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FeuilletonFrankfurt

Das Magazin für Kunst, Kultur & LebensArt

PETRA KAMMANN, HERAUSGEBERIN · www.feuilletonfrankfurt.de · GEGRÜNDET 2007 VON ERHARD METZ

Reisen: Apulien

Apulien – Eine Bahnreise in den Stiefelstöckelabsatz

Text: © Juliane Adameit

Bitte einsteigen, die Fahrt geht ’gen Süden immer geradeaus.

Per Bahn führt der Weg ab Frankfurt am Main quer durch Bella Italia. Zunächst geht es mit Umsteigen über Basel oder Zürich über die Alpen durch die Schweiz. Die Durchreise dauert nicht lange. In Eile, aber mit Weile fährt der Zug bei Chiasso dann schliesslich nach Italien ein. Zuerst kommt Como, dann aber gleich Mailand, die italienische Partnerstadt von Frankfurt. Nach den grünen Weiden, der Alpenidylle und den vielen Seen entlang der Zugstrecke durch die Schweiz ist man nun wieder mitten in der Stadt. Der erst kürzlich umfassend renovierte Bahnhof von Mailand erwartet den Reisenden geschäftig, umtriebig und hastig. Viele Menschen rennen noch dem Zug hinterher oder man trifft sich rasch auf einen Kaffee in der Bar. Am Kiosk wird noch schnell eine Zeitung mitgenommen. Dann geht es aber auch schon weiter. Die Verbindungen sind für die Reisenden ab Mailand in andere italienische Städte und Regionen sehr gut, weshalb die Weiterfahrt per Bahn wirklich empfehlenswert ist. Noch viel mehr lässt sich sagen: nichts scheint nach den vielen Erfahrungen auf Reisen durch Italien besser zu sein als der Zug. Trenitalia ist ein perfekter Partner für die Touren durch das Stiefelland. So fährt der italienische Eurostar-Zug klimatisiert in etwa neun Stunden von Mailand direkt bis nach Lecce. Am besten fährt es sich in der Nebensaison, wenn nicht viele Reisende unterwegs sind. Die Monate Juli und August sollte man meiden – wenn man es kann. Denn so ist es im Zug bequemer, gemütlicher und ruhiger. Aber nicht nur das, auch vor Ort in Apulien ist es dann ebenfalls gemütlich, ruhig und idyllisch.

Die Reise geht der Länge nach durch Italien, vorbei an Bologna, Ancona und dann immer weiter nach Foggia, Barletta, Bari, Brindisi bis nach Lecce. Überall kann man aussteigen und einen Kurzbesuch machen. Ab Ancona geht der Blick durchs Zugfenster immer auf die Adria, denn der Zug fährt auf der Strecke bis nach Lecce etwa fünf bis sechs Stunden immer am Meer und vor allem am Sandstrand entlang. Bei Sonnenschein schillert hier die Adria in allen Türkistönen. Atemberaubend ist es, das Farbspiel zwischen Meer und Himmel aus dem Zugfenster zu beobachten. Es lässt einen nicht mehr los. Es geht durch Tunnel, an den Trabucchi (traditionelle, ins Meer gebaute Fischerhäuschen aus Holz) vorbei, bis links vom Zug die ersten Hügel des Gargano sichtbar werden. Apulien ist erreicht.

Foto: © Caroli Hotels, Caroli House & Boat

Foggia ist der erste Halt in Apulien. Die Stadt ist sozusagen im Norden das Tor in diese landschaftlich, kulturhistorisch sowie kulinarisch spannende Südregion von Bella Italia. Ab Foggia verfärbt sich die Erde in den Farben braun, rot, rötlich und terracotta. Man sieht immer mehr Olivenbäume. Mit ihren bizarren Formen sind die Jahrhunderte alten Bäume besonders fotogen. Die Olivenbäume reihen sich wie an einer Schnur auf, die von Foggia bis nach Santa Maria di Leuca reicht. Auf etwa 60 Millionen schätzt man ihre Zahl. 60 Millionen Einwohner zählt auch ganz Italien. Hat damit jeder Italiener einen Olivenbaum? Selbst Patenschaften können für Olivenbäume vereinbart werden. So etwas ist wohl weltweit einzigartig.

Im Fürstengarten der Familie Duca Guarini; Foto: © Juliane Adameit

Zu den Schätzen der Region gehört deshalb auch das Olivenöl. Man nennt es das Gold der Region. Und es gibt so viele und exzellente Olivenöle. Auf der Suche nach dem „Gold von Apulien“ erwarten den Reisenden in dieser Region mehrere „Olivenölstrassen“ (Strade dell’Olio). Einer der ältesten Hersteller in der Region ist die Fürstenfamilie des Duca Carlo Guarini von Scorrano im Salento, der seit dem 11. Jahrhundert für seine Olivenöle bekannt ist.

