Karl-Ströher-Preis an Cyprien Gaillard
Ausstellungsansicht: Cyprien Gaillard, Geographical Analogies, 2006-2009; Foto: FeuilletonFrankfurt
Mit 20.000 Euro gehört der Karl-Ströher-Preis zu den höchstdotierten deutschen Preisen für Gegenwartskunst. Die Summe teilt sich in ein Preisgeld von 10.000 Euro unmittelbar für den Künstler und in den gleichen Betrag, der zum Ankauf eines Werkes des Preisträgers für das Frankfurter Museum für Moderne Kunst MMK bestimmt ist. Der Preis wird alle zwei Jahre von der Karl-Ströher-Stiftung verliehen, die 1983 auf Wunsch des 1977 verstorbenen Darmstädter Unternehmers und Sammlers Karl Ströher von dessen Familie gegründet wurde. Am 21. Oktober 2010 erhielt der französische Künstler Cyprien Gaillard die Auszeichnung.
Bei der Verleihung im Frankfurter Museum für Moderne Kunst – Zollamt – führte MMK-Direktorin Susanne Gaensheimer aus: „Die Karl Ströher-Stiftung würdigt mit dem Preis Gaillards neuen künstlerischen Ansatz, parallele Prozesse des Verfalls und der Verwandlung in Architektur und Gesellschaft zu beobachten und in bildmächtige Werke zu setzen. Die Vielfalt der künstlerischen Techniken wie Film, Video, Fotografie, Collage, Skulptur und Malerei, wie auch die überraschenden und klug gewählten Anknüpfungspunkte seiner Arbeiten sind einzigartig und überzeugend.“ Das MMK erwirbt Gaillards Film „Cities of Gold and Mirrors“, der als einTeil der derzeitigen, noch bis zum 24. Oktober 2010 laufenden Ausstellung in der MMK-Dependance Zollamt zu sehen ist.
Ausstellungsansicht: Cyprien Gaillard, Geographical Analogies, 2006-2009; Foto: FeuilletonFrankfurt
Kern der Ausstellung ist Gaillards grosse Arbeit „Geographical Analogies“ aus den Jahren 2006 bis 2009. Auf seinen weltweiten Reisen fotografiert Gaillard mit der Polaroid-Technik historische Denkmäler und Ruinen wie auch zeitgenössische Gebäude. Jeweils neun dieser Aufnahmen stellt der Künstler anschliessend in einer Vitrine in rautenförmiger Anordnung als „Geographical Analogies“ einander gegenüber. Auf diese Weise entstand eine Art Bilderatlas, dessen Volumen inzwischen auf über 100 Vitrinen angewachsen ist.
Cyprien Gaillard, Geographical Analogies, 2006 – 2009, Mixed media, jeweils 65 x 48 x 10 cm, Unikate, Courtesy Sprüth Magers Berlin London / Laura Bartlett Gallery, London / Bugada & Cargnel, Paris, © Cyprien Gaillard
Wie auch andere Künstler setzt Cyprien Gaillard in seiner Arbeit bewusst die – inzwischen sozusagen ausgestorbene – Polaroid-Fotografie ein. Die dabei entstehenden kleinformatigen Bildchen sind als solche einem unaufhaltsamen Verfärbungs- und anschliessenden Verfallsprozess ausgesetzt, versinnbildlichen also geradezu die Vergänglichkeit alles Irdischen.
Sinnfällig auch die aktuelle Ausstellungssituation selbst: Der Ausstellungssaal Zollamt grenzt unmittelbar an das Grundstück, auf dem sich das ehemalige Technische Rathaus der Stadt Frankfurt am Main befand, das inzwischen fast in Gänze abgebrochen wurde, um einer neuen, wenngleich zum Teil historisierenden Altstadtbebauung zu weichen.
Cyprien Gaillard untersucht und dokumentiert in seinen Arbeiten Überlagerungen, Umwandlungen und eine mitunter trivialisierende Wiederaufnahme von Architekturen wie auch von Geschichte im Gefolge eines globalisierten Tourismus. Dies geschieht ohne eine Anwandlung von Nostalgie oder gar Trauer um das Verlorene, sondern mit einer gewissen, durchaus aggressiven Lust an der Verwandlung.
Rainald Pohl (Kuratorium Karl-Ströher-Stiftung, links), Susanne Gaensheimer und Cyprien Gaillard beim Überreichen der Preisurkunde; Foto: FeuilletonFrankfurt
Cyprien Gaillard wurde 1980 in Paris geboren. Er besuchte die schweizerische École cantonale d’art de Lausanne. Gaillard nutzt so unterschiedliche künstlerische Medien wie Film, Video, Fotografie oder Performance. Seine Arbeiten waren bislang bei zahlreichen internationalen Ausstellungen vertreten. Gaillard lebt und arbeitet derzeit in Berlin.
Die Ausstellung im MMK-Zollamt ist noch bis einschliesslich Sonntag, 24. Oktober 2010 zu sehen.