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FeuilletonFrankfurt

Das Magazin für Kunst, Kultur & LebensArt

PETRA KAMMANN, HERAUSGEBERIN · www.feuilletonfrankfurt.de · GEGRÜNDET 2007 VON ERHARD METZ

„Event, Stream, Object“: Sound-Installation von Florian Hecker im Frankfurter MMK

Von Erhard Metz

Es ist eine einzigartige (wenngleich etwas krude betitelte) Raum-Klang-Skulptur – so möchten wir das bezeichnen, was Sie in einem der Säle in der dritten Ebene des Frankfurter Museums für Moderne Kunst MMK erwartet.

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MMK-Direktorin Susanne Gaensheimer und Florian Hecker (Foto: FeuilletonFrankfurt; Nachweis Filmmitschnitt: MMK Frankfurt am Main)

Es handelt sich bei der ersten institutionellen Einzelausstellung Heckers in Deutschland um eine Auftragsproduktion des MMK im Rahmen seiner Mitte Februar 2010 eröffneten und noch bis zum 22. August laufenden Sammlungspräsentation „Radical Conceptual“. Das Haus hat Heckers Arbeit aus finanziellen Mitteln der Museums-Partner produziert und zugleich für seinen Bestand erworben: Ein Beispiel für eine Ausstellungspolitik, die, wie MMK-Direktorin Susanne Gaensheimer betont, das Museum für Gegenwartskunst auch als einen Ort der Produktion derartiger Werke versteht.

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Eine Beschreibung dessen, was wir vordergründig sehen, scheint schnell getan: Acht Konfigurationen – jeweils eine gebogene, hochglanzpolierte Metallplatte, davor ein kleiner schwarzer Lautsprecher – hängen über den Raum verteilt von der Decke herab. Über jeden dieser Lautsprecher wird ein eigener Tonkanal einer spezifisch für das MMK computergenerierten, insgesamt achtkanaligen, gut dreissigminütigen Klangkomposition abgestrahlt. Der Schall eines Lautsprechers trifft dabei auf die ihm zugeordnete entweder konvexe oder konkave Reflexionsfläche und verbreitet sich entsprechend im Raum, wobei sich die Schallwellen kreuzen und gegenseitig durchdringen oder überlagern. Ein in die Komposition integriertes stochastisches System bewirkt bei jedem Abspiel eine leichte Variation der Tonsignale, so dass eine jede Audiopräsentation ein Unikat darstellt.

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Zugleich bemerken wir die räumliche Situation als mitkonstituierendes Element der Installation: Die hochglänzenden Metallflächen der Reflektoren wirken als Spiegel, die nicht nur eine Beziehung untereinander herstellen, sondern die Lichtdecke und das grosse Fensterelement des Saales wie auch die Besucher selbst in ein neues räumliches Etwas, in ein gleichsam skulpturales Geschehen einbeziehen, das einem ständigen Veränderungsprozess unterliegt. Sowohl die optischen wie die klanglichen Elemente der Installation laden den Besucher zum Durchschreiten des Raumes ein, fordern ihn geradezu heraus, sich selbst als ein Subjekt dieses Prozesses zu begreifen und einzubringen. Wer sich durch die Installation bewegt, erschliesst sich eine neue multidimensionale, sinnlich wahrnehmbare Erfahrungswelt, in der sich optische und akustische Erscheinungen verbinden: Klang wird sichtbar, Sichtbares wird hörbar. Es entsteht eine skulpturale Raum-Klang-Situation, so wie wir uns auch das Universum als eine multidimensionale Skulptur vorstellen können. Sie erlaubt uns, uns – für eine kleine Zeitlang – unserer eigenen Raum- und Zeitgebundenheit scheinbar zu entziehen.

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Diese Raum-Klang-Skulptur mit den herkömmlichen Mitteln der Sprache zu beschreiben, erscheint unmöglich. Mit den nachfolgenden Abbildungen versuchen wir exemplarisch, die Bedeutung des Fensterelements – als einer Brücke gewissermassen zwischen der Innen- und der Aussenwelt – für die Gesamtskulptur aufzuzeigen. Die jeweilige Tageslicht-Situation wirkt über die Spiegelungen unmittelbar auf die visuelle Erscheinung der räumlichen Struktur ein. Die Raum-Klang-Skulptur gewinnt auf diese Weise etwas Universales, gleichsam „Allzeitgültiges“. Wir sehen hierin einen Schlüssel für eine Antwort auf die Frage, ob und wie diese konkrete Arbeit des Künstlers zu einem späteren Zeitpunkt in anderen räumlichen und zeitlichen Zusammenhängen realisiert – rekonstruiert, restauriert? – werden kann.

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Florian Hecker und Sophie von Olfers, Kuratorin der Ausstellung

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„Die Arbeit dramatisiert eine Entkopplung gesehener Soundquellen im Raum und deren jeweils wahrgenommene Lokalisation. So ein aktiver Prozess des Hörens unterstreicht die Unmöglichkeit einer einheitlichen Beschreibung, was, wann, wo, von wem gehört wird“, sagt Florian Hecker über seine Installation im MMK.

„Florian Hecker“, so Susanne Gaensheimer, „ist einer der innovativsten Künstler der Gegenwart, denn er verbindet in seiner Arbeit konsequent die Bereiche der Bildenden Kunst, Musik und Performance, um deren Grenzen aufzuheben und neue Ausdrucksformen und Wahrnehmungsmöglichkeiten in Raum und Zeit zu eröffnen“.

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Florian Hecker wurde 1975 in Augsburg geboren. Er studierte 1997 Computer-Linguistik und Psycholinguistik in München und von 1998 bis 2003 an der Akademie der Bildenden Künste Wien mit dem Diplom in Bildender Kunst als Abschluss. Seit 1996 arbeitet er allein oder in Kooperation mit verschiedenen Künstlern an Computermusik und beteiligt sich unter anderem am Prix Ars Electronica sowie weltweit an zahlreichen Ausstellungen, Live-Performances und Audio-Präsentationen. Hecker lebt und arbeitet in Kissing und Wien.

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Susanne Gaensheimer mit Sophie von Olfers und Florian Hecker

Die rund dreissigminütige Audio-Präsentation ist täglich (ausser montags) um 10.30, 12.00, 14.00, 15.30 und 17.00 Uhr zu hören, mittwochs zusätzlich um 18.30 Uhr.

Museum für Moderne Kunst Frankfurt am Main – noch bis 22. August 2010

(Fotos: Erhard Metz)

 

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