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FeuilletonFrankfurt

Das Magazin für Kunst, Kultur & LebensArt

PETRA KAMMANN, HERAUSGEBERIN · www.feuilletonfrankfurt.de · GEGRÜNDET 2007 VON ERHARD METZ

Pisa von innen (1)

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Alle hier geschilderten Geschehnisse sind wirklich passiert. Deshalb wurden sämtliche Namen und Orte dieser authentischen Erzählung anonymisiert.  Der Verfasser, „Salias I.“, ist dem Herausgeber bekannt: Er ist Studienrat an einer hessischen Berufsschule.

Pisa von innen
Eine authentische Erzählung

von © Salias I.

Erster Teil (1)

Eine Woche im Getriebe

Ich bin Lehrer, soviel ist schon mal klar.
Was aber bewirke ich? Welchen Sinn hat meine Arbeit? Ich weiß nicht recht. Ich schreibe.
Nehmen wir mal diese Woche, eine Woche Schule unter Volllast, wollen wir mal sehen?
Ich weiß nicht. Ich schreibe einfach nur.

Montag, 3.3.8

5.42 h, darf nicht mehr schlafen, nicht mehr träumen, ganz untraumhaft greifen die Gedanken des Tages nach mir: Heute Schule, es ist Montag, das heißt sechs Stunden Chemie-Unterricht – Selbstmitleid! Ich taumle aus dem Bett, fühle mich schwach, noch krank, darf doch nicht mehr krank sein, hatte dieses Halbjahr schon eine ganze Woche gefehlt, noch mal darf Chemie nicht ausfallen, dieses unerquickliche Fach, in den ersten beiden Stunden muss die 11 X2 die Klausur wiederholen, was einiges befürchten lässt.

Kurz bevor ich die Wohnung verlasse, genieße ich das eheliche Morgen-Ritual: Ich öffne die Tür zum Schlafzimmer, beuge mich über das Bett, suche unter den Federn das Gesicht meiner Frau hervor, sage ihr „guten Morgen, Minnie, es ist schon bald sieben Uhr, schläfst du schön, meine Minnie“, küsse sie, sage ihr: „Ich lieb dich viel“, und zaghaft streckt sie eine Hand heraus, winkt mir zum Abschied. „Schlaf doch noch schön“, wünsche ich ihr, küsse sie nochmal, lasse sie zurück und gehe gewärmten Herzens hinaus in die Kälte.

Gefühle und Gedanken erstarren.

Im Zug lasse ich Stirnband und Handschuhe angezogen, lehne den Kopf an die samtene Stütze, schließe die Augen und finde meine Schlafhaltung, lasse die Stationen an mir vorüberziehen, bis sie den Träumen weichen.
Egal, wie schön ich schlummere – unbarmherzig überkommt mich das Ende: Pünktlich erwache ich in das grelle Neonlicht, muss endgültig hinaus in den grauen Tag.
Kraftlos in die Pedalen tretend schiebe ich die Realität mit einer euphemistischen Vorhersage beiseite: Nur drei Stündchen Unterricht, rede ich mir zu (ich zähle Doppelstunden einfach), die vergehen wie nichts, und anschließend kann ich mich zurücklehnen in einen gepolsterten Stuhl im Lehrerzimmer, um das Spektakel der Schulleitung zu konsumieren.

Im Lehrertrakt stauen sich Kollegen vor den Kopierern – gut, dass ich meine Wiederholungsklausur schon am Freitag kopiert habe. Im Vorübergehen heißt mich die Höflichkeit, ein, zwei Kollegen matt einen „Guten Morgen“ zu entbieten, dann senke ich meinen Blick, um die unnötigen Grüße zu vermeiden, und schäme mich meines Morgenmuffeltums.
Nur wenige Minuten noch kann ich mich so gehen lassen, der Zeiger rückt vor, ich muss mich stellen!