Foto: © Juliane Adameit

Die Palastgärten duften nach mediterranen Kräutern: alles Ingredienzen dieser so wahrlich wohltuenden salentinischen oder apulischen Küche. Salzige Highlights sind für zwischendurch das Rustico (Blätterteigtasche mit Mozzarella und Tomaten gefüllt) sowie Calzone (Pizzateigtasche unterschiedlich gefüllt), ferner Arancino (Reisbällchen mit Mozzarella und Tomaten frittiert). Zu den süssen Spezialitäten zählt morgens das Cornetto (Hörnchen mit warmer Schokoladen- oder Vanillencreme) oder der Pasticiotto (eine salentinische Spezialität, auch mit Creme gefüllt). Und gehen Sie an keiner Eisdiele vorbei! Hier schmeckt das Gelato, noch in eigener Herstellung, cremig, milchig und nach reiner Frucht oder Schokolade. Als Dessert oder auch zum Nachmittagskaffee gibt es eine Crostata, die Torte mit Fruchtkonfitüre von Feigen, Trauben oder auch Zitrusfrüchten an Mürbeteig, wahrlich ein genussvolles Erlebnis.

Foto: © Juliane Adameit

Beispiellos gut ist hier im Süden auch der Cappuccino. Der Kaffeeduft hüllt ein, sobald man eine der unzählig vielen Cafebars an der Piazza betritt. Ein Tipp hierfür ist das Caffe Alvino mitten in Lecce. Für den kleinen Hunger bestellt man sich am besten in der Bar einen Crodino. Im Neobarock lässt sich das Menü bei Donna Lisa (Maglie) oder im historischen Palazzo bei Li Jalantuumene (Monte Sant’Angelo) geniessen. Gereicht bekommt der Reisende dabei ein Aperitifgetränk wie den San Bitter und dazu eine kleine Platte mit allen kulinarischen Spezialitäten im Miniformat. Dazu gehören auch Oliven und Nüsse. Und das Menü besteht natürlich aus Pasta.

Donna Lisa, Maglie; Foto: © Juliane Adameit

Regional sind die Orecchiette (Öhrchennudeln) der ganze Pastastolz der Region. Apulien ohne Orecchiette wäre nicht vorstellbar. Gerade in Apulien bieten viele Restaurants frische Pasta: eine echte Delikatesse. Einen Namen unter den Herstellern hat sich vor allem die Pasta von Benedetto Cavalieri aus Maglie, auch Geburtsort von Aldo Moro, gemacht. In seiner historischen Manufaktur in der Altstadt wird seit mehreren Generationen die Pasta mit viel Passion produziert. Nichts kann schöner sein, als sich genau hier in Italien zeigen zu lassen, wie nach alter Tradition die Pasta hergestellt wird. Und 1875 begann in Maglie auch die Schokoladengeschichte von Maglio Arte Dolciaria, die heute international ein Geheimtipp in anspruchsvollen Schoko-Insider- und Genusskreisen ist.

Foto: © Juliane Adameit

In traditionsreichen Familienunternehmen produziert man teils schon über die Jahrhunderte, hält man Rezepturen als Geheimnis, erhält man Auszeichnungen und zeigt sich heute mit Markenbewusstsein auf den internationalen Märkten, Messen und in den Medien. Viele Produzenten sind Mitglieder der Slow Food-Bewegung, und so finden die kulinarischen Spezialitäten von Apulien zu einem neuen Image.

So ist jährlich Anfang August in Maglie der „Mercatino del Gusto“, das Genussfestival, immer ein besonderes Ereignis. Handgemacht, in kleinen Manufakturen hergestellt oder gar gekocht wie zuhause bei Mamma sind Produkte aus Apulien ein Glückserlebnis für Gourmets. Das kann man schon vor Ort testen. Vielerorts können die Produkte direkt beim Hersteller gekauft werden. Schnell verliebt sich das Gourmetherz und bald füllen Flaschen, Gläser und Schachteln den Koffer für die Rückreise. Dabei erweist sich erneut: eine Zugreise kann dafür mitunter sehr praktisch sein. Sollte ein Koffer nicht reichen, kann man bestenfalls auch einen Karton mitnehmen. Dies ist bei Flugreisen undenkbar.

Foto: © Juliane Adameit

An den Hügeln und in der Ebene wechseln sich Olivenbäume und Weinreben ab. Berühmt ist nämlich auch der Wein aus Apulien. Voller Aromen von lieblich, fruchtig bis herb und trocken sind die verschiedenen Sorten. Berühmt sind die Rotweinsorten Primitivo di Manduria, Negroamaro und der Salice Salentino von Due Palme (Cellino San Marco / Bari), Conti Zecca (Leverano / Lecce) oder Il Falcone (Barletta). Rundreisen auf den sogenannten “Weinstrassen” (Strade del Vino) sind ein besonderes Erlebnis in Apulien. Das Weinfest „Cantine Aperte“ findet am letzten Sonntag im Mai, nicht nur in ganz Apulien, sondern auch italienweit, in Kooperation mit den Weinkellereien statt. Jährlich kommen tausende Besucher von nah und fern.

