home

FeuilletonFrankfurt

Das Magazin für Kunst, Kultur & LebensArt

PETRA KAMMANN, HERAUSGEBERIN · www.feuilletonfrankfurt.de · GEGRÜNDET 2007 VON ERHARD METZ

Abschied von der Holbein-Madonna

Sie wird Hessen verlassen, die „Schutzmantel-Madonna“ von Hans Holbein dem Jüngeren, seit 2004 war sie als Leihgabe des Adelshauses Hessen im Frankfurter Städel Museum zu bewundern, davor im Stadtmuseum Darmstadt. Die Fachwelt rechnet das Bild zu den weltweit schönsten und bedeutendsten Altmeistergemälden, ja sie vergleicht es mit Raffaels berühmter „Sixtina“ in Dresden. Noch in den letzten Ausstellungstagen im Städel huldigten ihm Tausende von Besuchern zum Abschied.

Hans Holbein der Jüngere (1497/98 – 1543), Die Madonna mit der Familie des Bürgermeisters Meyer(1525/26), Öl auf Nadelholz, 146,5  x 102,0 cm; Bildnachweis: Städel Museum Frankfurt am Main

Nun verkaufte die Eigentümer-Erbengemeinschaft die Holbein-Madonna an den Unternehmer und Kunstsammler Reinhold Würth, der aus dem klein-mittelständischen „Schrauben-Würth“ ein global agierendes Unternehmensimperium mit rund 60.000 Mitarbeitern machte und der mit seinem Vermögen zu den zehn reichsten Deutschen zählen soll. Die Ikone ist, um es gleich vorweg zu sagen, bei Würth in guten Händen, denn er wird sie nicht in seinen Villen und Schlössern verstecken, sondern sie in einem seiner Museen, voraussichtlich in Schwäbisch-Hall, der Öffentlichkeit weiter zugänglich machen. Und ab und an soll sie auch wieder nach Frankfurt reisen können.

Der Verkauf fand ein recht lebhaftes und auch kontroverses Presseecho. Das Städel wollte das Gemälde im Rahmen einer Mäzenatengemeinschaft (und zuletzt sogar im Zusammenwirken mit Würth) für den eigenen Bestand erwerben, doch 40 Millionen Euro und noch einiges mehr reichten den Verkäufern nicht aus. So musste das Städel passen, und auch das Land Hessen mochte nicht weiter mit Steuermitteln helfen, sehr zu Recht, denn irgendwo ist die Grenze nicht nur des Zumutbaren und Verantwortbaren, sondern auch des Anständigen erreicht.

So aber bleibt ein Nachgeschmack, den wohl auch Rose-Maria Gropp auf der Zunge hatte, als sie in der FAZ vom 14. Juli 2011 schrieb: „Inzwischen strebt die ganze neureiche Welt danach,  für ihr viel zu vieles Geld Anlagemöglichkeiten in hochwertiger Kunst zu erlangen. Der Kunstmarkt lechzt geradezu nach Spitzenwerken. Mit Gemeinsinn oder Verantwortung  für die Gesellschaft hat das meist gar nichts zu tun.“ Dem pflichten wir uneingeschränkt bei.

Ein Glück, dass Artikel 14 Grundgesetz („Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen“) doch ein ganz klein wenig in diese Materialismus-Gesellschaft austrahlt: Die „Schutzmantel-Madonna“ steht gemäss dem „Gesetz zum Schutz deutschen Kulturgutes gegen Abwanderung“ auf der Nationalen Liste der zu schützenden Kulturgüter und unterliegt damit einem Ausfuhrverbot. Diese gesetzgeberische Segenstat schob zum Beispiel einem Angebot des J. Paul Getty-Museums einen Riegel vor, das sich auf einiges über 100 Millionen Dollar belaufen haben soll – Glück für Deutschland, Pech für den Hessen-Adel.

Comments are closed.