Biennale Arte Venedig 2011 (4): Sigalit Landau bespielt den Israelischen Pavillon
„Die israelische Künstlerin Sigalit Landau zoomt sich direkt hinein in das Grauen des Alltags, versteht sich als Archäologin verdeckter, verschütteter Gefühle.“ Wir zitieren heute aus der „taz“.
Und wo wir gerade dabei sind, zitieren wir auch die Künstlerin selbst: „Man versucht, dem Schmerz zu entrinnen, indem man noch mehr Schmerz produziert.“
Die bereits international bekannte, in Jerusalem geborene Sigalit Landau bespielt mit Installationen und Videos den Israelischen Pavillon zur 54. Biennale Arte in Venedig. „One man’s floor is another man’s feelings“ lautet beziehungsreich der Titel ihrer Arbeit. „Durchaus studiert mit heissem Bemühn“ haben wir den „Überbau“ in Gestalt einer 18seitigen Pressemeldung, eines sogenannten Flyers und natürlich des Beitrags im Ausstellungskatalog, der die Präsentation als ein Sprungbrett für die doch bereits arrivierte Künstlerin apostrophiert. Wasser, Salz und Erde sind die metaphorisch aufgeladenen Elemente, von denen sie handelt.
Hier aber nun eine „Basis“-Betrachtung, unser eigener Eindruck also ohne vorheriges Studium aller Schriftlichkeiten:
Das Wasser
Water Ladders, The cave, Installationen
Neben dem Frieden ist Wasser vielleicht das Wichtigste, das wir auf dieser Erde haben. Das Leben ist aus dem Wasser hervorgegangen. Ohne Wasser können Mensch und Tier nicht überleben. Sauberes Wasser ist in vielen Ländern und Regionen Mangelware, es muss von weit her und oft mühsam beschafft werden. Sauberes Wasser war schon immer ein Mittel des Krieges, die sprichwörtlichen „Brunnenvergifter“ wussten um die verheerende Wirkung dieser Waffe. Die Versorgung mit Trinkwasser in den Konfliktgebieten des Nahen Ostens ist seit vielen Jahren von hoher Brisanz. Presseberichten zufolge entfällt auf einen Einwohner der Palästinensergebiete lediglich ein Viertel der Wassermenge, die pro Kopf den Bürgern Israels zur Verfügung steht. Nicht wenige Zukunftsforscher sagen in manchen Teilen der Welt Kriege um Trinkwasser voraus.
In Sigalit Landaus Installation im Aussen- und Innenbereich des Pavillons dominieren mächtige, bizarre, in den israelischen Nationalfarben Weiss und Blau lackierte Wasserleitungssysteme, mit zig Messuhren und Absperrventilen versehen – keine Waffe der Wasserreichen gegen die Wasserarmen?
Das Salz
Wie Wasser ist auch das „weisse Gold“ weltweit lebensnotwendig.
„Ihr seid das Salz der Erde“, Bergpredigt, Matthäus 5, Vers 13. In einer wundervollen Videoarbeit sehen wir ein Paar Arbeitsschuhe, in das Salinenwasser des Toten Meers getaucht und daher über und über salzverkrustet, auf einem zugefrorenen Süsswassersee in Danzig: Das Salz bringt die Eisschicht zum Schmelzen, die Schuhe versinken im Wasser. Welch einen gewaltigen Bogen spannt uns die Künstlerin nicht nur zwischen diesen beiden geschichtsträchtigen Orten. Danzig als Ausgangspunkt der historischen Wende in Europa: 1970 stürzte die von den Werften ausgehende Streikwelle das verhasste Gomulka-Regime; 1980 folgte die Gründung der „Solidarnosc“, was zum Zusammenbruch der kommunistischen Volksrepublik Polen führte, ein entscheidendes Moment wiederum zur Überwindung des Eisernen Vorhangs in Europa. Zwischen Israel und den Palästinensergebieten hingegen werden die rund 700 km langen Sperranlagen kontinuierlich ausgebaut – unter Zerstörung übrigens auch zahlreicher Brunnen und vieler Kilometer Wasserleitungen.
Salted Lake, HD-Video
Die Erde (Sand)
Kinder spielen im Sand, ein sogenanntes „Knife game“. „Azkelon“ heisst diese Videoarbeit, ein Name zusammengesetzt aus Aza (Gaza) und Ashkelon, den beiden Nachbarstädten am Mittelmeer, getrennt durch die undurchdringliche Grenze. Junge Menschen ziehen kreuz und quer Grenzlinien in den Sand, zertreten sie und ziehen sie aufs neue.
Azkelon, HD-Video
Aktueller, politischer kann eine künstlerische Arbeit wohl kaum sein.
Sigalit Landau, 1969 in Jerusalem geboren, besuchte die dortige Bezalel Academy of Art and Design sowie die Cooper Union School of Art and Design in New York. Sie versteht sich als eine Brückenbauerin. „(Un)consciously looking for new and vital materials to connect the past to the future“, schreibt sie, „the west to the east, the private with the collective, the sub-existential to the Uber-profound, the found objects to the deepest epic narratives and mythologies… using scattered, broken words to define „the-bricker-brack“ and transform it into a soft heap of new dream-buds, to act upon the uncertain horizon.“
Mit ihren Installationen, Videos und Performances bestückte sie bereits weltweit zahlreiche Ausstellungen und erhielt bedeutsame Preise. Ihre Arbeiten sind in den grossen Museen unter anderem in Jerusalem, Madrid, New York, Paris, Stockholm oder Tel Aviv vertreten. Im November dieses Jahres können wir Sigalit Landau zur Yokohama Triennale 2011 antreffen; in Frankfurt am Main vertritt die Galerie Anita Beckers die Künstlerin.
(Fotos: FeuilletonFrankfurt)
→ Biennale Arte Venedig 2011 (5): Christoph Schlingensief oder: der Gold-Pavillon