1.+ 2. Stunde: 11 BFS X2

Um 8.00 sperre ich den Chemiesaal auf, die Elfer trotten in das aufflackernde Neonlicht, ein kreischendes Handy braucht eine Aufforderung von mir, um zu schweigen, die ausdruckslosen Schülerköpfe lassen die Klausur-Arbeitsblätter über sich hinweg gehen, nach wenigen Minuten geben viele ab. Bis 9.00 dürfen sie nach draußen gehen oder eine der von mir ausgelegten Broschüren lesen. Themen: Alkoholismus, „Vorsicht, Wasserpfeife“, „Safer Sex“ usw. Viele greifen zu, tauschen sich darüber aus. Andere schreiben noch. Es wird nicht viel nützen. Jegliche Lernberatung geht ins Leere. Gewöhnlich richten wir ja die Noten so großzügig ein, dass wir nicht mehr als 50% negative Klausuren haben, denn bei einer regulären Bewertung müssten wir allzu viele Arbeiten wiederholen. Aber bei dieser Klasse half alles Heben nichts. Kein einziger konnte nicht mal die einfachste Reaktionsgleichung richtig formulieren – obwohl wir uns wochenlang damit abgeplagt hatten. Beim Korrigieren hatte ich einen Schlag nach dem anderen einzustecken. Immerhin haben die Schüler und ich eine Gemeinsamkeit: die Niedergeschlagenheit. Und trotzdem machen wir weiter.

