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FeuilletonFrankfurt

Das Magazin für Kunst, Kultur & LebensArt

PETRA KAMMANN, HERAUSGEBERIN · www.feuilletonfrankfurt.de · GEGRÜNDET 2007 VON ERHARD METZ

Die Frankfurter Künstlerinnengruppe „Labyrinth“

In ihrer inzwischen neunten Gemeinschaftsausstellung zeigte die Frankfurter Künstlerinnengruppe „Labyrinth“ unlängst in den nun schon zum vierten Mal zu einer veritablen Ausstellungshalle aufgeräumten Atelierräumen in der Frankfurter Borsigallee vorwiegend aktuelle Arbeiten von Inge Braun, Evelyne Brotfeld, Denise Graf, Liia Kängsepp und Elena Primavera, die sozusagen den „harten Kern“ der Gruppe bilden.

Diese Künstlerinnen treffen seit dem Sommer 2000, als sie sich in der Städel-Abendschule kennenlernten, regelmässig zum Gedankenaustausch über ihre Arbeiten und Fragen der Kunst sowie zu gemeinschaftlichen Ausstellungen und Unternehmungen – dazu zählen auch Studienreisen zu gemeinsamem Malen, Zeichnen und Fotografieren – zusammen. Zu der Gruppe gehören beziehungsweise gehörten ferner Elizabeth Dorazio, Brigitte Hein, Anna Horneff und Brigitte Puhl.

Auch die diesjährige Ausstellung der Gruppe Labyrinth unterstreicht erneut den hohen Qualitätsanspruch dieser Künstlerinnen. Sie besuchten, wie erwähnt,  allesamt die Städel-Abendschule, sie nahmen grossenteils an der in Frankfurts Kulturkreisen hochgeschätzten Ausstellung „Die Abendschule der Städelschule“ im Jahr 2008 in der Frankfurter Sparkasse 1822 teil.

Apropos Städel-Abendschule: Im vergangenen Jahr gelang es noch, Bestrebungen gewisser Kreise abzuwehren, die der traditionsreichen, 1947 von den Max Beckmann-Schülern Theo Garve und Walter Hergenhahn gegründeten Schule, einer Einrichtung der als Städelschule bekannten Staatlichen Hochschule für bildende Künste, den Garaus machen wollten. Wie immer wurden finanzielle Gründe vorgeschoben, obwohl es doch eher um die Frage ging, ob die Abendschule kulturpolitisch noch erwünscht sei. Und auch heute wieder macht die Sorge die Runde, die Existenz der Abendschule stehe nach wie vor auf dem Spiel.

Doch zurück zur Künstlerinnengruppe Labyrinth:

Elena Primavera wurde 1957 in Dortmund geboren. Von 1963 bis 1967 lebte sie in Jesi und in Rom, anschliessend übersiedelte sie nach Bad Vilbel. In Frankfurt am Main studierte sie Kunstgeschichte, Philosophie und Romanistik, von 2000 bis 2005 besuchte sie die Städel-Abendschule.

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Elena Primavera, o.T. (blase violett), 2010, Öl auf Holz, 52 x 47 cm

Die Künstlerin beschäftigt sich mit Momentaufnahmen von flüchtigen Dingen wie Schäumen oder Blasen. Ihren Malarbeiten liegen selbstgefertigte Fotografien zugrunde. Die malerische Umsetzung nimmt jedoch gegenüber dem fotografischen Akt einen oft langen Zeitraum in Anspruch, wobei sich neue Eindrücke, Einsichten und Reize ergeben.

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Elena Primavera, o.T. (banner blau gelb), 2009, Öl auf Holz, 45 x 61 cm

Natürlich denken wir an Peter Sloterdijks Trilogie „Sphären“, seine Geschichte der Menschheit, an die Metaphern der Blasen und Schäume. Auch an Befruchtung und Zellteilung, Wachstum und Entwicklung. Und an die Vergänglichkeit irdischen Seins.

Denise Graf, 1967 in Frankfurt am Main geboren, überrascht uns, wie früher schon Gesine Götting, mit immer noch ungewöhnlichem Zeichen- beziehungsweise Malgerät: dem Kugelschreiber. Die Künstlerin beschäftigt sich mit linearen Strukturen, die auf  Zeichnungen beruhen. Indem sie bestimmte Flächen des Papiers wiederholt mit dem Kugelschreiber bearbeitet, treten die Linien zu dreidimensional anmutenden Strukturen aus der Fläche heraus. Die Papiere sind jeweils hinter gerahmtem Glas fixiert.

