Städelschule in neuem – alten – Glanz
Grund zu Freude: Städelschulrektor Professor Nikolaus Hirsch übernimmt das renovierte Gebäude
Nein, der Titel ist kein Widerspruch. Ein knappes Jahr nahmen die Bau- und Renovierungsmassnahmen in Anspruch, und am vergangenen Freitag präsentierte sich das Gebäude der Städelschule in neuem Glanz, der aber zugleich auch der alte ist. Wie Professor Michael Schumacher, mit Till Schneider Ko-Inhaber des Architektur- und Designbüros „schneider+schumacher“, erklärte, sei es die Aufgabe gewesen, die Substanz und die Ausstattungsteile des unter Denkmalschutz stehenden Hauses vom Ende des 19. Jahrhunderts, nach schweren Kriegszerstörungen in den 1950er Jahren wiedererrichtet, so behutsam zu renovieren, dass man die Erneuerungen am Ende kaum mehr wahrnehmen könne und der „einzigartige Charme“ des Gebäudes erhalten bleibe. Das ging so weit, dass sogar die Treppengitter und -handläufe wie auch die besonderen Stahlfensterkonstruktionen beibehalten, aufgearbeitet und – wie die Fenster – zeitgerechten energiespartechnischen Standards angepasst wurden. Dies alles habe sehr viel Kopfzerbrechen bereitet, betonte Schumacher, und er sei in gewissem Sinne stolz darauf, dass die architektonischen Eingriffe tatsächlich kaum „sichtbar“ seien.
Michael Schumacher und Nikolaus Hirsch präsentieren die „neuen“, rund 60 Jahre alten Stahlfenster
Fünf Millionen Euro liess sich die Stadt Frankfurt am Main die Renovierung kosten – als alleiniger finanzieller Träger der „Staatlichen Hochschule für Bildende Künste“, denn das Land Hessen ist, anders als der Name der Schule vermuten lässt, mit keinem Cent an der weltweit renommierten Institution beteiligt; ein einmaliges Kuriosum, wie Kulturdezernent Professor Felix Semmelroth in der Pressekonferenz hervorhob.
Heinz-Jürgen Bokler, Max Hollein, Felix Semmelroth, Nikolaus Hirsch, Michael Schumacher und Till Schneider in der Pressekonferenz am 15. April 2011
Hervorgegangen ist die Städelschule aus dem einstigen, auf einer Stiftung des Frankfurter Bankiers, Sammlers und Mäzenen Johann Friedrich Städel (1728 bis 1816) beruhenden „Städel’schen Kunstinstitut“ mit einer Kunstschule und einer Schaugalerie. 1830 verfügte die Stiftungsadministration die förmliche Trennung von „Kunstsammlung“ und „Lehranstalt“.
Die relativ kleine Schule zählt heute zu den weltweit bedeutendsten Kunstakademien. Zwölf Professorinnen und Professoren betreuen rund 160 Studierende im Bereich freie bildende Kunst und rund 30 Studierende im Fach Architektur. Mehr als 60 Prozent der Studentinnen und Studenten kommen aus dem Ausland. Das Studium gliedert sich in das Grund- und das Hauptstudium, letzteres kann nach einer erfolgreichen Zwischenprüfung aufgenommen werden. Pflichtveranstaltungen sind Kunstgeschichte, Kunsttheorie, Philosophie und „Technik“ (wozu entgegen manchmal anzutreffender Meinungen auch als „klassisch akademisch“ empfundene Disziplinen wie Zeichnen oder Malen gehören). Nach in der Regel insgesamt zehn Semestern ist „Schluss“, und die Studierenden erhalten eine Bescheinigung über ihr Vollstudium, gegebenenfalls über die Ernennung zum „Meisterschüler“.
Noch immer gilt das Städel-Zertifikat als Eintrittskarte in die grosse weite Welt der bildenden Künste, aber eine Garantie für einen durchschlagenden künstlerischen oder gar wirtschaftlichen Erfolg ist leider nicht mit ihm verbunden – wir haben noch die Einschätzung des vormaligen Rektors Daniel Birnbaum in Erinnerung, dass vielleicht um die fünf Prozent der Städelschüler aus ihrer künstlerischen Arbeit künftig einen angemessen erscheinenden Lebensunterhalt erzielen können.
Blick in ein nach Norden zum „Städelgarten“ hin gelegenes Atelier sowie aus dessen Fenster hinaus auf die Gartenfront des Museums und den neuen unterirdischen, 195 Lichtkuppeln umfassenden Erweiterungsbau
Städel-Museum – Eigentümerin und Hausherrin des vormals durch den Städelgarten und einigem üppigen pflanzlichen Wildwuchs vom Schauhaus getrennten Schulgebäudes – und eben jene Schule werden künftig in gewisser Weise durchaus enger beieinanderrücken: der Blick aus dem Fenster des Ateliers oder gar vom künftigen „Garten“ auf die renovierte Atelierfensterfront der Schule macht es deutlich (auch wenn die Oberfläche der Ausstellungshalle später einmal begrünt und begehbar sein soll).
Werden sich neue Wechselwirkungen zwischen den beiden – sagen wir einmal freiweg „optisch-emotional“ wie „gefühlt-geografisch“ künftig sehr viel unmittelbarer, ja auf das Engste verbundenen – Einrichtungen ergeben? Wie werden die angehenden Künstlerinnen und Künstler auf diese neue Situation reagieren?
Der Eingang zur Akademie: Nein, an Franz Kafkas „Bericht für eine Akademie“ denken wir hier nicht. Und wir rufen der nun wirklich so attraktiv renovierten Städelschule ein herzliches „Glückauf“ zu!
(Fotos: FeuilletonFrankfurt)