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FeuilletonFrankfurt

Das Magazin für Kunst, Kultur & LebensArt

PETRA KAMMANN, HERAUSGEBERIN · www.feuilletonfrankfurt.de · GEGRÜNDET 2007 VON ERHARD METZ

Eine Reise ins Innere der Mongolei (Folge 1)

Eine Reise ins Innere der Mongolei (1)

Text und Fotografien: © Ingrid Malhotra

Vor einiger Zeit hatte ich einmal Gelegenheit, eine Gruppe durch die Innere Mongolei zu begleiten. Nun bin ich nicht gerade der Typ für Gruppenreisen, aber wie war das noch: Einem geschenkten Gaul …

Und es stellte sich doch auch als recht interessant heraus, zu sehen, welche Pflichten ein Reisebegleiter so hat, und die Gruppe zu beobachten. Angefangen bei der Erschöpfung, mit der die Teilnehmer unmittelbar nach der Ankunft mit gewaltigem Jetlag und bei glühender Hitze durch den Sommerpalast und den Himmelstempel stolperten (ich war selbst überrascht, wieviel ich bei meinem ersten Besuch unter ebensolchen Bedingungen nicht gesehen hatte – zumindest dieser Reiseveranstalter mutet das seinen Kunden jetzt nicht mehr zu!), über den Bayern, der auf der Fahrt nach Datong ungeduldig auf die hohen Berge wartete (die leider ganz woanders sind!) bis zu den Damen, die gegen Ende der Reise grosse Mühe hatten, ihre gegenseitigen Abneigungen mit einiger Höflichkeit zu überspielen.

Gruppendynamik ist schon etwas sehr Interessantes! Aber noch interessanter war die Reise selbst.

Denn die Innere Mongolei steht in totalem Kontrast zum Osten Chinas.

Hier quirliges Leben, Moderne, phantastische Restaurants, Kulturleben, Chic – selbst beim Radfahren tragen die Chinesinnen gerne Hut und die höchsten Absätze der Welt! Dort, ja, Mao-China wie aus dem Bilderbuch – grauer Städte Mauern, Parolen auf Wänden und Spruchbändern, Lautsprecher auf den Hauptplätzen der Städte, aus denen abwechselnd martialische Musik und martialische Sprüche ertönen, und viele tragen noch immer die Mao-Uniform mit Schlabberhose und Tunika.

Gleichzeitig ist unübersehbar, wieviele Spuren uralter Kultur es hier gibt, und durchaus nicht nur Spuren der Han-Chinesen. Hier haben viele Völker ihren Fingerabdruck hinterlassen …

Aber zurück zur Fahrt. Von Beijing ging es mit einem kleinen Bus zunächst zur Grossen Mauer, wo es regnete und erstaunlichweise fast alle Chinesen mit dem gleichen hellblauen Plastikregencape herumwanderten … Gab ein interessantes Bild.

Mauer im Regen-360

Regenlandschaft-430

Und die Mauer ist auch wirklich sehr fotogen, wie sie Berge hinauf- und hinunterklettert, mit Türmen und Stufen und breiter Mauerkrone und immer wieder Öffnungen, durch die man in die Landschaft und gelegentlich auch auf die Seitenansicht der Mauer selbst schauen kann

Mauerseite-360

Auch interessante Souvenirs gab es – alles made in China, aber zum Glück nicht alles aus Plastik. Liu, unser Führer, trank Tee, in dem eine Blüte lag, die während des Trinkens aufging – sehr eigenartig.

Teeblüte-430

Dann ging es weiter, eine lange eintönige Fahrt. Die chinesischen Autobahnen sind gut, aber sie ziehen sich in diesem unendlichen Land. Liu erklärte uns, was wir sehen würden, die Raucher klärten, wie oft es Zigarettenpausen geben würde, der Bayer wurde immer hibbeliger, weil keine grossen Berge in Sicht kamen, nur eine endlose Reihe von grauen, felsigen Hügeln zog sich neben der Autobahn entlang.

Entlang der Autobahn-430

Schliesslich gab es einen willkommenen Aufenthalt in einer Fabrik, in der Schmuck aus Süsswasserperlen hergestellt wurde. Das hat uns Frauen natürlich sehr viel Spass gemacht.

Dann ging es weiter. Auf der Gegenfahrbahn kam ein Kohlenlaster nach dem anderen entgegen. Sie würden sich am Stadtrand von Beijing aufreihen und nach Büroschluss in die Stadt fahren, damit der Energiebedarf für den kommenden Tag gedeckt werden konnte. Unser Fahrer wies schon jetzt darauf hin, dass wir bei der Rückkehr schnell sein müssten, damit wir vor den Kohlenlastern in die Stadt kämen …

Endlich erreichten wir Datong. Regen, Plattenbauten, bedrückende offizielle Gabäude – schon ein Vorgeschmack auf den Westen Chinas.