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Denise Graf, raumgitter, 2010, Kugelschreiber auf Papier, Din A5

Ihre Arbeit „raumgitter“ lässt Kraftlinien erahnen, wie wir sie aus naturwissenschaftlichen Darstellungen von Gravitationsfeldern und Raumkrümmung kennen. Virtuos ihre Verknüpfungen und Verschaltungen von Nervenbahnen assoziierenden Arbeiten.

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Denise Graf, o.T., 2010, Kugelschreiber auf Papier, Din A6

Auch Grafs Figurationen aus Modelliermasse oder gebranntem Ton sind verräumlichte, mal sich verdickt und wieder verdünnt windende, mal sich, der Schwerkraft folgend, in die Tiefe hinabziehende Gebilde, die im Linearen ihren Ausgang nehmen.

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Denise Graf, o.T.  2010, Modelliermasse

Die 1967 in Frankfurt am Main geborene Künstlerin studierte nach dem Besuch der Modeschule der Stadt Wien an der Frankfurter Johann Wolfgang Goethe-Universität Völkerkunde, Philosophie und Kunstgeschichte. Von 2000 bis 2004 erhielt sie an der Städel-Abendschule bei Nicole van den Plas und Vroni Schwegler ihre künstlerische Ausbildung.

Inge Braun, 1952 in Darmstadt geboren, besuchte von 1996 bis 2001 die Städel-Abendschule mit dem Schwerpunkt Malerei ebenfalls bei Nicole van den Plas.

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Inge Braun, Frucht, 2009, Öl/Textil, 30 x 30 cm

In der jüngsten Ausstellung der Gruppe Labyrinth zeigte sie Malerei in Öl auf ausgewählten oder mitunter vorgefundenen Textilien wie Möbel- und Dekorationsstoffen. In „Frucht“ sehen wir, vor üppigem Blüten- und Blätterwerk, zwei an die hinduistische Durga oder an Kontorsionskünstler erinnernde, spiegelbildlich einander verhaftete androgyne Gestalten vor wiederum zwei im Hintergrund verdeckten, jene vielleicht gebärenden Frauen.

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Inge Braun, Prinzessin Katharina, 2009, Öl/Textil, 24 x 24 cm

Eigenwillig und ironisch die Reihe von Stuhlszenen der Künstlerin. Diesen Stuhl soll es tatsächlich geben, wer aber mag wohl die Prinzessin Katharina sein? Eine unter diesem Namen durch facebook geisternde junge Dame? Oder die wiederholt exilierte, einem so wechselhaften Schicksal unterworfene Katharina von Griechenland, Lady Brandram, letzte Urenkelin von Königin Victoria? Verfügte sie über kein bequemeres Sitzmobiliar?

Und: Wer mag auf dem „Roten Stuhl“ in schönster Paisley-Umgebung Platz nehmen wollen? Stühle als Metapher für Sitzen und Beharren, Stühle in allen Lebenslagen, aber wo sind die Menschen?

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Inge Braun, Roter Stuhl, 2009, Öl/Textil, 75 x 55 cm

Die Malerin Liia Kängsepp, 1976 im estländischen Kaagjärve geboren, pflegt das grosse Format. In expressivem Malstil und mit kräftigen, kontrastreichen Farben setzt sie sich mit dem Thema der menschlichen Figur und der Existenz in urbanisierten Lebensräumen auseinander.

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Liia Kängsepp, gran canaria, 2010, Acryl/Öl auf Leinwand, 175 x 190 cm

Rotbraun ist der Sand, bestückt mit den üblichen Urlaubsgerätschaften wie Liegestühlen, Badelaken und Sonnenschirmen. Eine illusionistisch-kitschige Welt, vom Alltag rasch wieder eingeholt.

Liia Kängsepp absolvierte nach dem Besuch der Städel-Abendschule ein reguläres fünfjähriges Studium an der Staatlichen Hochschule für bildende Künste, der Städelschule, bei Professor Christa Näher. 2005 war eine Auswahl ihrer Arbeiten in der traditionellen Absolventenausstellung der Städelschule vertreten. Im gleichen Jahr stellte sie auch in der Frankfurter AusstellungsHalle 1A aus.

Der Bildhauerin Evelyne Brotfeld widmen wir einen anschliessenden Beitrag.

(abgebildete Werke © jeweilige Künstlerinnen;
Fotos: FeuilletonFrankfurt)


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