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FeuilletonFrankfurt

Das Magazin für Kunst, Kultur & LebensArt

PETRA KAMMANN, HERAUSGEBERIN · www.feuilletonfrankfurt.de · GEGRÜNDET 2007 VON ERHARD METZ

Douglas Gordon im Museum für Moderne Kunst Frankfurt am Main (2)

Wacht auf, Verdammte dieser Erde …

MMK: “Douglas Gordon”

…nein, liebe Leserinnen und Leser, keine Angst, die Internationale wird nicht gesungen im MMK, Douglas Gordon hat sich nur einen kleinen Scherz erlaubt, die Treppe hoch zur Zentralhalle und dann gleich ab nach links (Griass di God, Herr Dobrindt!), hin zu Gregor Schneiders rekonstruiertem „Kabinett für aktuelle Kunst“, aber kurbeln sollten Sie unbedingt am Drehörgelchen …

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Douglas Gordon und MMK-Direktorin Susanne Gaensheimer im Gespräch; Foto: FeuilletonFrankfurt

Im Anschluss an den ersten Teil unseres Berichts über die imposante, ja monumentale Ausstellung im Frankfurter Museum für Moderne Kunst zunächst zwei weitere Spiegelarbeiten. Spiegel stehen für Selbstporträts, Selbstreflexion, Selbstbefragung, bei Douglas Gordon steht die Spiegelung insbesondere für – innere – Spaltung, Zersplitterung, Fragmentierung, für das Doppelgängerische, das Kaleidoskopartige; in der Realität wie im Metaphorischen. „Die inneren Dämonen des gespaltenen Selbst“, schreibt MMK-Direktorin Susanne Gaensheimer, „und der unauflösbare Widerspruch zwischen Erlösung und Verdammung sind das Thema in vielen Werken von Douglas Gordon“.

Im reinen gerahmten Spiegel, am Beginn einer der vierteiligen Arbeiten der Reihe „Self Portrait of You and Me …“, erscheint in der MMK-Hängung mit „Privat Passions“ das Vanitas-Motiv der brennenden Kerze. James Dean – hier gleichsam explodierend – werden wir später noch begegnen.

Ein Planschrank – zum Aufbewahren von Skizzen, Zeichnungen, Plänen – auch von Sammlungen und Erinnerungsstücken. Von Plänen, „Lebensplänen“? Die meisten der Schubladen sind herausgenommen, leer und versteckt gestapelt in einer Ecke des Ausstellungsraums, einige andere sind halb herausgezogen. Ein paar Münzen finden wir darin, zusammengerollte Geldscheine, Schuhe, Gerippeteile, Skurriles – und Spiegel, immer wieder zerbrochene Spiegel.

„No Way Back“ heisst die Arbeit, es gibt keinen Weg zurück, die Schubladen des Festgehaltenen, der Erinnerungen sind leer, die Spiegel zersplittert, das Münz- und Papiergeld ist wertlos, die Schuhe braucht niemand mehr.

Im Zentrum des umfangreichen Werkes von Douglas Gordon stehen jedoch seine Filme und Videoinstallationen. Sie entziehen sich der Darstellbarkeit im Rahmen dieses Berichts.

Die Videoinstallation „Play Dead; Real Time (this way) (that way) (other way)“ aus dem Jahr 2003, eines der Hauptwerke des Künstlers, befindet sich im Sammlungsbestand des MMK und war bekannlich bereits in der Jubiläumsausstellung auf den zwei Projektionsleinwänden und dem Monitor zu sehen.

Minnie, so lautet die Geschichte, eine asiatische Elefantenkuh im Alter von vier Jahren, vollführt in der New Yorker Gagosian Gallery allerlei Kunststückchen, unter anderem legt sie sich auf Geheiss ihres Dompteurs zu Boden, stellt sich tot und erhebt sich anschliessend wieder mit grosser Mühe. Einerseits überwältigt das massige Tier den Betrachter mit der erhabenen Ruhe und Eleganz seiner Bewegungen. Auf der anderen Seite wird er sich alsbald gewiss, dass es für Minnie eine gewaltige Anstrengung bedeutet, sich aus seiner Position vom Boden wieder zu erheben. Gedanken an artwidrige, sogar quälerische Haltung von Tieren in Gefangenschaft und Dressur stellen sich ein. Zugleich aber nimmt auch der auf Bodenhöhe Filmende – und mit ihm der Betrachter – eine unterwürfige Haltung ein: das grosse liegende Tier schaut ihn, im wahren Sinne des Wortes, auf Augenhöhe an.

