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FeuilletonFrankfurt

Das Magazin für Kunst, Kultur & LebensArt

PETRA KAMMANN, HERAUSGEBERIN · www.feuilletonfrankfurt.de · GEGRÜNDET 2007 VON ERHARD METZ

Felix Gonzalez-Torres: Retrospektive im Museum für Moderne Kunst Frankfurt am Main (1)

„Specific Objects without Specific Form“

so lautet der Titel der Retrospektive auf das einzigartige Œuvre von Felix Gonzalez-Torres im Frankfurter Museum für Moderne Kunst MMK, die am heutigen Freitag eröffnet wird.

Bei der Ausstellung handelt es sich um eine Kooperation zwischen dem Brüsseler  WIELS Contemporary Art Centre, der im schweizerischen Riehen ansässigen Foundation Beyeler, der Felix Gonzalez-Torres Foundation in New York und dem MMK. Kuratoren der Ausstellung sind Elena Filipovic, 1972 in Los Angeles geboren, und der 1976 in London geborene deutsch-britische Künstler Tino Sehgal. Die organisatorische Leitung liegt MMK-seitig bei dessen Sammlungsleiter Mario Kramer.

Gonzalez-Torres wurde 1957 in Guáimaro auf Cuba geboren. Über Madrid reiste er 1971 nach Puerto Rico. Er schloss dort das College ab und studierte an der Universität. 1979 zog er nach New York und setzte sein Studium am Pratt Institute in Brooklyn fort, das er 1983 mit dem Bachelor of Fine Arts abschloss. Im gleichen Jahr lernte er seinen Lebenspartner kennen,  mit dem er bis zu dessen Tod 1991 verbunden blieb. 1987 wurde Gonzalez-Torres als Master of Fine Arts Dozent an der New York University, wo er sich mit dem Thema „Social landscape“ befasste.

Es folgten Einzelausstellungen in New York, 1990 erstmals in der Andrea Rosen Gallary, die heute seinen Nachlass verwaltet. Im gleichen Jahr zeigte er seine erste Bonbon-Installation. Am California Institute of the Arts in Valencia veranstaltete er Seminare „AIDS and its representations“ und „Social landscape“. Er nahm an Whitney-Biennalen teil und stellte in Berlin, Brüssel, Mailand, Stockholm, Wien und Paris aus. Das Museum of Modern Art MoMa begann, mehrere seiner Installationen zu erwerben. 1994 folgten grosse Ausstellungen seiner Arbeiten in Los Angeles, Washington und Chicago. 1995 zeigte das New Yorker Guggenheim-Museum eine erste umfassende Werkschau. Die Ausstellung reiste nach Santiago de Compostela und Paris.

Anfang Januar 1996 verstarb Gonzalez-Torres im Alter von 38 Jahren an den Folgen seiner AIDS-Erkrankung.

Die Rezeptionsgeschichte seines Werkes führte seitdem über Hannover, St. Gallen und Wien sowie über Bogotá, Dublin, Caracas und Sao Paulo. Es folgten Ausstellungen in London sowie in Mailand und parallel in zahlreichen Städten rund um den Globus. 2007 repräsentierten Arbeiten von Gonzalez-Torres die USA auf der Biennale von Venedig.


MMK-Pressekonferenz, im Schein Gonzalez-Torres’scher Glühbirnenketten: Direktorin Susanne Gaensheimer (mitte), Elena Filipovic und Mario Kramer (Foto: FeuilletonFrankfurt)

Das MMK zeigt jetzt rund 50 Arbeiten aus dem einflussreichen, bis heute für die nachfolgenden Künstlergenerationen wegweisenden Œuvre des Künstlers, darunter die weltweit bekannten Glühlampen-Girlanden und die Bonbon-Installationen. Wir möchten heute eine der letzteren vorstellen.

Das Material, für die Besucher der Ausstellung zum mitnehmen: Bonbons in den Farben des „Sternenbanners“ (Stars and Stripes); Foto: FeuilletonFrankfurt

Felix Gonzalez-Torres, Installationsansicht MMK, „Untitled“ (USA Today, 2), 1990 , ca. 136 kg Bonbons einzeln verpackt, Museum of Modern Art, New York, © The Felix Gonzalez-Torres Foundation, Courtesy of Andrea Rosen Gallery, New York; Foto: FeuilletonFrankfurt

Gonzalez-Torres‘ Installationen folgen zwar der Strategie der Konzeptkunst und des Minimalismus, sie sind jedoch – weit darüber hinaus seinen eigenen künstlerischen Weg verfolgend – von überaus grosser Schönheit und Sinnlichkeit. Gegenstand seiner Kunst ist im Letzten fast immer der Mensch, ohne dass er diesen jedoch abbildet oder in irgend einer Weise klassifiziert. Seine Lichterketten aus 15 Watt-Birnen entsprechen beispielsweise der Wärme, die von einem menschlichen Körper ausgeht. Ein aufgeschütteter Hügel von Bonbons kann dem Körpergewicht eines Freundes zum Zeitpunkt dessen Todes entsprechen.

Es liegt dabei in der Absicht des Künstlers, dass der Betrachter Bonbons aufhebt und mitnimmt. Der Bonbonhügel verändert sich, wird kleiner und kann am Ende gänzlich verschwinden, eine Metapher für das unausweichliche Ende menschlichen Lebens, sicher auch ein Verweis des Künstlers auf seinen eigenen, früh erwarteten Tod. Zugleich aber erfüllt sich auf diese Weise, mit dem aktiven Handeln des Betrachters in unmittelbarem Bezug auf das künstlerische Werk, dessen zwischenmenschliche, sinnliche Beziehung zum Künstler.

Felix Gonzalez-Torres, Installationsansicht MMK, „Untitled“ (USA Today), 1990 , ca. 136 kg Bonbons einzeln verpackt, Museum of Modern Art, New York, © The Felix Gonzalez-Torres Foundation, Courtesy of Andrea Rosen Gallery, New York; Foto: FeuilletonFrankfurt

FeuilletonFrankfurt wird in weiteren Beiträgen auf die Ausstellung zurückkommen.

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