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FeuilletonFrankfurt

Das Magazin für Kunst, Kultur & LebensArt

PETRA KAMMANN, HERAUSGEBERIN · www.feuilletonfrankfurt.de · GEGRÜNDET 2007 VON ERHARD METZ

Felix Mussil

Goethe-Plakette für den politischen Karikaturisten

Text und Fotos: Renate Feyerbacher

Mitte Januar 2012, wenige Tage nach seinem 91. Geburtstag, erhielt der gebürtige Berliner die Goethe-Plakette der Stadt Frankfurt am Main.

Felix Mussil und der Frankfurter Kulturdezernent Felix Semmelroth

Endlich wurde dieser legendäre Meister der politischen Karikatur ausgezeichnet. Viele prominente Freunde aus Kultur und Politik und ehemalige Kollegen der Frankfurter Rundschau waren in den Frankfurter Römer gekommen, um Felix Mussil zu feiern. Bescheiden, fröhlich, fein lächelnd verkraftete er den Gratulations-Strom der Bewunderer. Warten war angesagt.

Er trete zum ersten Mal in seinem Leben an ein Rednerpult, sagte er, denn seine Arbeit habe sich immer „zwischen dem Papier und meinen Augen“ vollzogen.

24 Jahre alt war Felix Mussil am Ende des zweiten Weltkriegs. Nach dem Abitur begann er in Berlin zunächst mit dem Architekturstudium. Dann wurde er in den Krieg geschickt, aus dem er erst 1945 zurückkehrte – aus Russland. Wie so viele junge Männer dieser Generation hatte er anschliessend keine Chance, einen Beruf zu erlernen oder zu studieren. Er begann mit dem Zeichnen und machte sich Ende der vierziger Jahre auf nach Frankfurt, das Bundeshauptstadt werden sollte, aber dem Adenauer-Votum für Bonn 1949 unterlag. Dennoch ging es hier politisch zur Sache. Hier hatte die amerikanische Militärregierung ihren Sitz.

Sie erteilte 1945 die Lizenz zur Herausgabe der Frankfurter Rundschau. Ein Jahr später kam Karl Gerold, der während der Nazizeit ins schweizerische Exil gehen musste, als Mitherausgeber dazu. Später wurde er Alleinherausgeber und Chefredakteur – „heilige Dreifaltigkeit“ von den Kollegen genannt.

Mussil zeigt Karl Gerold seine politischen Karikaturen, die er seit 1948 gezeichnet hatte, und wird engagiert. Gerold ist von der Arbeit des jungen Mannes überzeugt. Er wird  sein Mann.

Bundeskanzler Helmut Kohl nimmt an der Zeremonie teil, mit der der preussische König Friedrich der Grosse von Hechingen zurück nach Potsdam überführt wird. August 1991

Die Vorgespräche für ein Treffen zwischen Bundeskanzler Willy Brandt und DDR-Ministerpräsident Willi Stoph verlaufen schwieriger als erwartet. März 1970

Von Hannover zieht Mussil 1955 nach Frankfurt und wird ständiges Redaktionsmitglied der Frankfurter Rundschau. Es ist die Seite 1 der Zeitung, die fünf Jahrzehnte lang seine Karikaturen beherrschen. Wie kein anderer Zeichner hat er über einen so langen Zeitraum das Gesicht eines Blattes geprägt. Er setzte ein Markenzeichen.

Schnell musste er arbeiten. Und es war sicher nicht einfach, die aktuell-politische, komplizierte und oft vieldeutige Meldung in eine anschauliche, einprägsame Darstellung zu verwandeln. Um die 5000 Karikatur-Ideen hat Mussil umgesetzt.

