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FeuilletonFrankfurt

Das Magazin für Kunst, Kultur & LebensArt

PETRA KAMMANN, HERAUSGEBERIN · www.feuilletonfrankfurt.de · GEGRÜNDET 2007 VON ERHARD METZ

„Outsider from Costa Bernstein“ in der Frankfurter Heussenstamm-Galerie

Dagmar Priepke und Costa Bernstein eröffnen in der Heussenstamm-Galerie die Ausstellung „Outsider from Costa Bernstein“

„Der wahrscheinlich einzige Unterschied zwischen der Kunst von Menschen mit Beeinträchtigungen und jener von anderen Künstlern besteht in einer anderen Sicht von Innen- und Aussenverhältnis. Während für die Künstler der Praunheimer Werkstätten ihre Kunst dominant eine Ausdrucksmöglichkeit ist, ihr Verhältnis zur Welt und ihre ganz subjektive Sicht der Realität zu zeigen, reflektieren die anderen Künstler mit Hilfe ihrer Werke die Welt als wahrnehmungsabhängig, also die sich historisch ändernden Bedingungen, wie wir Welt überhaupt sehen und verstehen können. Das setzt eine intellektuelle Distanz voraus … Das ‘Da-Sein’ und das ‘So-Sein’ sind different. Bei den Bildern der hier vorgestellten Künstler fallen diese Kategorien in eins … Wobei das ‘Da-Sein’ und ‘So-Sein’ unabhängig von dem gewählten Abstraktionsgrad der Darstellungen identisch ist … Keinem der Künstler geht es um ‘Wirkung’, um ein ‘Beeindrucken’ der Betrachter, sondern um den Ausdruck ihrer eigenen Befindlichkeit. Dies ist aber mindestens so authentisch, wenn nicht authentischer als das, was wir als sogenannte Kunsthandels-Kunst bezeichnen.”

Wir zitieren noch einmal aus einem Beitrag von Anne Meseure, den wir bereits in unseren Bericht über die Ausstellung „Bilder, die bewegen: Künstlerinnen und Künstler der Praunheimer Werkstätten“ eingeflochten hatten.

Und Günther Gercken schreibt: „Nicht die Bedingungen der Hervorbringung entscheiden darüber, ob eine künstlerische Arbeit die Kraft zum Eigenleben hat, die Erfindung einer bedeutungsvollen Formensprache macht den Bildcharakter des Kunstwerks aus.“

Wie unser Eingangszitat verrät, knüpft die aktuelle Ausstellung in der Frankfurter Heussenstamm-Galerie an die vorjährige Ausstellung „Bilder, die bewegen“ mit Bildern von Künstlerinnen und Künstlern mit geistiger Behinderung der Praunheimer Werkstätten an.

Der bekannte Frankfurter Künstler Costa Bernstein war 2007 Mitinitiator des Projekts „Integration jüdischer Menschen mit psychischer und geistiger Behinderung in den Jüdischen Gemeinden“. Seitdem arbeitet er in seinem Atelier in der Hanauer Landstrasse in Frankfurt am Main sonntags alle 14 Tage mit einer Gruppe behinderter jüdischer Mitbürgerinnen und Mitbürger zusammen. Unter seiner Leitung und Betreuung malen, zeichnen und auch töpfern diese oft auch in ihrer Sehkraft eingeschränkten Menschen im Alter zwischen etwa 30 und 45 Jahren und erhalten auf diese Weise die Möglichkeit, „künstlerische Techniken und Ausdrucksformen zu erlernen und ihre persönlichen Gestaltungsideen umzusetzen“, wie Professor Salomon Korn in seinem Vorwort zum Ausstellungskatalog schreibt.

Christina Kaletzki, Anfang, 2007, Gouache auf Papier

Michael Pokydailo, Fischer, 2010, Gouache, Ölkreide auf Papier

Anna Raitcis, Blumen, 2010, Gouache, Acryl, Ölkreide auf Papier

Konstantin Khanin, Der Baum/Das Herz, 2009, Ölkreide, Bleistift auf Papier

Irina Kheyfests, Zwei Katzen auf dem See, 2010, Gouache, Ölkreide auf Papier

In der Heussenstamm-Galerie haben Geschäftsführerin und Galeristin Dagmar Priepke und Costa Bernstein jetzt die erste Ausstellung von Arbeiten dieser Gruppe eröffnet – in der Tradition des satzungsgemässen Engagements der Stiftung für künstlerische und soziale Zwecke. Ein Bogen spannt sich zu den „Bildern, die bewegen“, und auch die aktuellen Exponate bewegen nicht minder wie die damals gezeigten Arbeiten aus dem Bereich der Praunheimer Werkstätten.

Im Anschluss an den seinerzeitigen bibliophilen Katalog „Bilder, die bewegen“  erschien zur aktuellen Ausstellung wiederum ein reich bebilderter, liebevoll und nicht minder bibliophil gestalteter Katalog. Wer seinen Bücherschrank auf sinnvolle Weise bereichern möchte oder auf der Suche nach einem adäquaten Weihnachtsgeschenk ist, sollte nicht zögern, ihn bei einem ohnehin empfehlenswerten Besuch der Ausstellung zu erwerben.

Dagmar Priepke, Costa Bernstein, beteiligte Künstlerinnen und Künstler mit einem Vertreter der Frankfurter Jüdischen Gemeinde

Ein Post scriptum sei angemerkt: Die Heussenstamm-Stiftung kooperiert in dieser Ausstellung mit „Dialog im Dunkeln – Verein zur Förderung der sozialen Kreativität – Frankfurt – e. V.“, der wiederum mit dem Frankfurter Dialog-Museum zusammenarbeitet. Auf einer Experimentierfläche können die Ausstellungsbesucher mit speziellen Brillen, die eine Maculadegeneration („Tunnelblick“ und Netzhautablösung) simulieren, selbst Malversuche unternehmen.

Heussenstamm-Galerie Frankfurt am Main, bis 7. Januar 2011.

(Fotos: Heussenstamm-Galerie und FeuilletonFrankfurt)

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