Um 9.00 sind alle versammelt, wir haben noch die Zeit bis 9.30 zu füllen. Einer fragt irritiert, ob er denn Alkoholiker wäre, wo er doch nur am Wochenende trinkt; da sich sonst niemand für das Thema interessiert und allgemeine Unruhe herrscht, antworte ich kurz, der Übergang zur Sucht sei fließend und beginne mit der Gewohnheit. Aber leider geht unser Dialog unter in allgemeiner Unruhe, die ich nicht bezwingen kann.
Die Motivation der Schüler hat ein vorläufiges Tief erreicht; ich weiß aber, dass es noch tiefer gehen kann. Die kritische Phase des Schuljahres hat angefangen; wenn man nicht vorsichtig ist, kippt manche Klasse ganz um – wozu die Klausur den Anlass geben kann: Viele Schüler merken, dass sie nichts können, dass sie eine schlechte Note kriegen, und versuchen, die Schuld mir zuzuschieben: sie behaupten dreist, der Stoff, der abgefragt wird, sei nicht behandelt oder nicht erklärt worden, die Aufgabenstellung zu schwer, ungerecht, bei der Gruppe A leichter als bei B, usw. Sie stacheln sich gegenseitig auf, beschimpfen mich, werden aggressiv, wenn ich versuche, Disziplin herzustellen – ich will nicht daran denken, welche Tumulte ich während solcher „Klausuren“ schon erlebt habe.
Ich lasse das Thema Sucht fallen. Stattdessen gebe ich dem Noten-Frust etwas Raum, komme den Schülern näher, lasse mich vor, indem ich meinen Oberkörper zu ihnen neige, ja ganz niederbeuge, die Arme auf dem Tisch nach vorne strecke, die Tischkante in meinen Magen drücken lasse; aus dieser geduckten Haltung halte ich nur den Kopf hoch, um die Schüler anzuhören, die ihre Sorgen mit mir teilen, und, mich wieder aufrichtend, eröffne ich ihnen die Perspektive, dass man die Abschluss-Note mit einer Präsentation oder mit einer mündlichen Prüfung noch aufbessern kann. Das freilich ruft keine Begeisterung hervor. Um ein Beispiel zu geben, was in so einer Prüfung dran kommen kann, nenne ich die Modifikationen von Elementen. Immerhin fragt einer, was Modifikationen sind? Kein Schüler weiß es, ich versuche, ihnen auf die Sprünge zu helfen, vergeblich – es ist ja auch schon zwei Wochen her, dass wir es im Unterricht besprochen hatten.
Aufgebracht von diesem General-Einbruch greife ich zu „richtigem“ Frontalunterricht, setze durch, dass man die Modifikationen absolut wissen muss.
Da meldet sich J. Ich erwarte, dass er wieder fragt, ob er aufs Klo gehen darf, nehme ihn dran – und bin überrascht, dass er etwas zum Unterricht sagt:
„Warum sollen wir das denn lernen? Chemie. Das brauchen wir niemals. So altes Zeug. Schon so viele Leute vor uns haben dasselbe gemacht. Seit Hunderten von Jahren. Und wozu sollen wir das jetzt auch noch lernen? Das ist doch völlig sinnlos.“
„Sinnlos, weil viele andere das auch lernen mussten? Ja, wenn du meinst. Dann würde ich sagen, guck doch mal, wie viele Leute schon vor uns gelebt haben. Seit zehntausenden von Jahren lebten Milliarden von Menschen. Wozu sollen wir dann auch noch leben?“
Ein paar Schüler kichern. Das freut mich. Ein Punktsieg für mich. Damit ist dieses Ablenkungs­manöver abgewehrt.
Nun kann ich die Stille nutzen, um zum Lernstoff zu lenken. Ich fordere, das Chemiebuch aufzuschlagen, nehme einen Schüler dran, der von Seite 23 vorlesen soll.
Doch es dauert, dauert, bis sie ihre Bücher ausgepackt haben, begleitet von Protesten:
„Was soll das, wir haben heute eine Arbeit geschrieben, Sie haben nicht gesagt, dass wir Bücher brauchen!“
„Das war eine Wiederholungsarbeit, ihr wusstet, dass die nur eine Stunde dauert,“ fauche ich zurück, „und im übrigen sollt ihr eure Bücher immer mitbringen! Also, wer braucht jetzt einen Buchstrich?“
Unser nicht lustiges Versteckspiel: Die Schüler wissen, dass sie einen Buchstrich bekommen, wenn sie ihr Chemiebuch nicht parat haben, und ein Buchstrich ist so schlecht wie ein Hausaufgabenstrich. Ich habe einmal einer 11 versprochen, dass ich die ganze Klasse zum Eisessen einlade, wenn alle Schüler ihr Buch dabei haben. Ich brauchte kein Geld auszugeben.
Also, unser Spiel: Jeder muss sein Buch hochhalten, damit ich es sehe, und manchmal ist es ein Mathebuch, was ja leicht zu erkennen ist, oder sie sagen, dass sie noch im Rucksack suchen müssen, so gehe ich in der Reihe weiter und vergesse vielleicht, dass da einer war, der noch suchte. Aber meistens erinnere ich mich. Schlaue Schüler verwenden einen eigenen Einband, so dass ich selten bemerke, dass da ein falsches Buch drin steckt. Oder sie zeigen das Chemiebuch eines anderen auf, und wenn ich Verdacht schöpfe, der Verdächtige aber nicht gesteht, sondern Verwirrmanöver stattfinden, dann leite ich ein systematisches Ermittlungsverfahren ein: Die Nummern der Bücher sind in den Schülerakten im Klassenordner vermerkt, so dass ich beweisen kann, wenn einer ein fremdes Buch hat. Für so einen Täuschungsversuch gibt es einen Extrastrich in der Spalte Sozialverhalten, weil das den Unterricht aufhält.
Nach dieser erschöpfenden Prozedur liest endlich ein Schüler den Abschnitt im Buch vor, was den magischen Effekt hat, dass die anderen fast still sind, oder zumindest mit einfachen Ermahnungen ihre Unterhaltung einstellen. Zwei Minuten dauert das Vorlesen, dann meine übliche Fragerei: „Wer hat eine Frage zum Text? Keiner? Dann habe ich Fragen an euch.“
Und ich stelle meine berüchtigten Verständnisfragen, die aufdecken sollen, ob jemand verstanden hat, was im Text vorkam: „Gehören die Modifikationen Diamant und Graphit zum selben Element?“
Keiner meldet sich, ich nehme ahnungslose Schüler dran, ermahne Störer, pusche das Wissen, und frage mich, warum mache ich das überhaupt, wenn sie bis nächste Woche alles wieder vergessen? Oder erst gar keine Anzeichen geben, überhaupt etwas zu verstehen?
Was soll ich denn sonst machen, ich bin Chemielehrer! Und wenn man sich mal auf das Fach konzentrieren könnte, würde es sogar Spaß machen (mir jedenfalls).