Arbeiter und Angestellte im öffentlichen Dienst signalisieren grosse Bereitschaft zum Arbeitskampf. Lenken die Arbeitgeber nicht ein, drohen Streiks. Februar 1974

Helmut Kohl wird nach dem konstruktiven Misstrauensvotum zum Bundeskanzler gewählt. Vorausgegangen war der Koalitionswechsel der FDP. Oktober 1982

Sowohl an innen- als auch an aussenpolitsche Geschehnisse machte sich seine Feder, die schwarze Tusche aufs weisse Papier brachte. Kein innerdeutscher noch weltpolitischer Konflikt wurde ausgespart, kein Politiker geschont, kein sportliches Grossereignis missachtet. Die Justiz nahm er oft aufs Korn. Seine vereinfachende Form brachte es auf den Punkt und war direkt zu verstehen. Sein feiner Humor, der ihm auch heute noch aus den Augen blitzt, war nicht verletzend.

Staatspräsident François Mitterand wurde zum Auftakt des deutsch-französischen Kulturgipfels in Frankfurt zum Ehrenbürger der Stadt ernannt. Oktober 1986

Frankreich misstraut einer deutschen Wiedervereinigung – Verteidigungsminister Jean-Pierre Chevenement warnt vor einem „sehr grossen Deutschland“. Januar 1990

Als Präambel steht in seinem Buch die Devise:

„Witzig – aber nicht höhnisch.
Polemisch – aber nicht dogmatisch.
Treffen – aber nicht um jeden Preis.
Dabei immer die Feder in der Tusche,
aber nie – im Gift.“

Markenzeichen sind seine Nasen, beliebt die  Mütze des „deutschen Michel“ und Stöckelabsätze.

In seiner Laudatio erinnerte Kulturdezernent Professor Felix Semmelroth an Mussils  Arbeitsbehausung auf dem Dach der Frankfurter Rundschau, die schwer zu erreichen war. Von waghalsiger Kletterpartie ist die Rede. Das „Kabäuschen“, wie Felix Mussil seinen Arbeitsplatz nannte, fiel wie das Rundschauhaus am Eschenheimer Tor dem Abrissbagger zum Opfer. Dieser durch seine Rundung prägnante Nachkriegsbau verschwand 2006 komplett.

Zu seinem 80. Geburtstag am 9. Januar 2001 ehrte ihn das Historische Museum in Frankfurt mit einer grossen Ausstellung. Ein Jahr zuvor verewigte er sich, umringt von  Politköpfen wie Kohl, Schmidt, Adenauer, Erhard, Strauss, Fischer, Genscher in einer Karikatur. Michel schaut ihm beim Zeichnen zu.

Das Urteil eines Mannheimer Gerichtes verharmlost das neofaschistische Engagement des NPD-Vorsitzenden Günter Deckert und löst Empörung aus. August 1994

Der BND bespitzelt mehr deutsche Politiker als vermutet. Das ist ein Ergebnis des Guillaume-Untersuchungsausschusses. Oktober 1974

Sichtlich bewegt nannte Felix Mussil den Tag der Verleihung der Goethe-Plakette den Höhepunkt seiner Arbeit, seines langen Lebens und seiner Karriere. „Schön, dass Du da warst“ verabschiedet er sich von mir, die ihre ersten journalistischen Schritte Ende der 1960er Jahre in der FR machte und dort bis 2004 freie Mitarbeiterin war.

Noch einige Tage hängen Mussils zeitlose Karikaturen in der „Denkbar“ (Spohrstrasse 46a), die ab 17 Uhr geöffnet ist. Bei einem schönen Glas Wein kann man dem „Grandseigneur der politischen Karikatur in Deutschland und Frankfurter Legende … die verdiente Referenz erweisen“ (Achim Frenz).

Felix Mussil und der Leiter des caricatura museums frankfurt, Achim Frenz

(Abbildungen aus dem Band „Felix Mussil – Politische Karikaturen, eine Sonderausgabe zum Jubiläum 50 Jahre Frankfurter Rundschau 1995“ mit freundlicher Genehmigung von Felix Mussil, Frankfurter Rundschau und Nest-Verlag)

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