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FeuilletonFrankfurt

Das Magazin für Kunst, Kultur & LebensArt

PETRA KAMMANN, HERAUSGEBERIN · www.feuilletonfrankfurt.de · GEGRÜNDET 2007 VON ERHARD METZ

Reisen: Myanmar / 2

Eine Reise durch Myanmar / 2

Text und Fotos: © Ingrid Malhotra

Nach der Begegnung mit dem goldenen Huhn war es tatsächlich nicht mehr weit bis zum See. Ich hatte erwartet, dass es auch hier wieder zu einem Hotel gehen würde, hoffentlich am Seeufer und hoffentlich mit einer schönen Aussicht – und hoffentlich sauber!

Aber es war hier alles ein bisschen anders. Nach der Ankunft am Seeufer wurden zuerst die Koffer und dann die Führerin und ich auf eines von unzähligen Langbooten verladen, die dort in einem Seitenarm des Sees vertäut lagen.

Langboote

Die Koffer kamen vorne in den Bug, für uns gab es zwei Stühle in der Mitte des Bootes. Kaum sassen wir, ging es los: der Motor heulte auf, das Boot bäumte sich und jagte dann los, als müsse es vor einer wilden Meute flüchten.

Hat Spass gemacht.

Nach kurzer Zeit erreichten wir den eigentlichen See, der zwar riesig gross ist, aber, wie die meisten Gewässer in Burma, nicht sehr tief.

Als eine der wichtigsten Sehenswürdigkeiten gelten dort die Fischer, weil sie ihre Ruder oder Paddel oder wie immer man die Dinger bezeichnen möchte, nicht mit den Händen führen, sondern mit einem Bein, das sie kunstvoll darum schlingen.

Fischer

Und tatsächlich, jedes Mal, wenn wir uns einem Fischerboot näherten, eilte sich der jeweilige Fischer ganz gewaltig, sein Paddel in die Senkrechte zu bringen und ein Bein drum herum zu wickeln – dem Ruf musste Genüge getan werden.

Und dann kamen wir zum Hotel – also, das war nun wirklich atemberaubend. Eine grosse Anlage im See mit einem stattlichen Haupthaus, wo sich Rezeption und Restaurant befanden und davon ausgehend lange Stege, die zu kleinen Bungalows führten, in denen die Zimmer und Appartements eingerichtet waren. Jedes Haus hatte seinen eigenen kleinen Anlegesteg. Die Zimmer waren wunderschön eingerichtet – hier hätte ich gerade bleiben mögen.

Hotel ⇑  ⇓ Mein Zimmer

Zum Glück war der Aufenthalt am Inle-See verhältnismässig lang, weil es dort enorm viel zu sehen gibt.

Das fängt schon im See selbst an: grosse Dörfer, ganz auf Pfählen errichtet.Unter den Häusern spielen die Kinder auf Plattformen; es gibt Schulen, Rathäuser, Handwerksbetriebe, elektrischen Strom und schwimmende Gärten! Die Gärten schwimmen tatsächlich, es handelt sich um Ansammlungen von alten Wurzeln und Pflanzenresten, die genug Tiefe haben, um darauf Gemüse und Blumen anzubauen – für Obstbäume reicht es nicht so ganz, aber immerhin!

Pfahldorf ⇑   ⇓ Schwimmende Gärten

Die einzelnen Beete sind zwei bis vier Meter breit, stabil genug, um auch Menschen zu tragen; dazwischen fahren Boote – ob es in Unteruhldingen auch so aussah, als dort noch Menschen wohnten?

Hier begegnen mir auch die Kollegen des goldenen Huhns, die auf ihren Festbarken geblieben sind. Meine Führerin erzählt, dass an hohen buddhistischen Feiertagen Bootsprozessionen über den See ziehen.

Goldenes Huhn

Aber zunächst geht es wieder an Land in einen berühmten Tempel, namens Phaungdaw Oo Pagoda. Hier gibt es fünf überaus heilige Buddha-Statuen. Sie sind so heilig, dass man ihre Form nicht mehr annähernd erkennen kann, weil sie so dick mit Blattgold belegt sind – und jeden Tag kommt mehr dazu.

Phaungdaw Oo Pagoda Sehr heilige Buddhas

Aber nur Männer dürfen ihnen Gold anpappen – die Statuen sind nämlich auch so heilig, dass Frauen sie nur aus der Ferne bewundern und anbeten dürfen!

Dann gibt es rund um den See auch viele Handwerksbetriebe, in denen man zuschauen kann, wie auf uralte Art Dinge hergestellt werden: Schmuck, Buddhas und Gebrauchsgegenstände aus Silber,wunderschöne Seidenwebereien, Papier aus alten Stoffresten, Gewebe aus Lotusfasern, Boote.