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Pause

Zu spät bemerke ich, dass ich vergessen habe, die Schüler zum Aufräumen anzuhalten: Ich sammle ein paar der Broschüren vom Fußboden auf, die unterschiedliche Grade der Zerstörung aufweisen; diejenigen, die nur geknickt sind, führe ich der Wiederverwendung zu.
Im Flur des Lehrertrakts spricht mich der Kollege G an, der SV-Verbindungslehrer ist: Er bekommt von mir das Startgeld von der Fußball-Mannschaft meiner 10, die an der Schulmeisterschaft teilnimmt. Ich habe es nicht abgezählt, muss die Liste suchen, das dauert. Bei der Gelegenheit konsultiere ich den Kollegen, ob ich mich als zweiter SV-Verbindungslehrer bewerben sollte: Der J aus der 10 E hat mich angesprochen, er würde mich gern werben, dass ich in die SV-Arbeit einsteige, weil der Koll. G damit überlastet sei, für 2400 Schüler Verbindungslehrer zu sein. Koll. G und ich verstehen uns gut: Wir sind uns einig, dass diese Arbeit sehr wichtig ist, aber er bestätigt mir meine Befürchtung: die eine schäbige Deputatstunde, mit der das Kulturministerium den Verbindungslehrer entlastet, steht in keinem Verhältnis zum Aufwand! Ich wüsste nicht, woher ich die Zeit nehmen sollte.
Überhaupt die Zeit: Eilig laufe ich in die Küche, zapfe mir ein großes Glas heißes Leitungswasser, das ich ins Klo mitnehme, während des Pinkelns austrinke. – Nicht wieder über dem Pissoir stehen lassen, mahnt der Kollege B, und ich achte darauf, das leere Glas zurück in die Küche zu bringen; ziehe dann den Klassenordner für die nächste Stunde aus dem Regal, die Praktikantin gesellt sich dazu, und auf dem Weg in den Chemiesaal gebe ich ihr eine erste Orientierung über die „BFS“, die Berufsfachschule: Berufsfachschüler haben relativ gute Hauptschulabschlüsse, aber keinen Ausbildungsplatz, und so kommen sie zu uns, besuchen das 10. und 11. Schuljahr in der Berufsfachschule, wo sie in den zwei Jahren in einem Berufsfeld ausgebildet werden, wovon ein Jahr auf die Lehrzeit angerechnet werden kann, wenn sie später im gleichen Berufsfeld ausgebildet werden. In den zwei Jahren BFS erhalten sie auch allgemeinbildenden Unterricht, so dass am Ende der 11 die Prüfung zur Mittleren Reife ansteht. Die Motivation ist nicht so toll. Die Klasse 11 BF X1 ist relativ gut, ihre Klausur musste nicht wiederholt werden: Sie hatten nur 50% Fünfer und Sechser. Heute stehen wieder Schüler-Präsentationen an.
Für weitere Infos haben wir keine Zeit, und ich hätte auch Skrupel, die Praktikantin damit abzuschrecken. Außerdem weiß ich, je mehr man erzählt, desto unglaubhafter wirkt das alles.

3. + 4. Stunde 11 BFS X1

Die 11 X1 ist wohltuend ruhig im Vergleich zur X2; wir hören ein typisches Einbrecher-Referat über Weinherstellung. Note: Vier, aber da einige Fürsprecher argumentieren, dass die wichtigen chemischen Inhalte gebracht worden sind, teilweise sogar frei vorgetragen, gestehe ich eine Dreiminus zu – eine Schwäche, die ich bereue: der Schüler hat eine Reaktionsgleichung über die alkoholische Gärung angeschrieben, die er keinen Deut erklären konnte; beim Kreuzverhör über den Gärprozess verwickelte er sich köstlich in Widersprüche, die er auch mit Hilfen nicht selbst aufklären konnte und zum Schluss der Inquisition wusste er nicht mal mehr, womit man denn nun Wein herstellt!
Nach dieser Farce reiße ich einen Frontalunterricht ab, um die wichtigsten Inhalte dieses Themas zu retten und ein Lernergebnis zu sichern – was mir ganz gut gelingt, abgesehen von der Unterbrechung durch das obligatorische Buchstrich-Spiel.

