich Unterkunft für Reisende. Im 19. Jahrhundert erhielt der Begriff eine christliche Erweiterung: Herberge wurde zur Heimat, später kam der Gedanke des Wanderns hinzu. „Wir sind nur Gast auf Erden und wandern ohne Ruh der neuen Heimat zu“ (Georg Thurmair). Die Herberge Bärenherz bedeutet Akzeptanz, Aufnahme, Empathie, Pflege, Tröstung und Begleitung in den Tod.

Es geht darum, die Lebensqualität des kranken Kindes zu bereichern und die anderen Familienmitglieder, vor allem auch die Geschwister, zu stützen.

Vor dem Kinderhospiz Bärenherz Wiesbaden (Foto: Stiftung Bärenherz)

Eine Familie erzählt von ihrem Sohn Ferdinand, der manchmal drei Tage, manchmal drei Wochen im Haus Bärenherz war, dann, wenn die Mutter mit Axel, dem Geschwister, in Kur fuhr. Wenn sie ihn abholten, „ging es Ferdi immer sehr sehr gut und er war super fröhlich“. Vor fast sechs Jahren starb Ferdinand in den Armen seiner Mutter. Axel fehlt sein Bruder sehr, denn er und Ferdinand sind eineiige Zwillinge.

„Aber das Bärenherz hat nicht nur uns, sondern auch den Axel aufgefangen und, wie ich festgestellt habe, alle anderen Geschwister, deren Bruder oder Schwester im Bärenherz umsorgt werden oder verstorben sind. Im Bärenherz werden Kreativ-nachmittage für Geschwisterkinder angeboten, die wir auch sehr gerne und sehr oft nutzen. Axel ist total begeistert und blüht dort richtig auf.“ Zweimal im Monat gibt es einen Kreativtreff für Geschwisterkinder, manchmal wird eine Bootstour gemacht, manchmal eine Flughafenführung unternommen und einmal im Monat trifft sich die gesamte Familie zum Themenbrunch.

Für die kranken Kinder werden besondere Erlebnisse organisiert: zum Beispiel ein Kinobesuch oder Basteln in der „Bärenbande“, oder die Clown Doktoren kommen.

Die Kinderzimmer sind freundlich eingerichtet und können auch individuell gestaltet werden. Für Eltern stehen fünf Appartements für kurze und längere Aufenthalte zur Verfügung.

Im Kinderhospiz Bärenherz Leipzig (Fotos: Stiftung Bärenherz, Montage: FeuilletonFrankfurt)

„Nur ein einziger Gedanke: Niemals!“

Ihr Sohn war schwerbehindert durch die Geburt. Nur dieser einzige Gedanke habe sie beherrscht, das Kind niemals ins Kinderhospiz zu geben, schildert eine Mutter: „Ich brachte das Bärenherz in Zusammenhang mit Pflege, die mir aus der Hand genommen wird, mit Schwestern, die alles besser wissen, mit Krankenhausaufenthalten und natürlich in Zusammenhang mit Sterben.“ Dann musste der Sohn ins Krankenhaus, und sie hatte nur den einen Wunsch, ihn dort herauszuholen. Aber sie wusste auch, dass die Pflege ungleich schwieriger geworden war. Da griff die Mutter zum Telefonhörer.

„Als wir uns nach nichts mehr sehnten für unser Kind als nach Ruhe, als wir Menschen suchten, die uns verstehen und uns darin unterstützen würden, einen schmerzfreien und würdevollen letzten Lebensabschnitt für unser Kind zu schaffen, da merkten wir schon nach dem ersten Telefonat, dass wir hier gut aufgehoben sein würden.“ Auch um die kleine Tochter wurde sich intensiv gekümmert. Bei Problemen des Alltags wurde geholfen, die komplizierten Gespräche mit Krankenkassen und Sanitätshäusern übernahmen die Mitarbeiter von Bärenherz. Das wird Eltern aus der Hand genommen, aber nicht das selbstbestimmte Zusammensein mit dem Kind oder die die Art der Pflege.

„Und immer mehr konnte ich mich ausschliesslich auf das Muttersein konzentrieren. Weil ich sah, das tatsächlich alles so gemacht wurde, wie ich es wollte … Wir trafen auf Menschen, die vor Gesprächen nicht davonliefen. Die Tränen aushalten konnten oder mitweinten. Menschen, die unserem Kind und uns so voller Liebe begegneten.“

Nur vierzehn Tage war der Sohn im Wiesbadener Kinderhospiz Bärenherz, wo er starb. Es hätte zuhause nicht entspannter für alle sein können, erinnert sich die Mutter. Nach wie vor ist Bärenherz vor allem für die kleine Tochter ein Ort der Fröhlichkeit und Freude und für die Mutter nach wie vor ein Ort, „an dem meinem Engelchen die Flügel wachsen durften“.

Es ist wichtig, dass Eltern für sich auch kleine Freiräume schaffen, denn die Erschöpfung durch die Pflege ist unbeschreiblich, und oft werden Eltern, die versuchen, das alleine zu bewältigen, selbst schwer krank. Deshalb ist eine Reform der Pflegever-sicherung auch dringend nötig, die die Angehörigen berücksichtigt und unterstützt und ihnen durch finanzielle Hilfe eine Auszeit ermöglicht.

