Robert und Clara Schumann – eine Ausstellung im Frankfurter Holzhausenschlösschen
Von Erhard Metz
Kann es einen schöneren Ort für eine Ausstellung über Robert und Clara Schumann geben als das Frankfurter Holzhausenschlösschen? Wohl kaum. Und wo Schlösschen stehen, das wissen wir aus Kindertagen, da sind Märchen nicht weit, mit Prinzen und Prinzessinnen und all der am Ende, wenn – anders als im wirklichen Leben – die Guten über die Bösen gesiegt haben, immer schönen heilen Märchenwelt.
Und wie sah es im Leben der Schumanns aus? War es ein Märchen, das glücklich endete?
Es ist im August des Jahres 1828, als der knapp 18jährige angehende Student der Rechtswissenschaften Robert Schumann bei Friedrich Wieck Klavierunterricht nimmt. Schon vier Jahre zuvor hatte der gestrenge, nach der Trennung von seiner Frau alleinerziehende Vater Wieck das Genie seiner fünfjährigen Tochter Clara entdeckt und begonnen, ihr einen stringenten und systematischen Klavierunterricht zu erteilen. Das in sich gekehrte Mädchen – wohl erst mit vier Jahren hatte Clara das Sprechen erlernt – tritt bereits im Herbst 1828 als neunjähriges „Wunderkind“ im Leipziger Gewandhaus in seinem ersten öffentlichen Konzert auf. Im Alter von zwölf Jahren konzertiert es zum ersten Mal in Frankfurt am Main.
1830 „schmeisst“ Robert das ungeliebte Jura-Studium in Leipzig und Heidelberg hin, tritt als Pianist auf und beschliesst, Musiker zu werden. Doch es kommt anders: Er übt zu verbissen und unsachgerecht das Klavierspiel, nach einer Sehnenscheideentzündung verkrüppelt der Mittelfinger seiner rechten Hand. Seine Laufbahn als Pianist ist zu Ende, noch ehe sie richtig begann. Robert beginnt zu komponieren.
Ob Robert und Clara schon im Sommer 1828 im Hause Wieck, in das Robert in freundschaftlicher Verbundenheit Zutritt erhält, aufeinander aufmerksam wurden? 1833 jedenfalls verspüren die beiden gegenseitige Zuneigung. Spätestens 1836 wird aus Zuneigung Liebe, und Robert macht Clara einen Heiratsantrag. Doch Claras strenger, ja diktatorischer Vater, allein auf die künstlerische Karriere der Tochter bedacht, lehnt eine Verbindung der beiden kategorisch ab. Robert und Clara treffen sich heimlich, schreiben sich „Brautbriefe“, planen eine gemeinsame Übersiedelung nach Wien, während Clara auf ihren Konzertreisen grosse Erfolge als Pianistin und auch Komponistin feiert. 1839 klagt Robert beim Appellationsgericht in Leipzig erfolgreich die Eheschliessung mit Clara gegen den Willen ihres Vaters ein, die Freundschaft der Männer zerbricht.
Unbekannter Künstler: Robert Schumann als Student (1830)Farbige Miniatur auf Elfenbein, Heidelberg 1830; 6,7 x 5,4 cm. Heinrich-Heine-Institut; Düsseldorf, Akz.-Nr. 80.7011
Eduard Clemens Fechner: Clara Wieck als Zwölfjährige, Lithographie von Lemercier nach einem Gemälde von Eduard Clemens Fechner (1799 – 1861), Paris 1832; 25 x 18,5 cm; Robert-Schumann-Haus Zwickau, Archiv-Nr. 1046-B2
Mitte September 1840 heiraten Robert und Clara, ein Jahr später kommt ihre Tochter Marie zur Welt. Alles scheint auf eine Zeit des Glückes hinzudeuten, doch Robert leidet an wiederholten Nervenkrisen. Konzertreisen führen Clara durch Europa, es werden die Töchter Elise und Julie sowie die Söhne Emil – er stirbt im darauffolgenden Jahr -, Ludwig und Ferdinand geboren. 1850 zieht die Familie nach Düsseldorf, wo Robert, erfolgreicher Komponist, Musikdirektor wird. Doch rasch verstärken sich seine gesundheitlichen Krisen, die Düsseldorfer Musikalische Gesellschaft fordert seinen Rücktritt. 1851 kommt Tochter Eugenie zur Welt, 1854 Sohn Felix; Clara setzt ihre umfangreichen Konzerttourneen fort, die das Geld in die Familienkasse bringen. Robert, im Schatten des Ruhmes, der seiner Frau zuteil wird, leidet unter dieser Situation.