Papierherstellung ⇑  ⇓ Bootsbau

Und alles wird vor Ort hergestellt: das Garn für die Seidengewebe wird im Betrieb gesponnen und gefärbt, die Bretter für die Boote werden aus Wäldern in der Nähe gewonnen, die Farben für die Papiergegenstände werden aus Pflanzen und Erden in der nahen Umgebung hergestellt – auch die Silberminen sind nicht weit weg.

Ach ja, und es gibt auch noch ein Kloster, wo ein Mönch Katzen dressiert hat, durch einen Reif zu springen – das überwiegend amerikanische und japanische Publikum war hingerissen …

Und am Inle-See war es dann auch, wo ich einen Five Day Market besuchen konnte. Am Ufer drängten sich die Langboote, durchaus nicht nur mit Touristen. Der Markt hat zwar auch eine touristische Ecke, aber in erster Linie dient er der Versorgung der Einheimischen.

Markt

Abends ein wunderbar stimmungsvoller Sonnenuntergang, den ich von meiner Terrasse aus im bequemen Liegestuhl verfolge.

Am nächsten Morgen sitze ich nach dem Frühstück auf meiner Terrasse und geniesse die himmlische Ruhe,

Morgenstimmung

als diese plötzlich durch einen Höllenlärm unterbrochen wird. Ich dachte, irgendetwas wäre passiert und wollte mich gerade auf den Weg zum Haupthaus machen, als ich die Ursache erkannte und mich wieder beruhigt in meinen Liegestuhl sinken liess: es war nur eine Gruppe italienischer Touristen, die ihre Boote bestiegen.Etwas später trieb ein Boot vorüber, in dem ein gelangweilter junger Japaner mit rotgefärbten Haaren sass – ich habe ihn in den folgenden Tagen immer wieder angetroffen, und er wirkte immer gelangweilt …

Dann kam mein Boot, ich stieg ein und es ging los zu einem unvergesslichen Ausflug. Erst ging es mit vollem Karacho quer über den See, dann in einen kleinen Fluss, der den See speiste – hier kreuzten wir zwischen badenden Wasserbüffeln

und Kindern, die gewaltige Wasserschlachten veranstalteten, um schliesslich an einem kleinen Anlegesteg anzukommen. Hier war ein weiterer Platz für den Five Day Market vorbereitet, aber auch hier war es der falsche Tag.

Unser Weg führte jetzt durch einen ausgedehnten Bambushain, zu einer kleinen Staustufe, wo die Kinder der Umgebung ganz klar erkannt hatten, dass dies eine perfekte Wasserrutsche war, während ihre Mütter die Wäsche erledigten.

Bambushain

Ich wusste nicht so recht, was ich erwarten sollte, denn die Führerin hatte sich weitgehend in Schweigen gehüllt. Ich wusste, dass es eine Pagode geben sollte und dass sie etwas ganz Besonderes sei – aber warum? Fürchterlich heilig? Besonders heftig vergoldet? Es ging durch einen überdachten Gang, und am Ende wartete nicht eine Pagode, sondern ein riesiges Pagodenfeld – Pagoden in allen Grössen und in den unterschiedlichsten Stadien des Verfalls. Die Anlage stammt aus dem 13. Jahrhundert, und ich bin stundenlang von Pagode zu Pagode gestolpert – unglaublich!

In einer ganzen Reihe der Pagoden war trotz des äusseren Verfalls das Innere noch erstaunlich gut erhalten. Manchen sah man auch an, dass sie noch gepflegt wurden. Andere sind total windschief und werden allmählich überwuchert. Es gibt hier so vieles zu sehen, was man erst einmal versuchen muss zu verstehen, so dass ich emotional ziemlich erschöpft war, als wir endlich an die Staustufe zurückkehrten und die Wirtin, die sich dort gelegentlicher Gäste annahm, uns einen Imbiss zubereitete.

Jetzt galt es nur noch, ein paar Handwerksbetriebe zu besichtigen und fasziniert zu lauschen, wenn berichtet wurde, wie sozial doch alles ist und dabei die Arbeitsbedingungen vor Augen zu haben – aber andererseits wäre es vielleicht doch falsch, sie mit den Bedingungen hier zu vergleichen: die Frauen und Männer, die dort fröhlich schwatzend für einen Hungerlohn ihre Arbeit verrichteten, waren zufrieden. Sie verdienten genug, um für sich und ihre Familien das anspruchslose Leben zu finanzieren, das sie gewohnt waren, sie arbeiteten gerne und gut, und sie wollten allem Anschein nach nicht mehr als das.

Buddhaproduktion

⇒ ⇒ ⇒ Reisen: Myanmar / 1

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