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FeuilletonFrankfurt

Das Magazin für Kunst, Kultur & LebensArt

PETRA KAMMANN, HERAUSGEBERIN · www.feuilletonfrankfurt.de · GEGRÜNDET 2007 VON ERHARD METZ

Städelschule: Rundgang 2011 (1)

STAATLICHE HOCHSCHULE FÜR BILDENDE KÜNSTE FRANKURT AM MAIN – STÄDELSCHULE – RUNDGANG 2011 (1)

Es ist wieder einmal soweit: Die Städelschule öffnete sich am Wochenende zu ihrem traditionellen jährlichen „Rundgang“ für das Publikum – der in diesem Jahr ein besonderer war, der erste nämlich nach der umfassenden Renovierung des Gebäudetraktes an der Frankfurter Dürerstrasse.

Nun aber hat es mit unserem Bericht ebenfalls eine besondere Bewandtnis: Wir beginnen nicht mit einem Blick auf die Arbeiten der Studierenden, sondern auf einen an der Städelschule Lehrenden.

Wir handeln von Douglas Gordon, einem der weltweit wichtigsten und einflussreichsten Künstler seiner Generation, seit Oktober vergangenen Jahres Professor für Film an der Städelschule. Er bezog sein Atelier am Lichthof des Altbaus und errichtete darin eine Küche. Kein Wunder – gehört doch eine „Kochwerkstatt“ seit langem zum festen Lehrangebot der Schule.

Douglas Gordon wurde 1966 in Glasgow geboren. An sein Bachelor of Art-Studium an der Glasgow School of Art schloss er ein Master-Studium an der Londoner Slade School of Art an, das er 1990 vollendete. Bereits 1996 wurde er mit dem renommierten Turner-Preis ausgezeichnet. Seine – oft bekannte Spielfilme verfremdenden – Filme und Videoinstallationen machten Gordon international bekannt. Darüber hinaus befasst er sich mit Klanginstallationen, Fotografien und Skulpturen. Seine Arbeiten finden sich in den grossen Museen der Welt.

In Gordons Küche: ein in strahlend-schwarzem Klavierlack mächtig-prächtig dastehender Flügel, eine Videoprojektion von Dana Munro, in der eine Banane im Zeitlupentempo ihrer Schale entkleidet wird, und natürlich Douglas Gordon und die Schar seiner Helferinnen und Helfer, der Künstler hatte sich eine knielange weisse Schürze umgehängt …

Samstag, 14 Uhr, Programmpunkt: „Douglas Gordon und Nikolaus Hirsch im Gespräch …“. Die Schulaula bis an die letzte Grenze ihrer Kapazität gefüllt.

Als der Filmprofessor am Podiumstisch wiederum mit seiner weissen Schürze erschien, hätte man ja eigentlich stutzig werden können …

Zunächst zog er seine Schuhe aus, nach einiger Zeit auch die Socken. Um einiges später folgte, beileibe nicht der stickigen Luft in der Aula geschuldet, die Hose. Da ahnte man, dass auch der Pulli noch an die Reihe kommen musste, was auch geschah. Fühlte man sich nun des eigenen Voyeurismus entlarvt? Immerhin blieb die lange weisse Schürze. Im Art Salon auf der Art Basel 2010 war eine vergleichbare Schürze von schwarzer Farbe, dafür sprang der Künstler im Adamskostüm recht lebhaft vor dem Publikum herum.

Auch die Banane im Küchenatelier entkleidete sich langsam, aber zusehens immer wieder ihrer Schale …

Douglas Gordon, auf wenige Fragen des Städelschulrektors weitgehend monologisierend, erzählte, teilweise von Videoprojektionen begleitet, von seinem Heranwachsen, seinem Weg zur Kunst, zum Künstlertum. Die anwesenden Vertreter der Medien werden darauf sicherlich noch zurückkommen. „Fuck the art schools! Noooo, that’s where the artists come from“ soll er in Basel gesagt haben, so jedenfalls finden wir es in „PLAYLUST“ zu lesen.

Dass der Kunstprofessor zu Ende des Gesprächs hin seine Garderobe in korrekt-umgekehrter Form wieder Zug um Zug anlegte, sei der Chronistenpflicht gehorchend ebenso korrekt vermerkt. Anschliessend ging es dann in die Küche, wo bereits die „Bloody Mary“ und allerlei Leckereien auf Gäste warteten.

Alles ist ambivalent, nichts scheint gesichert, alles hinterfragt sich. Dass sich ein Künstler – Jean-Christophe Ammann spräche wohl von „existenziellen“ Künstlern – mit seiner künstlerischen Arbeit vor seinem Publikum gleichsam „entkleidet“, sein Innerstes, seine psychische Befindlichkeit offenbart, ist das eine. Dass eben dies zum Gegenstand distanzierender Betrachtung, Kritik und Persiflage gerät, das andere.

Auch der „heimische“ Flügel – Inbegriff grossbürgerlich-kulturellen Selbstverständnisses – wird am Dunst des Küchen-Ateliers dauerhaft wenig Freude finden und sich nach einem Standort im Gralsrittersaal musikalischer Hochkultur zurücksehnen. Was natürlich wiederum einer persiflierenden Betrachtung wert wäre.

Wir freuen uns auf ein Wiedersehen mit Douglas Gordon in einem grösseren Rahmen: Vom 19. November 2011 an wird das Frankfurter Museum für Moderne Kunst MMK dem Künstlers eine eigene grosse Ausstellung widmen. Das Haus führt neben anderen seiner Arbeiten eines seiner Hauptwerke „Play Dead. Real Time“ aus dem Jahr 2003 in seinem Bestand.

(Fotos: FeuilletonFrankfurt)

→  Teil 2

→  Douglas Gordon im Museum für moderne Kunst Frankfurt am Main-1

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