Doch die Region hat noch viel mehr zu bieten. Apulien gehört zu den grössten italienischen Regionen und kann sich dabei über mehr als 800 Küstenkilometer freuen. Erholung pur tut sich hier an Sandstrand oder Felsküste auf.

Foto: © Caroli Hotels, Caroli House & Boat

Die Region gleicht mit ihren Naturschutzparks, Thermalquellen, Fahrradwegen und endlosen Stränden einem Wellness-Areal. Möglichkeiten, die Region und das Reiseziel zu geniessen, gibt es unzählig viele. Zunehmend hat sich die Region in den letzten zwanzig Jahren dafür mit viel Liebe zum Detail stilvolle und interessante Ideen einfallen lassen. Übernachtungen beispielsweise über die Caroli Hotels (in Südapulien zwischen Bari, Gallipoli, Santa Maria di Leuca) im Leuchtturm, Kloster oder Trullo sind eine besonders schöne Idee. Weiter typisch für die Region ist ein Urlaub auf dem Land in einer „Dimora Storica“, einem historischen Gutshaus, der „Masseria“ wie der Masseria Alchimia (Fasano), Masseria Panareo (Otranto) oder einem Stadtpalazzo à la Corte dei Francesi (Maglie). Lifestyle, Luxus und Schönheit sind hier im Trend. Kochkurse, Trekkingausflüge, Nachtwanderungen oder Radtouren bieten jede Menge Abwechslung.

Und in Sachen Mode, Design sowie Stil hat Apulien einige echte Knüller zu bieten. Natürlich ist alles immer Geschmackssache. Den besten Rat bekommt man direkt von den Italienern vor Ort. Namhafte Adressen sind dafdesign (Lecce / Taschen), Filanto (Casarano / Schuhe), Lopardo (Maglie / Accessoires) oder Fondazione Le Costantine (bei Otranto / Stoffe, Textilien). Das schönste Kaufhaus für Haute Couture in Apulien ist aber doch das traditionsreiche Candido in Maglie, welches hier als Familienunternehmen seit 1859 in einem prachtvollen Altstadtpalazzo mitten an der Piazza liegt.

Foto: © Juliane Adameit

Schon länger ist Apulien deshalb kein Geheimtipp mehr. Für Italiener ist die Region mittlerweile eines der führenden Reiseziele im eigenen Land. Wer wenig Zeit hat und schnell in die Sonne möchte, der nimmt einfach das Flugzeug und dann am besten einen Mietwagen für die Weiterfahrt aufs Land. Von Deutschland aus ist Apulien per Flugzeug über die Flughäfen in Bari und Brindisi verbunden. Die Sehenswürdigkeiten und Traumbuchten liegen in unmittelbarer Nähe. Doch Zugreisende sehen mehr von der Schönheit der Region. Nirgendwo ist der Olivenbaum in Italien so präsent am Wegesrand wie auf der Fahrt ab Foggia nach Süden.

Dabei führen alle Wege, seien es die Weinstrassen, Olivenölstrassen oder Küstenrouten, stets an den Sehenswürdigkeiten dieser Region vorbei. Im Norden erwartet den Reisenden das berühmte Castel del Monte des Staufenkaisers Friedrich II. Weiter südlich liegt Alberobello, die Hauptstadt der Trulli oder auch weissen Zipfelmützenhäuser. Grossstadtflair bieten Foggia, Bari und Brindisi. Lecce ist mit seinen Palästen und Kirchen das Barockjuwel der Region. Otranto an der Adria, vor allem durch seine Kathedrale und den prächtigen Steinmosaikfussboden berühmt, sollte auch auf der Reiseroute liegen. Viele kleine Ortschaften auf dem Land oder an der Küste haben Burgen, Schlösser, Festungsmauern und vor allem eine lange, lange Geschichte. Endstation der Reise ist Santa Maria di Leuca. Hier ist Italien wirklich zuende. Ein Leuchtturm und eine Wallfahrtskapelle sowie bezaubernd schöne Villen an der Uferpromenade runden das Bild ab.

Villa La Meridiana; Foto: © Caroli Hotels, Caroli House & Boat

Die Villa La Meridiana in pompeijanisch gelb-rot sollte man sich unbedingt anschauen und dabei eine Verköstigung mit La Dispensa di Caroli geniessen. Sehenswert sind hier ausserdem die Ausflugsangebote zu den zahlreichen Grotten von Santa Maria di Leuca.

Santa Maria di Leuca; Foto: © Caroli Hotels, Caroli House & Boat

Das Endziel der Bahnreise ist erreicht. Und der Blick geht dabei endlos weit aufs Meer – hier, wo ionisches Meer und die Adria zusammenfliessen.


Bucht von Otranto; Foto: © Juliane Adameit

 

 

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