Nicht nur auf den Hund gekommen: Sergej Jensen und seine „Dog Show Painting Show“
Im Frankfurter Portikus läuft eine Ausstellung, die uns nicht wenig erstaunen und rätselraten lässt. „Dog Show Painting Show“ heisst sie. Da sind die Wände der grossen Halle mit Gemälden – oder auch Nicht-Gemälden – behängt, und dann öffnet sich hinter einem Raumteiler ein Kuriositätenkabinett, in welchem wir buchstäblich auf den Hund kommen. Wie mag sich das zusammenreimen?
Hat da Loriots berühmte Cartoon-Serie „Auf den Hund gekommen“, über die wir früher so herzhaft gelacht haben, dass uns stechender Bauchschmerz auf’s (Lorio)Sofa warf, ein wenig Pate gestanden?
Und in der Halle Karges bis Minimalistisches mit zum Teil geschlitzten Leinwänden, kennen wir doch alles schon, von Lucio Fontana und manchen anderen (Kielwasserschwimmern), könnte der unbefangene Besucher sagen, alles also nur ein Scherz, eine Farce? Auch die Kombination von Halle und Kabinett?
Erst das Leichtere oder das Schwerere? Aber was, wenn das vermeintlich Leichte schwer ist? Fangen wir also, wir lösen ja doch nicht die Frage, mit den Hunde-Menschen (oder Menschen-Hunden) an.
(Fotos 1 – 7: FeuilletonFrankfurt)
Jetzt hilft nur noch der legendäre Sprach-Genius Ernst Jandl:
„ottos mops
ottos mops trotzt
otto: fort mops fort
ottos mops hopst fort
otto: soso
otto holt koks
otto holt obst
otto horcht
otto: mops mops
otto hofft
ottos mops klopft
otto: komm mops komm
ottos mops kommt
ottos mops kotzt
otto: ogottogott“
In einigem Grübeln darüber das Kabinett verlassend, wie nun sich das alles zusammenfügen mag (oder auch nicht), was wir im Haus auf der Maininsel zu sehen bekommen, hilft uns zunächst die Einsicht, dass es sich bei Sergej Jensen durchaus um einen All-in-one-Künstler handelt, dessen Arbeit die Malerei ebenso umfasst wie Performance und Installation und nicht zuletzt die Musik – am 14. Januar 2011, 20 Uhr, ist er im Portikus mit Oliver Husain und Claus Richter als Ensemble „Ye Olde Rope“ zu hören (klingt irgendwie nach old Europe, oder?).
Jensen, in der internationalen Kritik ein hoch gehandelter Künstler – viele sehen in ihm einen „Maler der Stunde“ – zählt zu den „jüngeren Vertretern der zeitgenössischen Malergeneration“, wie der Portikus schreibt. So mag es nicht von ungefähr kommen, dass ihm das renommierte PS1 im New Yorker Museum of Modern Art MoMA jetzt (23. Januar bis 2. Mai 2011) eine Einzelausstellung widmet. Und die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung hatte Ende November 2010 Niklas Maak („In seinen Bildern schreibt Jensen die Geschichte der abstrakten Kunst um – und setzt sie fort“) immerhin eine vollständige Seite für eine Laudatio auf den Künstler eingräumt (mit einer etwas distanzierenden Erwiderung von Michael Hierholzer im gleichen Blatt eine Woche später). Und auch der Rundfunk-Kritiker Rudolf Schmitz ist ein wenig skeptisch: „Ich hatte das Gefühl, ich bin in einem Dornröschenschloss und alles ist eingeschlafen und alles ist schon vorbei.“
Wenn wir anfangs von Gemälden und Nicht-Gemälden sprachen, so hat es damit seine Bewandnis: Jensen arbeitet vielfach mit der Materialität seiner Objekte, mit Leinwand, Jute, Stoffen oder Teilen von Textilien aller Art, die er vernäht oder verklebt. Pigmente, Diamantstaub, Nagellack, Garne, Wollfäden oder auch Bleichmittel setzt er als malerische Mittel ein. Seine Werke setzt er oft über Monate oder Jahre hinweg der Witterung, also Sonne, Wind und Regen aus. „Organische Materialien, wie der Künstler sie gerne verwendet, verändern sich mit der Zeit – ein Aspekt, der in Jensens Arbeit eine zentrale Rolle spielt. Die Spuren des Vergänglichen werden in seinem Werk zur malerischen Geste. Seine Gemälde sind somit nie purer, formalistischer Ausdruck künstlerischen Schaffens, sondern immer auch eigenständige Organismen, die sich teils selbst entwickeln“, verlautet es aus dem Portikus. Reflex auf die „alte“ Moderne, Zitate, Fortschreibungen?
(Ausstellungsansichten; Fotos: Portikus, Katrin Schilling [oben, unten]; FeuilletonFrankfurt [mitte])
Sergej Jensen, 1973 im dänischen Maglegaard geboren, studierte an der Staatlichen Hochschule für bildende Künste – Städelschule – bei Professor Thomas Bayrle. Er stellte unter anderem in Bergen, Braunschweig, Bremerhaven, Brüssel, Dublin, Malmö, München, New York und Sao Paulo aus. Jensen lebt und arbeitet überwiegend in Berlin und New York.
Die Ausstellung im Portikus – Teil der Reihe „MainWerk“ in Zusammenarbeit von Stiftung Polytechnische Gesellschaft, Städelschule und eben Portikus – ist noch bis zum 16. Januar 2011 zu sehen.