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FeuilletonFrankfurt

Das Magazin für Kunst, Kultur & LebensArt

PETRA KAMMANN, HERAUSGEBERIN · www.feuilletonfrankfurt.de · GEGRÜNDET 2007 VON ERHARD METZ

„Kunst privat“ am Frankfurter Flughafen

Bereits im siebten Jahr: „Kunst privat“ am Frankfurter Flughafen

Text und Fotografien: Johanna Wenninger-Muhr

Rund 30 hessische Unternehmen gewähren im Rahmen des Projekts „Kunst privat“ am 28. und 29. Mai 2011 Einblick in ihre sonst nicht zugänglichen Kunstsammlungen.

Im siebten Jahr von „Kunst privat“, der Veranstaltung des Hessischen Ministeriums für Wirtschaft, Verkehr und Landesentwicklung, öffnet auch Lufthansa Kunstinteressierten ihre Pforten. Das Lufthansa Aviation Center, von Lufthanseaten kurz LAC genannt, am Frankfurter Flughafen am Airportring, beteiligt sich zum dritten Mal an „Kunst privat“.

Lufthansa hat das 2006 bezogene LAC zu einem Ort der Kunst gemacht. Noch während der Bauphase wurde in Zusammenarbeit mit dem Düsseldorfer Architekten Christoph Ingenhoven, den Kuratoren Max Hollein und Nicolaus Schafhausen und Michael Neff, Projektleiter „Kunst am Bau“, ein Konzept entwickelt, das nicht auf der Idee einer Kunst-Sammlung basiert, sondern auf einer Auswahl von sieben Künstlern, die von ihrer künstlerischen Haltung auf das Unternehmen Lufthansa reagieren.

„Das Lufthansa Aviation Center soll das angeborene Bedürfnis der Menschen nach Gespräch und Austausch fördern“, so die Idee von Architekt Christoph Ingenhoven. Kommunikation und Transparenz sind die Kernbotschaften. Die Transparenz wird im Lufthansa Aviation Center durch den Einsatz von viel Glas realisiert. Das markante Dach erinnert an Elemente aus der Welt der Luftfahrt. Neun Gärten mit Pflanzen und Bäumen aus verschiedenen Kontinenten bieten den Mitarbeitern Entspannung und Erholung. Die Unterschiedlichkeit der Gärten soll ein Zeichen für die Internationalität des Unternehmens Lufthansa sein. Überspannt von einer Glas-Gitter-Schale sorgen die grünen Atrien dafür, dass das Gebäude „atmen“ kann. Sie sind Wärme-, Kälte- und Lärmpuffer zugleich. Ein wärmeaktives Thermosystem sorgt dafür, dass der Energieverbrauch nur ein Drittel desjenigen eines „konventionellen“ Gebäudes beträgt.

International renommierte Künstler haben sich mit dem Entwurf von Christoph Ingenhoven und den Vorstellungen der Lufthansa auseinandergesetzt und mit subtilen Eingriffen in den Bau eigene Akzente gesetzt.

Liam Gillicks „Oneunitofenergyoneunitofoutput“ und Thomas Demands „Wald“

„one unit of energy one unit of output“, „two ideas two actions“, „three units of input three units of stability“, „four units of decision four units of operation“.

Die vom britischen Künstler Liam Gillick entworfenen Schriftbänder, die direkt an den tragenden Säulen des Eingangsbereichs des Lufthansa Aviation Centers angebracht sind, sollen abstrakte unternehmerische Handlungsmodelle darstellen. Sie kreisen um Schlüsselwörter wie Energie und Output, Idee und Aktion, lassen aber offen, auf welchen Kontext sich diese beziehen. Vor dem LAC positioniert, sollen sie dem Besucher Entscheidungs- und Handlungsmöglichkeiten aufzeigen, zu denen er sich in Beziehung setzen muss.

Die Spruchbänder von Liam Gillick am Eingang des LAC sollen unternehmerische Handlungsmodelle darstellen

In der Kantine des LAC ist eine Täuschung an die Wand gebracht. Sie gibt den Anschein, als handele es sich um eine Fototapete mit dem Motiv „Wald“. Bei genauerer Betrachtung wird jedoch klar, dass nicht nur die Grösse der einzelnen Blätter an den Bäumen nicht stimmen kann, sondern auch, dass die Blätter selbst nicht natürlich sind. Für seine Arbeit „Lichtung/-Clearing“ hat Thomas Demand 2005 für das Abbild einer Baumgruppe im Park der Venedig-Biennale in seinem Studio 270 000 Einzelblätter an Papierbäume geheftet, anschliessend fotografiert und das Werk neben dem eigentlichen Park als eine Art Trompe-l’œil installiert.