Anfang März 1854 wird Robert Schumann nach einem Selbstmordversuch in die Heil- und Pflegeanstalt Bonn-Endenich eingewiesen, wo er Ende Juli 1856 stirbt; zwei Tage vor seinem Tod hatte Clara ihn besucht.
Clara Schumann konzertiert als Klaviervirtuosin in ganz Europa. Inwieweit sie die Zuneigung von Johannes Brahms erwidert, ist unklar, jedoch verbringt sie mit ihm einen Urlaub und eine gemeinsame Zeit in ihrer Düsseldorfer Wohnung. 1878 übersiedelt sie nach Frankfurt am Main, geht weiter auf Konzertreisen, erteilt Unterricht und ediert Roberts Schriften und Kompositionen. Fast genau 40 Jahre nach seinem Tod, Ende Mai 1896, stirbt sie in Frankfurt am Main. Zuvor waren ihre Kinder Julie, Felix und Ferdinand gestorben; Sohn Ludwig war in die Irrenanstalt Colditz eingewiesen worden.
Wir sehen: Märchen enden zumeist anders.
Jean-Joseph Bonaventure Laurens: Robert Schumann, Kolorierte Zeichnung auf mittelbraunem Karton; eigenhändige Widmung von Robert Schumann: „Hrn. Laurens / zum Andenken in Werthschätzung / von Robert Schumann“, Herbst 1853; 31 x 23 cm; Heinrich-Heine-Institut Düsseldorf, Archiv-Nr. 90.5012 B
Franz von Lenbach: Clara Schumann, Pastellbild, 1878; 75 x 57 cm; Robert-Schumann-Haus Zwickau, Archiv-Nr. 10741-B2
„Psychologisch-psychiatrische Annäherung an ein Genie“
So überschrieb Professor Stephan Volk seinen Vortrag, den er im Rahmen der Schumann-Ausstellung hielt. Der Psychiater, Psychotherapeut, Schlafforscher und Spezialist für Angst- und Zwangsneurosen war zunächst zehn Jahre lang leitender Oberarzt der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie II am Universitätsklinikum Frankfurt am Main, zwischenzeitlich Chefarzt und Ärztlicher Direktor der Fachklinik in Hofheim und wurde 2001 zum Professor seiner Fachgebiete an der Universität Frankfurt ernannt.
Professor Volk begeistert sich vor allem für die Musik der Romantik. So lag es nahe, sich mit der psychischen Verfasstheit des Komponisten intensiv zu beschäftigen. Das taten schon viele seiner Kollegen.
Robert Schumann, der vor 200 Jahren als jüngstes von fünf Kindern in Zwickau zur Welt kam, war als Schüler aktiv, durchsetzungsfähig und ein Organisationstalent. Das änderte sich im 14. Lebensjahr. Zwei Jahre später starben der geliebte Vater, und die 14 Jahre ältere Schwester Emilie, die eine entstellende Hautkrankheit hatte und an schwerer Depression litt, nahm sich das Leben. Ein prägendes Ereignis, das sich in seiner Psyche niederschlug.
Professor Volk spricht auch über die Mär, Schumann sei an den Spätfolgen einer Syphilis gestorben. Ganz anders sei es gewesen. Beim ersten sexuellen Kontakt sei es beim Einundzwanzigjährigen zu einem Einriss in die Penisvorhaut gekommen.
Schumann meidet mehr und mehr den Kontakt mit Menschen. Der Tod seines Bruders und seiner Schwägerin 1833 bewirkt eine erste schwere Krise mit Angstzuständen, Schlafstörungen und Suizidgedanken. Diese Krisen werden immer wiederkehren.
Inwieweit Alkoholmissbrauch eine Rolle in Schumanns Krankengeschichte spielt, ist sehr umstritten. Professor Volk erwähnt die Thesen des emeritierten Kölner Direktors des Instituts für Neurologie, Professor Uwe Hendriks Peters, der ein Buch geschrieben hat (2010), das die Gemüter von Schumann-Forschern empört. Peters behauptet, dass Alkoholabhängigkeit der letzte Grund für Schumanns Einweisung in die Pflegeanstalt gewesen sei. Der Komponist sei keineswegs geisteskrank gewesen. Er sei quasi abgeschoben und eingesperrt worden. Diese Anschuldigungen richten sich gegen Clara Wieck, Schumanns Frau. Tatsache ist, dass sie ihren Mann zweieinhalb Jahre nicht in der Bonner Klinik besuchte.
Schumann ein Musterbeispiel für „Genie und Wahnsinn“?
