Karl-Ströher-Preis 2011 an Tobias Zielony
Alle zwei Jahre nur wird der Karl-Ströher-Preis verliehen – mit 20.000 Euro einer der höchstdotierten Förderpreise für bildende zeitgenössische Kunst. Dieses Jahr wurde Tobias Zielony für sein vielseitiges Schaffen zwischen Fotografie, Film und Soundcollage mit der Auszeichnung bedacht – im Zollamtssaal des Frankfurter Museums für Moderne Kunst MMK ist seit dem 11. November 2011 seine Ausstellung „Manitoba“ zu sehen.
Tobias Zielony, Ross, 2009 – 2011, © Tobias Zielony, KOW Berlin
Tobias Zielony,1973 in Wuppertag geboren, studierte von 1998 bis 2001 an der University of Wales in Newport Dolumentarfotografie und anschliessend an der Hochschule für Grafik und Buchkunst Leipzig, wo er Meisterschüler von Professor Timm Rautert wurde.
Inzwischen weltweit bekannt ist Zielony mit seinen Dokumentationen jugendlicher Subkulturen und Randgruppen, neben Grossbritannien unter anderem in Frankreich, Italien, den USA und Kanada. Ende 2009 übernahm er die Professur für Künstlerische Fotografie an der Kunsthochschule für Medien Köln (KHM). Zielony lebt und arbeitet in Berlin und Köln.
MMK-Direktorin Susanne Gaensheimer mit dem Künstler am 10. November 2011 in der Pressekonferenz (Foto: FeuilletonFrankfurt)
Ausstellungsansicht (Foto: FeuilletonFrankfurt)
Von Tobias Zielony besitzt das MMK bereits die Zyklen „Le Vele di Scampia“ (2009) aus der Serie „Vele“ (2009-2010), einer gut neunminütigen Fotoanimation aus 7000 Einzelbildern sowie 16 Farbfotografien „Vele“ (2010). Zielony beschäftigt sich darin mit dem Sozialbaukomplex „Le Vele“ im Norden Neapels. Die Siedlung ist von Familien der Camorra besetzt und als Drogenumschlagplatz berüchtigt.
Im Gegensatz zu diesen grossformatigen Arbeiten von harter Bildsprache treffen wir jetzt im mit Raumteilern versehenen Zollamtssaal auf kleinformatigere, eher ruhige, fast stille Arbeiten. Der erstmals in vollem Umfang seiner 42 Bilder gezeigte Foto-Zyklus „Manitoba“ entstand in der Hauptstadt Winnipeg der kanadischen Provinz Manitoba. Er handelt von jugendlichen indigenen Gang-Mitgliedern in ihrem Zwiespalt zwischen urbanem Lebensraum und Reservat und in einem von Perspektiv- wie Arbeitslosigkeit bis hin zu Kriminalität geprägten Milieu. Porträts und Gruppenaufnahmen zum Teil posierender Jugendlicher in westlichem Dresscode wechseln ab mit Architektur- und Landschaftsszenen.
Tobias Zielony, Downtown, 2009-2011, © Tobias Zielony, KOW Berlin
Ausstellungsansicht (Foto: FeuilletonFrankfurt)
Zielonys Arbeit trägt Züge sowohl der klassischen Dokumentarfotografie als auch konzeptueller Fotokunst.
Wie bei seinen bisherigen Reportagen musste sich der Künstler zunächst das Vertrauen der betroffenen Personen und Gruppen in ihrem sozialen Umfeld erwerben, um trotz aller distanzierten Beobachtung Fotografien von intimer Nähe wie zugleich grosser Intensität fertigen zu können. Zielony arbeitet mit analoger Kleinbildkamera und Farblabor, ohne Blitz und Stativ und ohne nachträglichem Beschnitt. Seine Protagonisten sind Ausdruck einer globalisierten Jugendkultur, die in der Gruppe ihre identitätsstiftenden standardisierten Marken-„Klamotten“ einer globalisierten Konsumgüterindustrie ebenso zur Schau stellt wie ihr von vermeintlicher Lässigkeit und Souveränität getragenes Lebensgefühl, als Einzelne jedoch eher zerbrechlich und mitunter fast hilflos wirken. Und es geht um den Zwiespalt eines Teilhaben-Wollens dieser Menschen an der materiellen Güterwelt und einem von Herkunft und sozialer Situation bedingten Ausgestossensein an den Rand der Gesellschaft.
„Tobias Zielony gehört für mich zu den bemerkenswertesten Fotografen unserer Zeit. Ich freue mich, dass wir mit dieser Ausstellung eine weitere Facette seiner Arbeit vorstellen können, nachdem wir im vergangenen Jahr bereits die vollständige Serie „Vele“ in unserer Sammlungspräsentation ausgestellt haben“, sagt MMK-Direktorin Susanne Gaensheimer.
Tobias Zielony, Air, 2009-2011, © Tobias Zielony, KOW Berlin
Tobias Zielony, Tracks, 2011, © Tobias Zielony, KOW Berlin
Weiter im MMK-Zollamtssaal zu sehen ist Zielonys Schwarz-weiss-Film „The Deboard“ aus dem Jahr 2008: Er handelt von der Geschichte des Ausstieg eines jugendlichen ehemaligen Bandenmitglieds aus einer Gang samt den damit verbundenen Ritualen.
„Manitoba“ im MMK-Zollamt, bis 15. Januar 2012.