Franz Marc, Joseph Beuys und Ewald Mataré – Im Einklang mit der Natur
Wenn Beuys auf Marc trifft, wird’s tierisch
Von Vera Mohr
Der für seine Fett- und Filzwerke berühmte Joseph Beuys zeigt sich im Sinclair-Haus in Bad Homburg neben den Expressionisten Franz Marc und Ewald Mataré von seiner wenig bekannten, aber ausdrucksstarken „animalischen“ Seite. Zahlreiche Zeichnungen von Beuys ergänzen die Ausstellung in Bad Homburg, die als letzte der umfangreichen Expressionismus-Reihe läuft, und sorgen für Aufsehen.
Franz Marc (1880 bis 1916), Mitgründer des „Blauen Reiters“, passt mit seinen Motiven hervorragend in das Konzept des Sinclair-Hauses, das sich dem Thema Natur in der Kunst verpflichtet hat. Marcs expressionistische Tierbilder sind zudem tief in der Gesellschaft verankert, da kaum ein Lesebuch der Nachkriegszeit ohne den „Gelben Hund“ oder die „Blauen Pferde“ auskam.
Franz Marc, Gelbe Kuh, 1911, Stiftung Moritzburg, Kunstmuseum des Landes Sachsen-Anhalt, Halle; Foto: Klaus Göltz
Die „Gelbe Kuh“ nimmt den Besucher sofort in Beschlag. Prominent platziert zu Beginn der Ausstellung zieht sie die Aufmerksamkeit auf sich. Es handelt sich um eine Vorstudie zum Original (im Guggenheim-Museum, New York), das Franz Marc in Sindelsdorf mit Öl auf Holz malte. Das Tier als Metapher für kreatürliche Reinheit und Unschuld. Die gelbe Farbe beschrieb der Künstler selbst als weiblich, heiter und sinnlich.
Aber im Laufe der Jahre ändert sich seine Einstellung gegenüber Tieren. Während ihm früher das Tier viel schöner und reiner erschien, erkannte er später zuviel „Gefühlswidriges“, so dass er immer abstrakter malte, wie er 1915 seiner Frau schrieb.
Franz Marc, Gazellen, 1913/1914, Franz Marc Museum, Kochel am See; Foto: Privatsammlung
Das Tier in seinen Bildern löst sich immer mehr von seinem natürlichem Vorbild und verschwimmt mit der Komposition zu einem Gesamtwerk. Die „Gazellen“ aus den Jahren 1913/1914 wären ohne Augen und wenige schwarze Konturstriche im Farb- und Figurenspiel des Hintergrundes kaum aufzufinden.
Dagegen dominieren 1912 die Tiere in „Abstrakten Rehformen“ das Geschehen und degradieren alle weiteren Bildelemente zum schmückenden Beiwerk. Weiche Formen und helle Farben unterstreichen die Zusammengehörigkeit und den liebevollen Umgang im Rudel.
Franz Marc wurde nur 36 Jahre alt. 1914 begeistert in den Krieg gezogen, wurde er 1916 in der Nähe von Verdun von Granatsplittern getroffen und getötet. Es wäre auch so sein letzter Tag als Soldat gewesen, da er als hervorragender Künstler vom Kriegsdienst befreit worden war.
Allen Künstlern wird – zumindest zeitweise – ein tiefer Respekt vor der Natur bescheinigt. Das Leben im Einklang mit der Natur steht im Gegensatz zum von Technik dominierten Fortschrittsglauben.
Franz Marc, Zwei Füchse, 1913, Gouache auf Papier, aus: Skizzenbuch XXXI, Blatt 59, Nolde Stiftung Seebüll
Eine Ausstellung nur mit seinen Werken hätte zweifellos ihr Publikum gefunden. Doch dem Kurator Johannes Janssen gefiel es, dem allgemein anerkannten Künstler Marc die schillernde, auf politische Aktion gerichtete Person Joseph Beuys gegenüber zu stellen. Ewald Mataré, der Dritte im Bunde, konnte nie die Popularität von Marc oder Beuys erreichen. In der Ausstellung übernimmt er die Funktion eines Scharniers. Als Zeitgenosse von Marc, der ihn inspirierte, wird er nach dem zweiten Weltkrieg zum Lehrer des jungen Beuys, auf den er grossen Einfluss ausübt.
Im oberen Geschoss des Sinclair-Hauses trifft der Besucher auf Werke des Künstlers Ewald Mataré (1987 bis 1965). Mataré, tritt erst nach dem Tode Marcs in Erscheinung, obwohl er nur wenige Jahre jünger war. Zu Beginn der Zwanziger Jahre entstehen zahlreiche Holzschnitte mit Kühen, die zu seinem Markenzeichen werden. Seine Kuh-Objekte, aus Holz gefertigte Tiere mit sehr glatter Oberfläche und auf wenige Details beschränkt, betonen den in sich ruhenden Charakter der Tiere und wecken den Instinkt des Berührens.
In seinen Holzschnitten sind die Kühe von geometrischen Formen geprägt, die sich hin zu Ornamenten entwickeln, die Mataré nicht als Schmuck begreift, sondern als Ausdruck einer übergeordneten inneren Ordnung verstanden haben will.
Dem Ruf an die Düsseldorfer Kunsthochschule 1932 folgte ein kurzes Intermezzo, da ihn die Nazis schon 1933 entliessen. Seine Kunst galt als „undeutsch“ und wurde aus öffentlichen Sammlungen entfernt, allerdings erhielt er kein Berufsverbot und konnte in kleinem Rahmen weiterarbeiten. Nach dem Krieg kehrt er zurück an die Kunsthochschule und wird 1948 der Lehrer von Joseph Beuys (1921 bis 1986).
Den Einfluss seines Lehrers Mataré kann man in einigen Zeichnungen aus jenem Jahr betrachten, doch dann ist er weg. Beuys Zeichnungen tragen fortan den Stempel des Zufalls und der Einmaligkeit. Hier wird nicht geübt, um aus klaren, geometrischen Formen das Bild zu entwickeln, sondern hier manifestiert sich der Gedanke, der durchs Hirn schiesst und den Stift oder Pinsel führt.
Seine Zeichnungen wirken äusserst filigran und sind nur schwer zu entziffern. Die dargestellten Tiere sind häufig ihrer schützenden Haut beraubt und auf Knochen reduziert, die im Schlamm versinken, wie wertlose Überbleibsel.
Wertlos? Nicht ganz, denn sein „Skelett eines kleinen Schafes“ aus dem Jahr 1949 ist sorgfältig in den begrenzten Raum zusammengefaltet, nahezu andächtig, und erinnert an einen geöffneten Sarg, der die Überreste des Lebewesens behutsam schützt und dem die Überlebenden die notwendige Ehre erweisen.
Den Frauen, die in Bad Homburg präsentiert werden, gönnt Beuys die äussere Hülle, ihr erotischer Charakter hätte sonst zu sehr gelitten. Auch wird in diesen Zeichnungen das Entscheidende markant betont, anderswo suchte man vergebens danach. Dass sie in direkter Nachbarschaft von „Hühnerjäger, Hühnerstellung“ (1961) hängen? Sei halt bemerkt.
„Franz Marc, Joseph Beuys und Ewald Mataré – Im Einklang mit der Natur“ im Sinclair-Haus der Altana Kulturstiftung, Bad Homburg, bis 12. Februar 2012