Eine Reise ins Innere der Mongolei (Folge 2)
Eine Reise ins Innere der Mongolei (2)
Text und Fotografien: © Ingrid Malhotra
Und weiter geht es, über Baotou, eine „Kleinstadt“, in der gerade eine überaus wohlgeordnete Demonstration stattfindet,
und das Lamakloster Wudanshao, das einen sehr tibetischen Eindruck macht,
zu den Ausläufern der Wüste Gobi, den sogenannten singenden Dünen.
Hier ist ganz schön was los! Empfangen werden wir, wie meist in Touristenzentren, von Trachtengruppen, die Tänze aufführen und generell exotisch aussehen. Dann geht es per Seilbahn auf die Dünen. Einige von uns – auch ich – müssen mit sanfter Gewalt aus dem Souvenirshop gezerrt werden, weil es dort wunderschöne Kaschmirpullover gibt.
Jetzt schaukeln wir also über die singenden Dünen – man hört sie zwar, aber nicht singen! Eher Motorgeknatter und Freudengeschrei, denn hier rutschen die Leute mit allem den steilen Sandhang herunter, was man nur für diesen Zweck nutzen kann – mit oder ohne Motor.
Wir hingegen gehen ganz gesittet zu den Kamelen, kriegen jeder eins zugeteilt und sitzen auf. Danach reiten wir zu einer nahegelegenen Oase und fotografieren uns gegenseitig. Ausserdem haben wir Gelegenheit festzustellen, dass Kamele sehr zärtlichkeitsbedürftig sind. Ich streichle meins, und nicht nur kann es gar nicht genug kriegen und verrenkt sich gewaltig für noch mehr Streicheleinheiten, auch die Kamele davor und dahinter rücken heran und wollen etwas abhaben.
Uns ach so erfahrene Kamelreiter bringt das schon ein wenig in Verlegenheit, aber der Kameltreiber sorgt bald für Ordnung.
Und danach fahren wir nach Hohhot.
Hohhot? Merkwürdiger Name! Nie gehört! Wo liegt das, und was ist das? Oh, das ist die Hauptstadt des Autonomen Gebietes Innere Mongolei und hat weit über zwei Millionen Einwohner. Hohhot bedeutet „Blaue Stadt“ – ich weiss aber nicht warum. Es gibt eine nette kleine Altstadtstrasse mit hochinteressanten Antiquitätenläden und, ja, dann gibt es den Tempel der Fünf Pagoden.
Sonst hat die Stadt nicht viel zu bieten, höchstens merkwürdige kleine Läden, in denen man erstaunlicherweise hochmodische Kaschmirkleidung kaufen kann, und noch phantastischere Strassenbeleuchtungen, als man sie in China schon gewohnt ist, breite Strassen ohne Verkehr, baulichen Mischmasch,
aber der Tempel der Fünf Pagoden entschädigt für das alles – sogar für die Lautsprecheranlage auf dem weiten Platz vor dem Hotel, die bis abends martialische Musik durch die Fenster schmetterte. Ein wunderschön harmonisches Bauwerk mit unglaublich feinen Steinmetzarbeiten
und einer Pergola aus Schlangenkürbissen:
Darauf sind die Mönche ganz besonders stolz!
Am nächsten Tag geht es weiter. Jetzt kommt das, was ich mir unter der Inneren Mongolei, eigentlich überhaupt unter Mongolei vorgestellt habe. Das Grasland. Hier kann man sich Attila vorstellen und die Reiterhorden des Dschingis Khan. Was sonst soll man hier auch tun als reiten? Eine endlose, leicht gewellte Hochebene voller Gras. Und noch mehr Gras. Gelegentlich wird das Gras unterbrochen von Spuren,
einem Steinhügel zur Verehrung irgendeines Gottes
oder einem merkwürdigen Gefährt am Strassenrand.
Manchmal auch vom Gelben Fluss, einem einsamen Grab oder äusserst spärlichen Resten aus der Anfangszeit der Grossen Mauer.
Und irgendwann kommt das grosse Erlebnis Nummer eins: ein Bauernhof. Früher waren die Mongolen Nomaden und wohnten in Jurten. Das dürfen sie heute nicht mehr. Man hat ihnen bemerkenswert hässliche Betonhäuser hingestellt,
in denen sie pflichtgemäss leben und ihre Gäste bewirten.
Daneben stehen noch die Jurten – die dürfen sie während der Saison an Touristen vermieten. Sie sollen bei japanischen Hochzeitspärchen besonders beliebt sein …
Und dann kommt Höhepunkt Nummer zwei: Touristenzentrum, Reiterhof, Gaststätte? Schwer einzuordnen. Jedenfalls wird unser kleiner Bus herzlich begrüsst mit Mongolen und Mongolinnen in bunter Faschingsseide, Schnaps und Pferden.
Auch hier gibt es Jurten. Sie stehen in Reih und Glied wie eine Reihenhaussiedlung.
Am Rand stehen die Pferde auf grossen Koppeln. Während wir noch die Pferde begrüssen, kommen ein paar richtig grosse Busse – die werden natürlich sehr viel emphatischer begrüsst: Wilde Reiter sprengen ihnen entgegen und geleiten sie auf den Busparkplatz. Dort stehen auch monglische Touristen herum, die sich höflich lächelnd über das Schauspiel wundern.
Drinnen im Gasthaus gibt es dann ein grosses Essen – viel Hammel, viel Schnaps – und Musikdarbietungen, die, das muss ich fairerweise zugeben, nicht flüchtig abgespult werden, sondern so dargeboten werden, dass man sich wirklich als willkommener Gast fühlt und nicht als ein Touri von Tausenden …
Und dann fahren wir zurück nach Beijing und verstehen, warum unser Fahrer schon auf dem Hinweg in düstere Prophezeiungen ausgebrochen ist, was alles sein wird, falls wir nicht vor den Kohlelastern die Stadtgrenze passieren.
Natürlich kommen wir zu spät.
Und natürlich stehen wir bis weit in die Nacht im Kohlenstau!
→ Folge 1