Vilborg Ìsleifsdóttir-Bickel erhält Elisabeth-Norgall-Preis
Elisabeth-Norgall-Preis 2011 des IWC an die Isländerin Vilborg Ìsleifsdóttir-Bickel verliehen
Bericht und Fotos: Renate Feyerbacher
In jedem Jahr, und das seit 1978, zeichnet der International Women’s Club of Frankfurt e.V. (IWC) im Wechsel eine Deutsche und eine Nicht-Deutsche mit dem Elisabeth-Norgall-Preis aus. Er wird an Frauen verliehen, die sich für die Belange und Nöte von Frauen und Kindern einsetzen.
IWC-Präsidentin Brigitte Biedermann, Preisträgerin Vilborg Ìsleifsdóttir-Bickel und Vizepräsidentin Maria Eugenia von Stein-Lausnitz
Die diesjährige Preisträgerin Vilborg Ìsleifsdóttir-Bickel ist Isländerin. Mit 19 Jahren kam sie 1964 zum ersten Mal nach Deutschland, studierte Germanistik in Heidelberg, kehrte nach Island zurück und wurde Deutschlehrerin an einem Gymnasium. Dann zog sie 1974 nach Wiesbaden – der Anlass: die Heirat mit dem Juristen Christian Bickel. Zwei Söhne bekamen sie. Noch einmal beginnt sie in den 1980er Jahren ein Studium in den Fächern Geschichte und Politologie an der Universität Mainz, das sie 1995 mit der Promotion abschliesst. Ihr Thema: „Die Einführung der Reformation in Island 1537-1565. Die Revolution von oben.“
Vor ein paar Tagen, am 9. März 2011, erhielt Vilborg Ìsleifsdóttir-Bickel nun den Elisabeth-Norgall-Preis 2011. Viele der 520 Damen des IWC waren zu diesem Ereignis, sozusagen dem „höchsten Feiertag“ des Clubs, in das Hotel Intercontinental Frankfurt gekommen.
Grussworte sprachen die derzeitige Präsidentin des Clubs, Brigitte Biedermann, und Stadträtin Renate Sterzel. Maria Eugenia von Stein-Lausnitz, Vizepräsidentin des Clubs, hielt die Laudatio auf die Preisträgerin. Zwei junge Musiker, die Cellisten Simon Tetzlaff, Preisträger des Bundeswettbewerbs „Jugend musiziert“, und Jacob Schwarz, beide Mitglieder des Landesjugendsinfonieorchesters Hessen, spielten ausgefallene Musikstücke.
Jacob Schwarz, SimonTetzlaff und Vilborg Ìsleifsdóttir-Bickel neben dem Porträt der Elisabeth Norgall
In ihrer Dankesrede sagte Vilborg Ìsleifsdóttir: „Seit 1945 hat hier in Europa Frieden geherrscht, und irgendwie hatte ich darauf vertraut, dass es hier in diesem Erdteil keinen Krieg mehr geben wird. Daher war ich sehr überrascht und erschrocken, als der Krieg zwischen Ethnien im ehemaligen Jugoslawien ausbrach. Ich war auch überrascht, mit welcher Grausamkeit gegenüber Frauen und Kindern vorgegangen wird.“
Zur Erinnerung: 1992 bis 1995 wütete der sogenannte Bosnienkrieg. Die Sozialistische Föderative Republik Jugoslawien zerfiel, es begannen kriegerische Auseinandersetzungen zunächst in Kroatien, Spannungen zwischen den Ethnien in Bosnien und der Herzogowina kamen hinzu, schliesslich eskalierten sie ab 1992 in einem offenen Krieg. Hunderttausend Menschenleben forderte dieser Bürgerkrieg. Er hinterliess Tausende von traumatisierten Menschen, vor allem Frauen. Die Vergewaltigung von vielen Frauen, die Brutalität gegenüber Frauen und Kindern war zum Kriegsmittel geworden.
In dieser Zeit beginnen die Aktivitäten für Vilborg Ìsleifsdóttir-Bickel und andere Frauen in Wiesbaden, die sich seit 1992 in der kleinen Bürgerinitiative „Frauen in Schwarz“ Samstag morgens zusammenfanden, um Mahnwachen zu halten. Ìsleifsdóttir-Bickel traf die Frauen, die später in Wiesbaden den BISER-Verein e.V. gründeten, und 1993 die in Wiesbaden wohnende bosnische Architektin Aida Daidzic, die an der TH Darmstadt lehrte, und um Hilfe bat: benötigt wurden Wolle, Stoffe, Stricknadeln, Häkelnadeln und ein Klavier. Daidzic hatte mit anderen Bosnierinnen in Bosnien den Verein BISER e.V. gegründet. „Biser“ heisst Träne oder Perle. Der Verein unterhielt ein Zentrum für Flüchtlingsfrauen in Zagreb und in Travnik. Viele dieser Frauen waren vergewaltigt worden und aufgrund der Brutalitäten traumatisiert. Das Modell einer Volkshochschule für Frauen mit juristischer und medizinischer Betreuung entstand. Dies war der Anlass für die „Frauen in Schwarz“, sich verstärkt in Bosnien einzusetzen. Schliesslich wurde ein BISER-Verein in Wiesbaden gegründet. Zur Zeit gibt es BISER-Vereine ausser in Wiesbaden in Sarajevo, Travnik und Tuzla.