Im Lufthansa Aviation Center ergibt sich ein ähnlicher Effekt: Die Wandarbeit „Lichtung/-Clearing“ mit dem Bild des dicht belaubten Waldes basiert auf einer künstlichen Nachschöpfung dieser Bäume. Sie suggeriert die Präsenz eines Waldes, aber es handelt sich nur um eine das Auge täuschende Fotografie, die eine Natur aus Pappe und Papier wiedergibt. Das Pendant hängt im Museum of Modern Art in New York.

Michael Beutlers Pagodenturm und Carsten Nicolais Sinuswellen

Michael Beutlers Pagodenturm, mit dem „mfi-Preis Kunst am Bau“ ausgezeichnet, steht in einem der neun Atrien. Die Pagode aus Aluminium besteht aus neun aufeinandergeschichteten unterschiedlich konstruierten Hütten. Metallisch glänzend vermitteln sie verschiedene Kulturen und machen dadurch gleichzeitig auf die weltweite Vernetzung der Lufthansa-Flugstrecken aufmerksam. Die Themen Fernweh und Reiselust werden hier aufgegriffen.

Palmen, die das Kunstwerk umgeben, lassen einen oasenhaften Charakter entstehen und sollen zugleich als Symbol für die Sehnsucht nach exotischen Reisezielen stehen.

Der „mfi-Preis Kunst am Bau“ ist einer der grössten Kunstpreise in Europa. Er zeichnet herausragende Kunstprojekte aus und würdigt die gelungene Zusammenführung von Kunst und Bauwerk.

Die Sinuskurve, die im Zentrum des von Nicolai gestalteten Bodenmosaiks im Parterre des LAC steht, ist ein wiederkehrendes Motiv seines Werkes. Nicolai, der im Bereich der elektronischen Musik ebenso tätig ist wie in der bildenden Kunst, nimmt die Sinuswellen zum Ausgangspunkt einer grafischen Darstellung der an sich kaum hörbaren Frequenzen. Die Verflechtung von Kunst, Klang und Raumarchitektur findet eine visuelle Entsprechung, die gleichzeitig wie ein wegleitendes System funktioniert.

Michael Elmgreens und Ingar Dragsets Türen, Cerith Wyn Evans Neonskulptur „Flugrouten“ und die grossformatigen Fotografien von Beat Streuli

Das Künstlerduo Elmgreen & Dragset arbeitet mit architektonischen Elementen, die es verändert und deren Funktion es anschliessend hinterfragt. Im Lufthansa Aviation Center haben die beiden Künstler acht Bürotüren „modifiziert“ und unbenutzbar gemacht. Auf den ersten Blick sehen diese Türen aus wie alle anderen Türen des Gebäudes. Bei näherer Betrachtung fallen Sicherheitsketten auf, die eine Tür verschliessen. In eine gläserne Tür ist ein Guckloch eingelassen, eine weitere weist ein Einschussloch auf. Bei einer anderen ist eine Türklinke an der falschen Seite montiert.

Die hoch oben in einem der Atrien aufgehängte, aus speziell hergestellten Neonröhren gebaute Skulptur des walisischen Künstlers Cerith Wyn Evans soll die Flugrouten des Unternehmens symbolisieren. „Die Bögen globaler Bewegung“ sind vom Inneren des Gebäudes aus zu sehen, aber auch nach aussen weithin sichtbar. Vor allem abends lenkt die riesige Neonskulptur die Aufmerksamkeit, unter anderem der Autofahrer der A 3, auf sich.

Der Künstler Beat Streuli ist angetreten, mit seinen grossformatigen Farbfotografien der „Flüchtigkeit des Alltags ewige Dauer zu verleihen“. Er fotografiert Menschen in den Metropolen dieser Welt. Aus den Bildern spricht jene Offenheit und Intimität, die jemand ausstrahlt, der sich nicht beobachtet fühlt. Leicht und transparent auf Glaswände montiert, sollen Streulis Bilder nicht den Blick verstellen, sondern auf eine kosmopolitische Aussenwelt verweisen.

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