Claus Richter weist den Weg zur Kunst?
Wo bitte geht’s hier zur Kunst? Oder sind wir schon mittendrin?
Weist uns Claus Richter mit seiner Installation im MMK-Zollamt – Teil einer Aktion mit dem sperrig-mühsamen Titel „New Frankfurt Internationals: Stories and Stages“ – den Weg zur Kunst, oder ist dieser Weg nicht, wie man so sagt, das Ziel selbst?
Richter installiert im Eingangsbereich der MMK-Dependance Zollamt ein Gewirr von auf Ständern montierten Hinweisschildern, ergänzt um mit Leuchtrahmen versehene, verglaste, mitunter etwas schräg an Wänden und Säulen aufgehängte plakative Tafeln. Nur auf den flüchtigen Blick scheinen die Schilder und Tafeln werbliche Hinweise auf die Präsentation der Künstlerinnen und Künstler zu enthalten, die sich nachfolgend im grossen Ausstellungsaal öffnet, bewusst in einer antiquierten Reklamesprache des 19. und der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, wie man sie vor Zirkuszelten und Jahrmarktsbuden, Rummelplätzen, Varietés und Schaustellungen allerlei Art antreffen konnte und auch heute noch antreffen kann. Wo Sensationen und Illusionen gehandelt werden, wo Kulissen und Kostüme den in Wirklichkeit wenig glitzernden Alltag verbrämen. Antiquiert und den genannnten Veranstaltungen entsprechend erscheint auch die optisch-formale Gestaltung von Tafeln und Schildern.
Durchaus amüsiert also und der wachhabenden Dame vom MMK ein Augenzwinkern schenkend betreten wir die Halle. Denn natürlich ist der Richtersche Schilderwald selbst bereits eines der frappierendsten Werke, auf die wir im Zollamt stossen. Mit seiner intelligenten, humorvollen wie listig-hintersinnigen, den Eintretenden sofort in Anspruch nehmenden Arbeit gelingt Richter eine Gratwanderung, die manche Befindlichkeiten von – vor allem kontemporärer – Kunst wie von Künstlertum aufscheinen lässt: von Selbstbewusstsein und Selbstgewissheit einerseits bis hin zu Ironie und kritischem Selbstzweifel andererseits scheint sich der Bogen zu erstrecken. Bei allem hinterfragt sie die Situation des Besuchers und Betrachters – will sagen dessen Erwartungshaltung – ebenso wie die Eitel- und Selbstgefälligkeiten dessen, was wir Kunstbetrieb nennen.
Bemerkenswert die Gewandtheit und Leichtigkeit, mit der sich Richter des Worthülsen-Arsenals der Schein- und Unterhaltungswelt bedient, wie er zugleich deren Botschaften ihrer Inszenierung und Illumination entkleidet und in ihrer Banalität entlarvt. Und am Ende mag vielleicht eine Sehnsucht aufkeimen: nach dem Wesentlichen und Echten, nach Einkehr und Vergewisserung.
„Bedeutende Meisterwerke“, das „Beste vom Besten“, „Antworten auf alle Fragen“, die „beste Kunstschau der Stadt“: Liebe Leserinnen und Leser, gehen und sehen Sie selbst!
Claus Richter, 1971 in Lippstadt geboren, studierte an der Hochschule für Gestaltung HfG, Offenbach. Er lebt und arbeitet in Köln und ist Träger zahlreicher Preise und Stipendien.
Ausstellungsansichten: Claus Richter, Details einer Installation, 2010, Digitaldruck, verschiedene Formate, Courtesy the Artist und Galerie Eva Winkeler, Köln; Fotos: FeuilletonFrankfurt