Diese Zentren sind Begegnungsstätten für die betroffenen Frauen, viele von ihnen Witwen, in denen sie die Möglichkeit haben zu reden, Netzwerke zu knüpfen. Es gibt Wochenendseminare zu verschiedenen Themen: Frauenrechte, Gesundheit, Kindererziehung. Aber den Frauen werden vor allem Fertigkeiten vermittelt, mit denen sie sich eigene Einnahmequellen erschliessen können. Handarbeitskurse sind sehr gefragt, Alphabetisierungs-, Sprach-, Computer- und Buchhaltungskurse werden angeboten sowie eine Sekretärinnenausbildung. Lange Wartelisten entstanden.
Letztes Jahr mussten alle drei Häuser in Bosnien wegen Geldmangels geschlossen werden. Das Haus in Sarajevo konnte jetzt im Februar nochmals für vier Monate geöffnet werden. Mit dem Norgall-Preis kann nun auch das Haus Travnik wieder betrieben werden, zunächst für drei Monate.
Es ist nötig, die Frauen stark zu machen, sie zu unterstützen, denn „in Bosnien ist die Gewalt gegen Frauen auch heute weit verbreitet. Die Mafia übt grossen Einfluss aus, und Bosnien ist eine Drehscheibe für Menschenhandel und Prostitution. Wir verstehen unser Engagement auch als Präventivarbeit gegen diese Kriminalität“, sagt Vilborg Ìsleifsdóttir-Bickel.
Damals hat sie die undankbare Aufgabe übernommen, sich um die Finanzen zu kümmern. Sie hat das Land Hessen ins Boot geholt sowie den ZONTA Club Wiesbaden und isländische Frauenvereine.
Damen der IWC- Findungskommission mit der Preisträgerin und dem Bildnis von Elisabeth Norgall
Gegründet wurde der IWC 1946 von der Frankfurter Lehrerin Elisabeth Norgall (10. März 1887 – 31. August 1981). Nach einem Studium in Lausanne, Oxford und Paris war sie ab 1930 Studienrätin an der Sachsenhäuser Schillerschule und später an der Ziehenschule. Nach dem Zweiten Weltkrieg dolmetschte sie für die US-Streitkräfte. In dieser schwierigen Nachkriegszeit gründete sie zunächst einen deutsch-amerikanischen Frauenclub, aus dem später der IWC entstand. Elisabeth Norgall setzte sich für den Schülerinnenaustausch und für Sprachferien ein. Lange Jahre war sie auch Vizepräsidentin der renommierten Steuben-Schurz-Gesellschaft.
Die erste auserwählte Preisträgerin, an die die Laudatorin erinnerte, war Rosemarie Wolf-Almanasreh. Sie hatte in Frankfurt die „Interessengemeinschaft der mit Ausländern verheirateten Frauen“ (iaf) gegründet und war 20 Jahre lang deren Vorsitzende und Geschäftsführerin. Ich habe mit ihr so manches Interview für den Hessischen Rundfunk geführt. Der Verein hat sich mittlerweile zu einem interkulturellen Famienverband entwickelt und trägt heute den Namen „Verband binationaler Familien und Partnerschaften iaf e. V.“ Später war Wolf-Almanasreh Leiterin des Amtes für Multikulturelle Angelegenheiten der Stadt Frankfurt am Main.
Dreissig Jahre später erhält Schwester Monika vom Berliner „Kinderhaus Sonnenblume“ die Auszeichnung. Ich hatte die Franziskanerin, die jahrelang in Berlin-Pankow eine Suppenküche für täglich 500 Obdachlose organisierte, bereits im Jahr 2000 in ihrem Kinderhaus in Schönow nördlich von Berlin besucht. Sie hatte das erste Heim für ungewollte Kinder in der Bundesrepublik gegründet. Das Haus ist offen für schwangere Mädchen, Jugendliche und Frauen, die sich oft unter Druck gesetzt fühlen. „Das Kind auf der Schwelle“, wie Schwester Monika es vor dem Haus Sonnenblume fand, gab der Sendung im Hessischen Rundfunk den Titel. Faszinierend, wie diese Frau mutig ihren Weg ging, der ihrer Kirche sicher nicht immer genehm war. „Wenn eine Frau ihr Kind tötet, dann zeigt die ganze Gesellschaft mit dem Finger darauf … Aber einer Frau zu helfen, dass sie erst gar nicht in diese Situation kommt, darum geht es ja eigentlich, wo bleibt da die Gesellschaft? Und was ich immer schlimm finde: Eine Frau, die ihr Kind abtreibt, das ist legal. Das ist auch Leben töten. Und wenn eine Frau nach der Geburt ihr Kind tötet, da ist helle Aufregung. Das funktioniert für mich auch nicht.“
Die Damen vom IWC betreuen ehrenamtlich zwei Seniorenheime in Kronberg. Sie engagieren sich für behinderte Kinder der Frankfurter Mosaikschule, sie organisieren einen Bücherdienst für Patienten der Orthopädischen Universitätskliniken und noch vieles andere mehr.
Natürlich feiern sie auch: am 19. März veranstalten sie ihren diesjährigen grossen Freundschaftsball. Dessen Reinerlös kommt dem Verein „Innocence in Danger“ zugute.
→ Elisabeth-Norgall-Preis 2013 des International Women’s Club an Cornelia Fischer