Ein „Muss“ in Venedig: Die Sammlung Peggy Guggenheim
Von Erhard Metz
Ein jeder Besucher Venedigs, der über den Canal Grande zu den Schauplätzen schippert, die man gemeinhin als Touristenattraktionen kennt, kommt an ihm vorbei: Dem ehemaligen – unvollendeten – Palazzo Venier dei Leoni, zuletzt Wohnsitz von Peggy Guggenheim und heute Ausstellungshaus der nach der – bereits zu ihren Lebzeiten legendären – Kunstmäzenin benannten Sammlung. Heute ist diese ein Bestandteil der Solomon R. Guggenheim Foundation mit ihren spektakulären Museen in Bilbao und New York.
Aber die wenigsten Venedig-Touristen scheinen sich, obgleich das Plakat schon von weitem einlädt, für diese faszinierende Sammlung zu interessieren. An einem schönen Junivormittag trafen wir dort zwar mehrere Schulklassen und Jugendgruppen an, aber kaum ältere erwachsene Besucher.
Wir nähern uns auf Fusswegen durch die verwinkelten Gässchen des Stadtteils Dorsoduro dem Eingang des Museums.
Aber bereits vom Canal Grande her blicken Schaulustige wie Besucher auf die bekannte, vor dem Treppenaufgang zum Palazzo unter freiem Himmel aufgestellte, die Terrasse zum Wasser hin beherrschende Reiterskulptur „L’Angelo della Città“ von Marino Marini.
Die Sammlung Peggy Guggenheim präsentiert sich als ein repräsentativer Querschnitt durch die klassische Moderne der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Quantitative Schwerpunkte bilden dabei beispielsweise Arbeiten von Hans Arp, Victor Brauner, Alberto Giacometti, Wassily Kandinsky, Piet Mondrian, Henry Moore, Pablo Picasso, Tancredi, Yves Tanguy oder Laurence Vail, vor allem aber – aus persönlichen Gründen – von Max Ernst, Peggys zweitem Ehemann, und Jackson Pollock, den die Mäzenin besonders schätzte und förderte. Bekannte Namen wie – ebenso nur beispielsweise – Alexander Archipenko, Francis Bacon, Umberto Boccioni, Georges Braque, Marc Chagall, Salvador Dali, Giorgio de Chirico, Marcel Duchamp, Hundertwasser, Paul Klee, Fernand Léger, René Magritte, Kasimir Malewitsch, Man Ray, Marino Marini, Joan Miró, Arnaldo Pomodoro, Mark Rothko, Kurt Schwitters oder Victor Vasarely fehlen nicht. Manche der erworbenen Arbeiten verschenkte Peggy Guggenheim an andere Sammlungen und Museen, zum grossen Teil in der Absicht, die betreffenden Künstler anderenorts bekannt zu machen.
Wir trafen im Juni im Museum vermutlich das Hauptwerk des italienischen Futurismus, Umberto Boccionis (1882 bis 1916) seinerzeit Aufsehen erregende wie wegweisende Skulptur „Forme uniche della continuità nello spazio“ (Einzigartige Formen der Kontinuität im Raum) an, bekanntlich verewigt auf der italienischen 20 Eurocent-Münze.
Umberto Boccioni, Forme uniche della continuità nello spazio, 1913, Bronze (Abguss 1931), 111,2 x 88,5 x 40 cm, Museum of Modern Art, New York (Foto: Wmpearl / wikimedia commons)
Bildnachweis: Europäische Zentralbank / Glentamara
Im rückwärtigen, wundervoll schattigen Garten finden wir einen bemerkenswerten Skulpturenpark, bevölkert von Schulkindern. Ein Rundpavillon mit steinernen Sitzbänken lädt zum Ausruhen ein.
Peggy Guggenheim, 1898 in New York geboren und 1979 in Padua verstorben, war eine Tochter des amerikanischen Geschäftsmanns und Multimillionärs Benjamin Guggenheim, der 1912 beim Untergang der „Titanic“ ums Leben kam; ihr Onkel war der bekannte Kunstsammler Solomon R. Guggenheim. 1920 kam Peggy nach Paris, wo sie sich alsbald als Sammlerin avantgardistischer Kunstwerke betätigte. Von Anfang an strebte sie den Aufbau einer musealen Sammlung an, die die damaligen verschiedenen Strömungen der Kunst – Kubismus, Surrealismus, abstrakter Expressionismus sowie später die junge amerikanische Kunst – dokumentieren sollte. Der Zugang zur amerikanischen Pop Art blieb ihr hingegen verschlossen.
Peggy Guggenheim 1937 (Bildnachweis: Familienarchiv, wikimedia commons GFDL)
Nach einem Intermezzo als Galeristin („Guggenheim Jeune“) in London kehrte sie 1939 nach Paris zurück. Jedoch verliess sie 1941 gemeinsam mit Max Ernst – die beiden heirateten kurz darauf – Paris samt ihrer Sammlung in Richtung New York, wo sie abermals eine Galerie („Art of this century“) eröffnete. Nach ihrer Scheidung von Max Ernst kehrte sie 1947 nach Europa zurück. Sie beteiligte sich mit ihrer Sammlung an der Biennale Venedig 1948, wo sie im damals leerstehenden Griechischen Pavillon in Europa noch unbekannte Arbeiten beispielsweise von Jackson Pollock oder Mark Rothko zeigte. Peggy Guggenheim wurde zu einer der angesehensten Persönlichkeiten in der europäischen Kunstszene.
1949 kaufte sie den Palazzo Venier dei Leonie in Venedig, den sie bis zu ihrem Tod bewohnte und in dem sie ihre Sammlung unterbrachte. Im Skulpturengarten befindet sich ihr Urnengrab neben den Gräbern von 14 ihrer geliebten Hunde.
Zum Abschied ein Blick vom Canal Grande auf den Palazzo Venier dei Leoni, Heimstatt der Peggy Guggenheim Sammlung …
… und von der Terrasse des Gebäudes über die prachtvolle Bootsanlegestelle auf die Wasserstrasse.
(Fotos – falls nicht anders gekennzeichnet – : Erhard Metz)