Datong-430

Datong7-430

Aber Datong ist Ausgangspunkt zu zwei ganz grossen Sehenswürdigkeiten, dem Hängenden Kloster und den Yun-Gang-Grotten. Zunächst fuhren wir über den Huang-Ho,

Huangho-430

den Gelben Fluss, zum Hängenden Kloster.

In einem, dank einer hohen Staumauer hufeisenförmigen Tal quetscht sich dieses äusserst schmale Kloster an eine steile Felswand, die selbst nicht übermässig stabil wirkt.

H.Kloster 1-600

Nach dem Aufstieg, der trotz glühender Hitze nicht so anstrengend ist, wie zunächst befürchtet, quetscht man sich durch einen schmalen offenen Gang mit phantastischen Ausblicken, insbesondere auch zur Staumauer, der man sich durch ein weit aufgerissenes Drachenmaul nähern kann,

H.Kloster 3-430

H.Kloster 7-600

H

vorbei an Altären und engen Zugängen ins, wie ich zunächst erwartete, finstere Innere des Berges – es waren aber nur schmale dunkle Räume auf Stelzen. Altäre gibt es hier nicht nur für den Buddha, sondern auch für Tao-Gottheiten, die in China durchaus noch nicht vergessen sind. Fotografieren ist leider verboten, aber mit den kleinen Digitalkameras kann man trotzdem hie und da unauffällig ein Foto machen. Dann wird man halt von der Aufseherin ein bisschen beschimpft …

H. Kloster 6-430

Über unseren Köpfen chinesisch geschwungene Dächer mit Schutzgöttern auf den Ecken.

H. Kloster 4-430--

Ehe wir wieder in den Bus steigen, noch einmal einen Blick hinauf, zu den Stangen, auf denen dieses fragile Nest ruht.

H.Kloster 2-600

Und weiter geht es.

Nach einer Weile entlang der ewig gleichen Hügelkette ändert sich die Landschaft. Wir kommen in einer weiten, leicht welligen Lösslandschaft an, in welche der Regen tiefe Schluchten gegraben hat, und fahren vorbei an von der Moderne weitgehend unberührten Dörfern zur nächsten Zigarettenpause.

Löss-430

Dorf-430

Dort wachsen urplötzlich Männer, Frauen und Kinder aus dem Boden, die sich eifrig bemühen, uns selbstgebastelte Souvenirs zu verkaufen: gestrickte und gehäkelte Figuren, selbstgeschnitzte Buddhafigürchen – ich glaube, keiner von uns geht ohne eine Neuerwerbung in den Bus zurück.

Verkäufer-430

Wieder geht es durch Datong, wo uns im Vorüberfahren ein überaus heroisches Monument auffällt,

Monument-360

dann kommen wir zu den Yun-Gang-Grotten.

Wer immer eine China-Rundreise gemacht hat, kennt die Long-Men-Grotten und vielleicht auch die von Dazu; diese hier sind nicht sehr bekannt; aber mir scheinen sie bei weitem die eindrucksvollsten zu sein. Beim Eingang sieht alles noch bescheiden aus: ein troddelgeschmücktes Kamel hier,

Kamel-430

Ballons dort, und wenn man dann auf die Anlage zugeht, sieht man, dass schmale Häuser halb in die Grotten hineingebaut sind. Dort wohnen bis heute buddhistische Mönche. Und dann steht man vor dieser immensen Felswand

Yungang8

voller Löcher und Höhlen, mal schimmert es bunt aus dem Dämmerlicht des Inneren,

Yungang2-600

mal schaut von weit oben ein gewaltiger Buddha auf mich herab.

Yungang10-600

In manchen Höhlen findet sich nur eine schlichte Stele, in anderen wimmelt es von Figuren und Reliefs.

Yungang4-600

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Manche Grotten sind flach und von aussen ganz schlicht, andere haben kunstvolle Säulen vor der Pracht des Inneren. Die Anlage ist riesig und absolut überwältigend …

Yungang7-600

Aber es geht schon wieder weiter. Unterwegs besuchen wir einen Bauernhof – darüber fühlte ich mich jetzt natürlich sehr erhaben, aber es half alles nichts. Ich musste mit, und ich durfte auch nicht darüber sprechen, wie stark sich die Ansichten chinesischer Bauern zum Thema Hygiene von den meinen unterscheiden – schliesslich sollte den anderen die Illusion erhalten bleiben, dass dies ein spontanes Intermezzo sei und dass alle Bauern dort gastfeundlich sind und sich gewaltig über den Besuch einer Horde Langnasen freuen.

Naja, ich schäme mich ein bisschen! Die Leute haben sich tatsächlich gefreut, haben erklärt, wie sie ihre Arbeit machen, die Teegläser waren blitzsauber poliert, und das kleine Mädchen, das so bereitwillig für unsere Fotos posierte, war entzückend.

Bauernhof3-430


Folge 2

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