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FeuilletonFrankfurt

Das Magazin für Kunst, Kultur & LebensArt

PETRA KAMMANN, HERAUSGEBERIN · www.feuilletonfrankfurt.de · GEGRÜNDET 2007 VON ERHARD METZ

Hausgeister bei „Home Abroad“

Hausgeister sind selten geworden in unserer lärmenden und materialistischen Welt. In alten Zeiten schützten sie Haus und Hof, wachten sorgsam über Mensch und Tier. Dann vertrieben die Menschen die guten Geister. Aber es gibt sie auch heute hie und da, dort, wo Menschen noch Gutes tun. Im Frankfurter Stadtteil Sachsenhausen zum Beispiel, in dem wunderschönen, spätklassizistischen, unter Denkmalschutz stehenden Haus Schifferstrasse 66. Der Verein zur Förderung des künstlerischen und kulturellen Austausches in Europa „Home Abroad“ hegt und pflegt sie dort seit dem Jahr 2005, und die Geister zeigen sich erkenntlich und wachen, genauso sorgsam wie früher, über die Werke, die Künstlerinnen und Künstler dort ausstellen. Heuer sind es Roberto Annecchini, Edwina Ashton, Urs Breitenstein, Wolfgang Klee und Christiana Protto, die Initiatorin des Vereins.

Eigenwillige, mitunter etwas zerschlissene Tapeten im Stil der 1950er bis 1970er Jahre bilden einen einzigartigen Kontrast, auf geheimnisvolle Weise jedoch auch eine einzigartige Harmonie mit den Exponaten zeitgenössischer Kunstschaffender aus ganz Europa.

Roberto Annecchini, 1962 in Rom geboren, zeigt im „Grünen Zimmer“ sieben feinst gefertigte Assemblagen auf Papier aus der Serie „satellite area“ (2011), allesamt Arbeiten voller Poesie und Inspiration. Der Künstler lebt und arbeitet in Bracciano und Rom.

Urs Breitenstein, 1951 in Basel geboren, befasst sich mit filmischen, fotografischen und situationsbezogenen Arbeiten in unterschiedlichen Techniken. Im „Sonnenzimmer“ präsentiert er aus der Serie „Hausgeister“ aus dem laufenden Jahr fünf Ausschnitte von aktuell vorgefundenen Fotografien, die er in extremem Massstab vergrössert und – ästhetisch perfekt und vollendet gerahmt – in Laserprints auf Fotopapier im Format 70 x 50 cm auf eine völlig neue Bildaussage konzentriert.

Christiana Protto belegt mit ihren Arbeiten den „Salon“. Sie überrascht dort –  neben Malarbeiten und Zeichnungen – mit einem Textilobjekt „ohne Titel“ im Format etwa 100 x 140 cm. Dem äusserst fragilen Objekt – es droht tatsächlich von einem zum anderen Moment zu zerfallen – kommt zweifellos ein Vanitas-Charakter zu. Die Künstlerin sagt, sie habe das Objekt „gefunden“. Oder ist es vielleicht eher umgekehrt, hat das Objekt die Künstlerin gesucht? Wir denken uns in einen Kosmos an Werden und Vergehen hinein. Zumal das zentrale Feld des Objekts an einen Totenschädel erinnert – ein grandioses „Memento mori“ – , doch leben wir heute und jetzt! Umso mehr?

In der „Herzkammer“ stossen wir auf Arbeiten von Wolfgang Klee. „Stossen“? „Anstoss“? Ja und Nein, Nein und Ja. Klee, 1936 in Frankfurt am Main geboren, Mitgründer der berühmten „Klosterpresse“, Dozent für bildende und darstellende Kunst, Bühnenbildner, Regisseur, „provoziert“ mit Darstellungen des männlichen Penis. Doch was heisst nun „provozieren“? Einer von kommerziell-sexistischem Schundfernsehen geprägten Gesellschaft, einem bestimmten Männlichkeitswahn den Spiegel vorhalten? Wie deutlich müsste ein Künstler denn noch werden, wenn es nicht einen Wolfgang Klee gäbe?

Ein Kontrast. Denn es gibt sehr unterschiedliche Hausgeister. Edwina Ashton, 1965 in London geboren, zeigt uns im „Flur“ ein wunderbares, ergreifendes Video. Eine liebenswerte Puppe, sagen wir mal in Gestalt einer Raupe oder Made, bemüht sich verzweifelt, aber nicht ohne Komik, aus einer Kordel, einer Knetmasse und einem Napf etwas zu formen, zu arrangieren: vergeblich. Eine an den Gliedmassen verkrüppelt erscheinende Figur – möglicherweise ist die Künstlerin selbst in das von ihr entworfene Kostüm geschlüpft – bemüht sich hilflos, etwas Sinnvolles mit ihren „Händen“ herzustellen. Als ihr auch noch der Napf zu Boden fällt, sinkt sie erschöpft in sich zusammen.

Wo leben denn nun diese selten gewordenen Hausgeister? In der Schifferstrasse 66. Schauen Sie selbst, liebe Leserinnen und Leser, wie schön es sich hier „hausen“ lässt, im besten Sinne des Wortes, im denkmalgeschützten Haus mit dem kostbaren Portal und der herrlichen Rosette über ihm.

„Hausgeister“, Home Abroad, Schifferstraße 66 in Frankfurt am Main. Die Ausstellung ist bis zum 24. September 2011 freitags von 16 bis 19 Uhr und samstags von 11 bis 14 Uhr zu sehen, am heutigen Sonntag, 4. September, zusätzlich von 14 bis 18 Uhr. Vom 26. September bis zum 10. Dezember 2011 kann die Ausstellung noch nach Vereinbarung besucht werden (Telefon 069 / 622488).

(Fotos: FeuilletonFrankfurt)

 

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