Biennale Arte Venedig 2011 (6): Foto-Splitter zur Halbzeit
Man muss ja mit allem rechnen, wenn man sich auf die Kunstreise begibt. Haben wir also ein Kunstwerk vor uns, stationiert im venezianischen Bahnhof Santa Lucia, oder gar ein durch die Lande rollendes mobiles? Wir wissen es nicht so ganz genau, nehmen aber einfach mal an, dass es sich um die üblichen „Verschönerungen“ von Eisenbahnwaggons durch Sprayer handelt. Immerhin kannten diese den Munch’schen „Schrei“, was man ihnen durchaus zugute schreiben kann, und Atomkraft-Gegner waren sie überdies auch. Tutto bene.
Mit majestätischer Grösse und Würde empfangen uns die Arsenale; den Eingang zur grossen Kunst-Schau, dekoriert im typischen Biennale-Rot, kann man nicht verfehlen. Dahinter, jedenfalls zur Preview-Zeit, ein gepflegt auftretendes Publikum mit – wie es sich gehört – Highheels und Sakko (kleine Anmerkung: Die Highheels-Damen werden die Auswahl ihrer Schühchen angesichts des venezianischen Pflasters noch bereuen). Man verliert sich nicht in den engen Gassen des Arsenale-Geländes, der riesigen ehemaligen Schiffswerft und Flottenbasis der alten Republik Venedig. Alles ist ausreichend beschildert, und nach langen Wegen gelangen wir ins Pressezentrum im Teatro alle Tese, wo uns die venezianischen geflügelten Löwen begrüssen.
Betritt man die zweite grosse Ausstellungsfläche, die Giardini pubblici mit den nationalen Pavillons, so trifft man alsbald auf den säulenbestandenen Eingang des Biennale-Palastes (auch als Italienischer Pavillon bezeichnet). Schlechte Karten hat, wer dort unbedingt mal „muss“: das Volumen des Palastes steht in einem erstaunlichen Kontrast zu dem äusserst bescheidenen Anbau mit den drei oder vier winzigen Klokabinchen, vor denen man, eilig den roten Schildern folgend, leicht eine Hundertschaft Wartender vorfinden kann – je nach „Bedürfnislage“ sich geduldig fügend oder in einem schon recht zappeligen Zustand.
Demgegenüber in aufgefrischter Verfassung treffen wir die zur letzten Biennale vor zwei Jahren eingerichte Cafeteria von Tobias Rehberger an: das Vexierspiel von Spiegeln, Farben und Formen überrascht und verwirrt aufs Neue. Irgendwie finden wir doch noch den Weg zur Kaffee-, Sandwich- und Kuchentheke. Der Caffè schmeckt – doch ist bei aller Flüssigkeitsaufnahme Zurückhaltung geboten: siehe vorangehenden Absatz!
Wo Kunst ist, ist oft die Politik nicht fern: Zur Preview-Zeit herrschte in Italien Wahlkampf um die vier Referenden zur Privatisierung öffentlicher Dienste, zu den Tarifen für Wasserdienste, zur Kernenergie und zur sogenannten Lex Berlusconi (strafprozessuale Fragen). Zum „Si al Referendum“ fordert das Transparent am Festival-Zelt auf. Eindrucksvoll vor der Kulisse des mächtigen, die Giardini pubblici passierenden Kreuzfahrers: das kleine Segelboot mit der Parole „Liberta acqua – vieta l‘ uranio – vota Si“.
Die 54. Biennale Arte Venedig schliesst am 27. November 2011. Sie, liebe Leserinnen und Leser, waren tatsächlich noch nicht dort? Gewiss, es sind noch einige Wochen bis zur Schliessung. Aber so langsam sollte man jetzt doch die Reise nach Venedig vorbereiten.
(Fotos: FeuilletonFrankfurt)
→ Biennale Arte Venedig 2011 (7): Ayse Erkmen und ihr “Plan B”