(Foto: Stiftung Bärenherz)

Angebote im Wiesbadener Kinderhospiz

Um ein umfassendes Wohlbefinden zu leisten, bedarf es einer palliativen Schmerztherapie besonders am Lebensende, die von speziell ausgebildeten Kinderärztinnen vorgenommen wird. Im Einsatz sind Kinderkrankenschwestern, Heilerziehungspfleger und -pflegerinnen, pädagogische Fachkräfte für die Kinder auf Station. Eine pädagogische Fachkraft leistet Trauerarbeit mit Geschwisterkindern und eine Sozialpädagogin mit den Eltern. Im ambulanten Kinderhospizdienst arbeitet eine Sozialpädagogin, nicht zu vergessen eine Seelsorgerin. Psychotherapeuten, Ergotherapeuten, Logotherapeuten und Ehrenamtliche mit qualifizierter Ausbildung arbeiten mit Bärenherz zusammen. Und ein Therapiehund macht auch mit.

Spielzimmer und Snoezelraum, in dem es Lichtspiele und Musik und ein Wasserbett gibt, sind besonders beliebt. Das Kunstwort Snoezelen, ein Begriff, den zwei niederländische Zivildienstleistende erfanden, ist eine Form der Tiefenentspannung. Die verschiedenen sensorischen Reize, die harmonisch auf einander abgestimmt sind, sprechen alle Sinne an. Auch die Raumgestaltung fördert sowohl die therapeutische als auch die pädagogische Arbeit und die Beziehung zwischen Kind und Betreuerin. Massagen, Aromatherapie, aber vor allen Dingen Musiktherapie werden angeboten. Musiktherapie, das bewiesen klinisch-wissenschaftliche Forschungen, hilft bei vielen Krankheiten, lindert Leidenszustände und verbessert die Lebensqualität. Und in Bärenherz arbeitet eine Musiktherapeutin mit den Kindern, die auf Station liegen, und auch mit deren Eltern.

Die Musik- und Medienwirkungsforscherin Vera Brandes aus meinem Familienverband weiss um die heilsame Wirkung von Musik. Sie forscht in Kooperation mit dem Wiener Hanusch-Krankenhaus, dem Mannheimer Institut für Public Health, der Sozial- und Präventivmedizin der Universität Heidelberg, der Medizinischen Fakultät Mannheim und dem Lehrstuhl für Klinische Psychologie der Ohio State University über die Wirkung von Musik auf depressive Erkrankungen, auf Schlaflosigkeit. „Musik kann Veränderungen im Hirn auslösen, die über andere Wege nicht in dieser Form gelingen“, erklärt die Leiterin des Forschungsprogramms Musik-Medizin der Paracelsus Privatuniversität Salzburg. Auch das Herz profitiert von ihr: „Musik wirkt sich positiv auf den Herzschlag und die Fähigkeit zur Selbstregulation aus.“ Musik kann auch Glückshormone mobilisieren. Bei ihrer therapeutischen Forschungsarbeit arbeitet sie mit eigens komponierter Musik.

Die Pflegefachkräfte im Kinderhospiz Bärenherz in Wiesbaden haben fast alle einen speziellen Kurs für Kinder absolviert, um diese „ummantelnde“ – palliative – Pflege, so werden die verschieden Therapien beschrieben, zu erlernen.

Das Lebenswäldchen in Wiesbaden

„Unvorstellbar sind die Gefühle der Eltern und Angehörigen nach dem Tode ihres Kindes. Nichts scheint mehr zu sein, wie es war. Die Seele ist vielleicht gelähmt, Körper und Geist versinken in Trauer und Stillstand oder in Aufruhr und Hektik. Dies alles können wir kaum lindern, aber Rituale können helfen, den Weg der Trauer zu finden und unsere toten Kinder liebevoll zu begleiten“ (Website von Bärenherz Wiesbaden).

Es braucht einen Ort, wo später noch getrauert werden kann. Im Oktober 2009 wurde unterhalb des Kellerkopfes bei Wiesbaden-Naurod ein neues Lebenswäldchen eingeweiht, nachdem das bisherige in Auringen zu klein geworden war. Die Pflege hat die Caritas übernommen. Jedes Jahr wird für verstorbene Kinder als Zeichen des Lebens und der Hoffnung ein Baum oder ein Rosenbusch gepflanzt. „Der Baum als Symbol des Lebens und des Wachstums soll ein Zeichen dafür sein, dass nach dem Tod immer Leben folgt. Und kein Baum steht für sich alleine.“ Jährlich gibt es dort einen Erinnerungstag mit Familienangehörigen, mit Freunden und mit Mitarbeiterinnen, die kommen wollen. „Wir halten gemeinsam die Trauer aus, aber wir feiern auch das Leben und nehmen Zuversicht mit.“

Am 15. April 2012 wird das zehnjährige Bestehen von Bärenherz Wiesbaden intern gefeiert. Wenn der geplante Neubau eröffnet wird, denn die Gemeinschaftsräume in Wiesbaden-Erbenheim sind zu klein geworden, dann wird es einen Tag der offenen Tür geben.

Die Stiftung Bärenherz unterstützt das Kinderhospiz in Wiesbaden mit jährlich 500.000 Euro. Aber das reicht nicht, und deshalb werden Spenden gebraucht für die umfassende Pflege.

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