Der Musikwissenschaftler Gerd Nauhaus, Herausgeber der Tage- und Haushaltsbücher Robert Schumanns und Vorsitzenden der Robert-Schumann-Gesellschaft Zwickau, und der Schumann- und Brahmsforscher Michael Struck widersprechen den Thesen von Peters. Es gebe nicht den kleinsten Anhaltspunkt für alkoholische Exzesse, schreibt Nauhaus.
Die diagnostischen Urteile über Robert Schumann reichen von Psychoneurose zu Psychopathie mit Stimmungsanomalien. Sie sprechen von Schizophrenie, von manisch-depressiver Erkrankung und, wie erwähnt, von Syphilis.
Die Schriftstellerin Bettina von Arnim, die ihn besuchte, hielt ihn für gesund, auch Johannes Brahms und der Geiger Joseph Joachim sprachen von Unauffälligkeit.
Am ehesten, so Professor Volk, sei von einer „sich wiederholenden depressiven Erkrankung“ auszugehen. Aber auch er erwähnt den Alkoholmissbrauch, der die psychischen Probleme, die auch durch die ehelichen Spannungen entstanden, vertieft habe. Von nächtlicher Unruhe, Schlafstörungen, Schreien, Halluzinieren ist die Rede.
Renate Feyerbacher
Die noch bis zum 30. Januar 2011 währende Ausstellung im Holzhausenschlösschen, eine gemeinsame Veranstaltung der Robert-Schumann-Gesellschaft Frankfurt am Main und der Frankfurter Bürgerstiftung im Holzhausenschlösschen, kompetent wie liebevoll von Ulrike Kienzle kuratiert, begleitet das Leben des Künstlerpaares. Zwar hielt sich Robert Schumann nur wenige Tage in Frankfurt auf, jedoch erfuhr er dort 1830 in seiner Begegnung mit „Teufelsgeiger“ Niccolò Paganini den entscheidenden Impuls, das juristische Studium zugunsten der Musik aufzugeben. Clara hingegen verbrachte fast die zwei letzten Jahrzehnte ihres Lebens in dieser Stadt, in der Myliusstrasse 32. Eine Gedenktafel an dem Haus erinnert daran.
In sechs Stationen schildert die sehenswerte Ausstellung die schicksalhaften Beziehungen von Robert und Clara Schumann zur Stadt Frankfurt: in Porträts der beiden Künstler, in Autographen (Skizzenbüchern und Briefen), Frankfurter Stadtansichten, Bildnissen von Persönlichkeiten, denen sie hier begegnet sind, dokumentarischen Materialien und schliesslich mittels einiger persönlicher Gebrauchsgegenstände von Clara Schumann.
Kleid von Clara Schumann; schwarzes Seidentaft-Kleid im Empire-Stil mit eingenähtem Mieder, das mit Haken und Ösen zu schliessen ist. Tief eingesetzter Ärmel mit eng eingereihten kleinen Rüschen. Falten von der Schulter laufen unter der Brust zusammen. Der weite Rock ist am Saum mit 10 cm leinenähnlichem Stoff gegengefüttert; Gesamtlänge des Kleides: 145 cm. Weite des Rockes: 360 cm. Ärmellänge: 58 cm; Privatsammlung, Wiesbaden; Foto: Annette Hornischer
Robert Schumann: Skizzen zu den Variationen über das „Glöckchenthema“ von Paganini; Skizzenbuch, 4 Seiten, Oktober 1831; Universitäts- und Landesbibliothek Bonn, Archiv-Nr. Schumann 17 (Skizzenbuch V der ehemaligen Slg. Wiede)
Er ist der unbestrittene „Star“ der Ausstellung: Clara Schumanns Flügel aus dem Jahr 1879, noch heute sehr gut spielbar, auf einem Podest in der Mitte des Saales.
Clara Schumanns Flügel, Pianoforte von Grotrian, Helfferich, Schulz, Th. Steinweg Nachf., Braunschweig 1879, Fabriknummer 3848, schwarz poliertes Mahagoni, 145 x 204 x 97 cm, Städtisches Museum Braunschweig (Museumsfoto)
Ein Höhepunkt ist auch der die Ausstellung begleitende „Katalog“ in Gestalt eines reich bebilderten, bibliophilen Buches (Verlag Waldemar Kramer), in dem sämtliche Exponate fotografisch abgebildet und beschrieben sind.
Ausstellung „Robert und Clara Schumann in Frankfurt“, zu sehen noch bis 30. Januar 2011 im Holzhausenschlösschen.
(Bildnachweis: Holzhausenschlösschen)