Eine Premiere erfährt Douglas Gordons Arbeit „Henry Rebel“ aus dem Jahr 2011. Sie fusst auf dem berühmten Film mit James Dean „Rebel Without a Cause“ (Denn sie wissen nicht, was sie tun). Auf Anregung von James Franco realisierte Gordon zwei nicht umgesetzte Szenen aus dem Drehbuch jenes Films mit Henry Hopper, dem Sohn des damals mitwirkenden, verstorbenen Schauspielers Dennis Hopper.

Gordon übersetzt die „autoagressive Wut und innere Zerrissenheit eines rebellischen Teenagers“ (Susanne Gaensheimer), damals verkörpert durch den jungen, noch vor der Premiere des Films tödlich verunglückten James Dean, in ein filmisches Geschehen, in dem sich ein junger Mann in einer „Ambivalenz zwischen Selbstbefreiung und Autodestruktion“ symbolisch auspeitscht – die Peitschenhiebe trägt er mit einem roten Farbmarker auf seinem Körper auf.

Auch dieses Video wird – Gordon-typisch – auf zwei Projektionsflächen aufgeführt – Zeichen wiederum für Spiegelung, Doppelung, Teilung.

„k.364“ ist eine der neuesten Film-Installationen von Gordon. Der Titel steht für Köchelverzeichnis Nr. 364 und bezeichnet die Sinfonia concertante für Violine und Viola, die Mozart 1779 in Wien komponierte. Gordon hörte das kammermusikalische Werk erstmals in Poznań (Polen) und organisierte daraufhin eine weitere Aufführung mit den bekannten Musikern Avri Levitan (Viola) und Roi Shiloah (Violine) sowie mit dem Amadeus Kammerorchester des Polnischen Rundfunks. Gordon begleitete mit einem Kamerateam die Reise der beiden Musiker von Berlin über Poznań nach Warschau und zeichnete das Konzert in Warschau auf. Aus diesem Material entstanden der Film und die Installation, die jetzt erstmals in Frankfurt gezeigt wird. Aus den Gesprächen der beiden Musiker auf ihrer Fahrt nach Polen wird deutlich, dass ihre Geschichte und die ihrer Eltern auf vielfältige Weise mit der deutsch-polnischen Beziehung, insbesondere aber mit der Geschichte der Juden in Polen während des Zweiten Weltkriegs verwoben ist.

Das Filmporträt „Zidane: A 21st Century Portrait“, das zusammen mit dem französischen Künstler Philippe Parreno entstand, wird im MMK erstmals auf 18 Einzelbildschirmen installiert. Das Material zum Film wurde mit 17 Kameras rund um das Spielfeld aufgenommen. In der jetzt im MMK gezeigten Version wird das gesamte Material synchron auf einzelnen Monitoren gezeigt und mit der gleichzeitig entstandenen Fernsehaufzeichnung des Spiels kombiniert. (Text: MMK)

Douglas Gordon wurde 1966 im schottischen Glasgow geboren. Er besuchte die Glasgow School of Art mit dem Abschluss Bachelor of Art und anschliessend die Slade School of Fine Art in London. 1996 erhielt er den begehrten Turner Preis. Seit 2010 ist er Professor für Film an der Staatlichen Hochschule für bildende Künste / Städelschule, in der er auch in der berühmten „Küche“ ein Atelier unterhält. Gordon lebt und arbeitet in Berlin und Glasgow.

„Douglas Gordon“, Museum für Moderne Kunst Frankfurt am Main, bis 25. März 2012

–  Douglas Gordon im Museum für Moderne Kunst Frankfurt am Main (1)

 

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