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FeuilletonFrankfurt

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PETRA KAMMANN, HERAUSGEBERIN · www.feuilletonfrankfurt.de · GEGRÜNDET 2007 VON ERHARD METZ

NABU-Preis „Dinosaurier 2010“ an RWE-Chef übergeben

Er zählt mit zu den „mächtigsten“ Männern des Hinterzimmerdeals zwischen Atomwirtschaft und Bundesregierung im „Herbst der Entscheidungen“ des Jahres 2010: RWE-Boss Hans-Jürgen Großmann. Mächtig und erfolgreich war der Druck der vier Energie-Konzerne mit dem bekannten Ergebnis der Laufzeitverlängerung der Atomkraftwerke, von sehr vielen Fachleuten als „Geschenk an die Atomlobby und Lizenz zum Gelddrucken“ verurteilt. Für den Naturschutzbund Deutschland e. V. NABU Ende Dezember 2010 Anlass, den mutmasslichen Hauptdrahtzieher des entlarvten Deals, Hans-Jürgen Großmann, Vorstandsvorsitzender des Essener Stromkonzerns RWE, mit dem Negativ-Preis „Dinosaurier 2010“ auszuzeichnen.

„Mit seiner hemmungslosen und provozierenden Beeinflussung der Bundesregierung für die Laufzeitverlängerung der Atomkraftwerke, die im Spätsommer in einer von ihm initiierten Anzeigenkampagne gipfelte, hat sich Herr Großmann den Preis in diesem Jahr redlich verdient“, laudatierte NABU-Präsident Olaf Tschimpke damals, der den Preisträger in direkter Tradition zu dem früheren RWE-Boss Harry Roels sieht. Diesen hatte der NABU bereits 2006 für dessen Antrag auf Laufzeitverlängerung für den „Schrott-Reaktor Biblis A“ mit dem Dinosaurier ausgezeichnet.

Die Dinosaurier-Trophäe (Bildnachweis: NABU)

„Die RWE-Spitze hat nichts dazugelernt“, zürnte Tschimpke im Dezember 2010. „Aus reinem Machtkalkül und Profitstreben wird an einer Risikotechnologie festgehalten und gleichzeitig der notwendige Aus- und Umbau einer umweltfreundlichen Energieversorgung in Deutschland ausgebremst … RWE war der erste Konzern, der die bei der Laufzeitverlängerung ausgehandelte Brennelementesteuer gleich wieder ausgehebelt hat. Hier wird getrickst und getäuscht: Herr Großmann und RWE haben jede Glaubwürdigkeit verspielt.“

Auch in punkto Klimaschutz habe, so der BUND weiter, das Essener Energieunternehmen so gut wie nichts zu bieten. „Der deutsche Konzern ist mit 150 Millionen Tonnen Kohlendioxid-Ausstoss pro Jahr in Europa der grösste Produzent schädlicher Treibhausgase“, beklagte der NABU-Präsident.

Am 8. April 2011 nun war es in Berlin endlich soweit: Tschimpke konnte Grossmann den Preis persönlich überreichen. „Mit Ihnen, Herr Grossmann, zeichnet der NABU einen wahren Dinosaurier der Energiepolitik aus, der aggressiv die offensichtlich nicht beherrschbare Atomkraft verteidigt, statt konstruktiv an einer ökologischen Energiewende mitzuwirken“. Worauf der Bepreiste erwiderte: „Wir wollen möglichst schnell eine Energieversorgung auf Basis regenerativer und CO2-armer Energie, ohne dabei den Industriestandort Deutschland und seine Wirtschaftskraft zu schwächen. Denn wir wollen auch sichere Arbeitsplätze und Wohlstand für möglichst alle Bürger. Zu diesem Umbau gehört, eine Phase des Übergangs mit den vorhandenen Kraftwerken zu akzeptieren. Dazu gehören vordringlich auch Investitionen in Netze und Speicher, namentlich in einen drastisch beschleunigten Netzausbau. Wir haben dafür einige Milliarden Euro zurückgelegt.“

In einem mit der Preisverleihung verbundenen Streitgespräch begrüsste der NABU die signalisierte Bereitschaft, dass nun auch RWE an einer Energiewende mitwirken wolle. „Wir haben konstruktive Konzepte vorgelegt für einen naturverträglichen Ausbau insbesondere der Netzkapazitäten und sind gesprächsbereit“, betonte Präsident Tschimpke. Er forderte RWE auf, den Worten Taten folgen zu lassen. „Tatsächlich haben die deutschen Steuerzahler die Atomkraft schon mit mehr als 200 Milliarden Euro subventioniert, und jetzt klagt RWE gegen das Moratorium der Bundesregierung, damit wir Ihnen auch noch das Abschalten bezahlen sollen.“ RWE-Chef Großmann erwiderte: „Wir klagen nicht gegen das Moratorium. Wir begrüssen die von der Politik eingeleiteten Sicherheitsüberprüfungen der Kernkraftwerke. Wir wollen jedoch gerichtlich klären, ob die rechtliche Grundlage für die Abschaltung der Kraftwerke in Biblis gegeben war. Das tun wir auch im Interesse unserer Aktionäre.“

Wie in einem Streitgespräch nicht anders zu erwarten, liess der NABU-Chef nicht locker: Mit der Klage und dem intensiven Lobbying für eine Laufzeitverlängerung, warf er Großmann vor, habe RWE den längst bestehenden gesellschaftlichen Konsens zum Ausstieg aus der Atomkraft aufgekündigt. „Zugleich gewinnt RWE bis heute lediglich fünf Prozent seiner Stromerzeugung aus Erneuerbaren Energien“, kritisierte Tschimpke. „Zudem ist die angeblich drohende Stromlücke in Wirklichkeit eine Stromlüge, an der RWE weiter strickt, statt endlich in den dezentralen Ausbau der regenerativen Energiegewinnung zu investieren.“

NABU-Präsident Olaf Tschimpke überreicht dem auch körperlich „Energie-Riesen-haften“ Hans-Jürgen Großmann den ungeliebten Preis (Bildnachweis NABU/Foto: Sebastian Sczepanski)

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