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FeuilletonFrankfurt

Das Magazin für Kunst, Kultur & LebensArt

PETRA KAMMANN, HERAUSGEBERIN · www.feuilletonfrankfurt.de · GEGRÜNDET 2007 VON ERHARD METZ

Das Berliner Luftbrücke-Stipendium der Steuben-Schurz-Gesellschaft

Feierliche Verleihung bei Thanksgiving am 22. November 2011 in Frankfurt am Main

 

Text und Fotos: Renate Feyerbacher

Es war eine historische Begegnung. Beim diesjährigen Thanksgiving der Steuben-Schurz-Gesellschaft e. V. (SSG) – der ältesten deutsch-amerikanischen Freundschaftsorganisation – war Gail Halvorsen zu Gast. Rosinen-Bomber oder Candy-Pilot wird er genannt. In den USA heisst er „Mr. Luftbrücke“ und ist viel bekannter als hierzulande.

SSG-Präsidentin Gräfin Ingrid zu Solms-Wildenfels und Gail Halvorsen

Kleine historische Erinnerung: Die Nachkriegsjahre. Die Sowjetunion verhängte zwischen dem 24. Juni 1948 und dem 12. Mai 1949 ein Blockade über West-Berlin, das mitten in der sowjetischen Besatzungszone lag. Damit sollte der Rückzug der West-Alliierten aus Gross-Berlin erzwungen werden. Die Versorgung der West-Berliner Bevölkerung war nicht mehr gesichert, weil Strassen- und Eisenbahnverbindungen gesperrt waren. Die West-Alliierten richteten innerhalb von zwei Tagen eine Luftbrücke ein – Operation Vittles (Proviant)  genannt.

Am 26. Juni flog die erste Maschine der US-amerikanischen Luftwaffe nach Berlin und startete damit die Operation Vittles. Zwei Tage später folgten die Briten, die auch mit Wasserflugzeugen auf der Havel landeten.

Gail Halvorsen war 28 Jahre alt, als er zum ersten Mal sein Flugzeug zum Flughafen Tempelhof, der im Westsektor lag, steuerte. Kurz vor der Landung warf er an kleinen Fallschirmen befestigte Süssigkeiten für die Berliner Kinder ab. Das geschah nicht nur einmal, sondern immer wieder. Und da die Versorgungsflugzeuge ununterbrochen landeten und die Kinder sein Flugzeug nicht erkennen konnten, machte er mit ihnen aus, kurz vor der Landung mit den Tragflächen zu „wackeln“. Das bescherte ihm den Spitznamen „Onkel Wackelflügel“. Viele Tonnen von Süssigkeiten hatten die Piloten am Ende der Blockade abgeworfen.

An diese Zeit erinnerte Gail Halvorsen, Träger des Grossen Bundesverdienstkreuzes, der mit seinen 91 Jahren Vitalität und Zuversicht ausstrahlt. Dank gilt ihm, der damals wie heute den Menschen Mut macht und sicher entscheidend die deutsch-amerikanische Freundschaft stärkte.

Gail Halvorsen mit der Autorin

Die weltpolitischen Veränderungen, die ökonomischen Turbulenzen fordern Solidarität, Tatkraft, Freundschaft, Zuversicht: „No one can deal alone … we must be partners in challenging times“, so formulierte es der amerikanische Generalkonsul Edward M. Alford in seiner Festrede.

Insbesondere betonte er auch den Austausch in Forschung und Lehre, der von der SSG praktiziert wird. Zwei Stipendien und ein studienbezogenes Praktikumsangebot für deutsche und amerikanische Studierende sind im Programm. Das diesjährige „Berliner Luftbrücke-Stipendium“, das an die Piloten erinnert, von denen eine grössere Anzahl bei den Versorgungsflügen 1948 und 1949 ihr Leben lassen musste, wurde der amerikanischen Physik-Studentin Elizabeth Boulton verliehen.

Begeistert sprach die 23jährige über ihre „wunderbaren Erfahrungen“ in Deutschland und ihre Projektarbeit im GSI Helmholtzzentrum für Schwerionenforschung vor den Toren Darmstadts. GSI betreibt – wie das Unternehmen erläutert – eine grosse, weltweit einmalige Beschleunigeranlage für Ionenstrahlen. Forscher aus aller Welt nutzen die Anlage für Experimente, durch die sie faszinierende Entdeckungen in der Grundlagenforschung machen. Darüber hinaus entwickeln sie immer wieder neue und eindrucksvolle Anwendungen.

Stipendiatin Elizabeth Boulton mit Gräfin zu Solms-Wildenfels und Katharina Stüber (links), Leiterin des Luftbrücke-Komitees

Einer fehlte bei der feierlichen Übergabe: Klaus Scheunemann, einer der Urväter und langjähriger Vizepräsident der SSG. Er hatte 1988 die Idee zum „Berliner Luftbrücke-Stipendium“ und 1989 auch zum alljährlich verliehenen Medienpreis der Gesellschaft.

Klaus Scheunemann bei der Verleihung des Medienpreises 2009 an Tom Buhrow, Moderator der ARD-Tagesthemen, am 20. April 2009 (rechts Werner Holzer, Preisträger 2007)

Der Hörfunk-Journalist Klaus Scheunemann, der mir viele Feature-Themen anvertraute, war über Jahrzehnte Redakteur im Hessischen Rundfunk. Ein Schwerpunkt seiner Arbeit war das Recht auf hochwertige Bildung als Grundlage für demokratisches Handeln. Die Bürgerrechtsorganisation Humanistische Union (HU) wählte Scheunemann, der bereits im Gründungsjahr der HU 1961 deren Mitglied wurde und lange den Ortsverein Frankfurt leitete, vor vier Jahren in ihren Beirat. Unvergesslich sind die politisch-brisanten Diskussionen, die er oft moderierte.

Bei einer kleinen Vorweihnachtsfeier, die sein ehemaliger Redakteurskollege Jürgen Gandela im Frankfurter Senioren- und Pflegeheim „Sonnenhof“ organisiert hatte, erhielt Klaus Scheunemann als Erster die neugeschaffene Verdienstmedaille der SSG. Sichtlich gerührt liess er sich die Medaille von SSG-Präsidentin Gräfin Ingrid zu Solms-Wildenfels umhängen.

Verdienstmedaille der SSG

Klaus Scheunemann ist an vielen Projekten, so auch am Hessen-Wisconsin-Society-Kooperationsvertrag entscheidend beteiligt. Er ist ein unerschöpflicher Motor, der seine Energien schon in jungen Jahren in Richtung USA in Bewegung setzte.

Es gehört zu seinem Verdienst, die SSG mit ihren gelungenen Partnerschaften zwischen Deutschen und Amerikanern, die sich auch in Krisenzeiten bewährt haben, mit geschaffen und stabilisiert zu haben.

 

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