Aufstieg in die World League: Max Holleins Städel Museum
Blickrichtung: Kulturmanager und Museums-Macher Max Hollein
Von Erhard Metz
Mal ehrlich: Wenn uns jemand vor zehn Jahren gesagt hätte, die Ausstellungsfläche des Städel Museums werde sich an Ort und Stelle um 3.000 m² vergrössern, wir wären kopfschüttelnd von dannen gegangen; und wenn uns jemand vor zehn Jahren gesagt hätte, das Museum werde in sehr überschaubarer Zeit in seinem Bestand rund 1.200 Werke der Gegenwartskunst versammeln, wir hätten um den geistigen Zustand dieses Verwirrten gebangt.
Aber nun, Ende Februar 2012, sind beide Vorhersagen Realität. Neben den Sammlungen „Alte Meister“ und „Moderne“ vereinigt das Haus mit dem dritten grossen Sammlungskomplex „Gegenwartskunst“ rund sieben Jahrhunderte abendländischer Kunstgeschichte unter einem Dach: rund 3.000 Gemälde, 600 Skulpturen, 500 Fotografien und über 100.000 Zeichnungen und Druckgrafiken.
Treppe zu den von Tageslicht durchfluteten unterirdischen Gartenhallen
1.200 Werke der Gegenwartskunst – woher kommt diese wundersame Vermehrung? Haben wir den Ausbau dieses Sammlungskomplexes trotz aller Presseinformationen des Hauses in seiner Tragweite nicht richtig wahrgenommen und zeigen uns jetzt überrascht?
600 Arbeiten von insgesamt 46 Künstlerinnen und Künstlern hat die Deutsche Bank aus ihrer Sammlung dem Städel als Dauerleihgabe überlassen, davon 60 Gemälde und Skulpturen, 161 Originale auf Papier und 379 Druckgrafiken. Und über 220 zeitgenössische Fotografien bzw. Werkkomplexe stammen aus der weltberühmten entsprechenden Sammlung der DZ Bank – dem Museum ebenfalls dauerhaft überlassen. Fast 100 Werke resultieren aus Ankäufen des 2007 gegründeten „Städelkomitee 21. Jahrhundert“ engagierter Bürgerinnen und Bürger, hinzu kommen schliesslich Schenkungen von Sammlern und von den Künstlern selbst.
Rund 80 Prozent der in der jetzt eröffneten ersten Sammlungspräsentation gezeigten rund 330 Arbeiten resultieren aus Neuzugängen der vergangenen sechs Jahre.
Einzigartig der rund 3.000 m² Grundfläche überspannende, auf lediglich zwölf Säulen ruhende Kuppelbau mit einer dank modularer Wandsyteme flexiblen Ausstellungsarchitektur. Es entsteht eine Art von Stadtlandschaft mit gleichsam Strassen, Wegen, Plätzen und Blickachsen, die dem Publikum einen individuellen und intuitiven Ausstellungsparcours erlauben. Hausähnliche Kuben können als sozusagen autonome Ausstellungsorte genutzt werden. Stets bleibt dabei der Blick frei auf die Orientierung vermittelnde zentrale Aufwölbung der Kuppel.
Raumansicht; links Otto Freundlichs „Composition“
Raumansicht
Sie gaben grossartige Werke und das liebe Geld: die Gemeinnützige Hertie-Stiftung 7 Millionen Euro, die Stadt Frankfurt am Main 16,4 Millionen Euro, die Deutsche Bank 500.000 Euro sowie die besagte Dauerleihgabe, die DZ Bank einen bedeutenden Teil der Fotografiesammlung; nicht im Bild vertreten Bankhaus und Familie von Metzler mit 3 Millionen Euro. Und nicht zu vergessen: 3 Millionen Euro brachten die Mitglieder des Städelschen Museums-Vereins im Rahmen des traditionellen bürgerschaftlichen Engagements der Frankfurter für die Kulturinstitutionen der Stadt auf.
Michael Endres, Vorstandsvorsitzender der Gemeinnützigen Hertie-Stiftung; Max Hollein; Oberbürgermeisterin Petra Roth; Professor Nikolaus Schweickart, Vorsitzender der Administration des Städel Museums; Josef Ackermann, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Bank; Kulturdezernent Professor Felix Semmelroth; Wolfgang Kirsch, Vorsitzender des Vorstands der DZ BANK
Insgesamt rund 52 Millionen Euro kosteten Erweiterungsbau und Altbausanierung, jeweils hälftig aus öffentlichen und privaten Mitteln finanziert. Ein Vergleich reizt: Im Rahmen der Eröffnungsbilanz der Stadt Frankfurt und einer entsprechenden Inventarisierung wurde Claude Monets „Das Frühstück“ auf den Wert von 50 Millionen Euro beziffert – zu besichtigen im Städel Museum.
Der Menschen Denken wird vielfach von hierarchischen Stufungen, wettbewerblichen Vergleichen und Rankings bestimmt. Wie verhält sich der Sammlungskomplex Gegenwartskunst des Städel zum Frankfurter Museum für Moderne Kunst – so wird seit längerem gefragt und liesse sich heute erst recht fragen. „Komplementär“ kann die Antwort nur lauten, zum grossen Nutzen der kunstinteressierten Öffentlichkeit und der Reputation der Stadt als einer der europaweit bedeutendsten Museumsstandorte. Das MMK mit seinem Bestand von rund 4.500 Werken der Gegenwartskunst braucht sich also nicht zu fürchten, zumal es, besonders aus der ehemaligen Sammlung Ströher, über eine Anzahl von Inkunabeln vor allem der amerikanischen Pop Art verfügt. Jedoch benötigt auch das MMK eine bauliche Erweiterung, da es jeweils nur einen recht kleinen Teil der Sammlung präsentieren kann. Und es benötigt angesichts leerer öffentlicher Kassen und mangels eines nennenswerten Ankaufetats Sponsoren, Förderer und Mäzene. Genau um diesen Kreis jedoch könnte ein – durchaus erbitterter – Konkurrenzkampf entstehen. Wie verlautet es aus dem Städel Museum: „Neue Wege der Zusammenarbeit zwischen Wirtschaft und Kultur“ seien beschritten worden, „die sowohl steuerrechtliche Komponenten berücksichtigen als auch den dauerhaften Verbleib der Werke in der Sammlung des Städel sichern“.
Fotos: Erhard Metz
⇒⇒⇒ Das neue Städel – Alte Meister
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