Pause

Trotz des braven Verhaltens der Schüler zeigt sich die Praktikantin hinterher empört – wegen des niedrigen fachlichen Niveaus. Das tut mir wohl, weil man sich ja doch fragt, warum man so viele schlechte Noten gibt. Immerhin, jetzt hat die Praktikantin eine reale Vorstellung bekommen, und die will ich ein bisschen vertiefen: Ich erzähle, dass die Referenten meistens einbrechen, keine fachlichen Fragen beantworten können, nicht mal über das, was sie selber vorgetragen haben, und in renitenten Fällen folgt ein Drama wegen der Note. Letzte Woche war der K so ein Einbrecher: Hielt seine Vorstellung selber für ganz OK, weil er ja nicht weiß, was er alles nicht weiß! Großzügig gab ich ihm eine 4-; K aber wurde zornig, protestierte, forderte, eine 3 zu bekommen, da zählte kein Argument außer dem einen: dass er schriftlich auf 6 steht, müsse er jetzt die 3 kriegen, da er eine 4 im Zeugnis bekommen müsse! – Wie schön, wenn Schüler ihre Noten selber machen: Da brauchen sie ein ganzes Jahr lang nichts zu tun, sie können schwätzen, schwänzen, 6er schreiben, den Lehrer nerven, und wenn es kritisch wird, ziehen sie ein Skript aus dem Internet, leiern es in der Chemiestunde runter, brauchen fachliche Fragen nicht zu beantworten (wer braucht schon Chemie?), das nennen sie Präsentation, und sie kriegen ihre 4!? – Nein! – Der K motzte: ungerecht, warum hätte er sich dann diese Mühe gemacht, ein Referat zu halten! Er will seinen Lohn! – Nein, es bleibt dabei, ich habe es begründet. – Das sei die reine Ausländerfeindlichkeit hier, keifte K, der Y hätte ja auch eine 3 gekriegt, und dessen Referat sei nicht besser als seins gewesen, nur weil er Ausländer sei, bekäme er eine schlechte Note … Ich reagierte nicht mehr, bis er aufhörte, denn ich wusste, wie leicht ich sonst Feinde gewinnen würde. Egal, sollte der K mich doch als Feind sehen. Wenn es nur nicht zu viele Feinde werden, da musst du natürlich aufpassen, dass dir die Klasse nicht irgendwann umkippt.

Ich verabschiede mich, die Pause ist fast vorbei, ich muss noch den Koll. S finden, weil ich morgen in der 12 EG1 das Prüfungs-Material brauche, das er mir versprochen hatte mitzubringen, aber dann ist er bald zwei Wochen krank gewesen, heute zum ersten Mal wieder in der Schule: Ich fürchte, er hat das Material vergessen. Da ich den S nicht sehe, mache ich einen Abstecher zu meinem Fach, in dem ich allerlei Papierkram finde, nichts Dringendes – doch: Da sind ja mal wieder Zeugnisse für meine 10! Ich überfliege sie: Zeugnisdatum 1.2.2008, das ist korrekt, diesmal stimmt auch die berufliche Fachrichtung, aber auf einem Zeugnis fehlt das Fach Mathematik. Also wieder mal Makulatur – letztes Mal fehlten überall die Kopfnoten.
Da es nicht an mir liegen soll, dass sich die Zeugnisausgabe so verspätet und verschleppt, vermerke ich die Mängel und bringe die Möchtegern-Zeugnisse zurück ins Sekretariat; die Sekretärinnen erklären sich nicht für zuständig, ich muss die Zeugnisse direkt einem der drei Kollegen bringen, die sich mit der nicht funktionierenden Software zur Verwaltung der Lehrer- und Schüler Daten, der „LUSD“ herumschlagen, die das Kultusministerium wider besseres Wissen allen Schulen aufgezwungen hat: Wir dürfen unsere Zeugnisse nicht mehr selbst drucken, sondern müssen diese hoheitliche Handlung über das Rechenzentrum des Kultus-Ministeriums in Wiesbaden abwickeln; die machen zur Fehlerbehebung entweder gar nichts, oder sie verschlimmbessern es und wir kriegen andere Makulaturen zurück.
Ich stemple geschwind die korrekten Zeugnisse, damit ich wenigstens die ausgeben kann, dann beeile ich mich mit dem Trinken-Pinkeln, und haste hinauf zum Chemiesaal, wo mich unsere Eliteschulform, die FOS (Fachoberschule) erwartet.

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