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FeuilletonFrankfurt

Das Magazin für Kunst, Kultur & LebensArt

PETRA KAMMANN, HERAUSGEBERIN · www.feuilletonfrankfurt.de · GEGRÜNDET 2007 VON ERHARD METZ

Tele-Visionen und Eisenbaum

Fernrohre laden ein zum Blick in eine merkwürdige Ferne –
ein Eisenbaum lockt zum gedankenschweren Aufstieg

Es gibt – viele meiner Leserinnen und Leser kennen ihn längst – den Regionalpark RheinMain. Wir besuchten unlängst wieder einmal das Parkgebiet Hochheim / Flörsheim: genauer gesagt die „Flörsheimer Schweiz“ mit der im Jahr 1715 errichteten St. Anna-Kapelle, wobei unser Interesse – wie kann es anders sein – auch dem der Kapelle zu Füssen liegenden, gleichnamigen Weinberg galt, der kleinsten Einzellage des Anbaugebietes Rheingau. Er liefert, neben einem Rivaner, vor allem einen ordentlichen Rieslingwein, wie es sich für den Rheingau gehört. Und wo Wein wächst, kann bekanntlich die Kultur – sprich Kunst – nicht fern sein.

So finden wir denn auch alsbald oberhalb des ansteigenden, von Mispeln gesäumten Weinbergs zwei bemerkenswerte Installationen „im öffentlichen Raum“. Wir möchten sie kurz vorstellen, um Appetit auf mehr im Regionalpark positionierte Werke zu wecken.

Da sind zunächst die „Tele-Visionen I“: Die Bildhauerin Ingrid Hornef stellt sieben „FERNrohre“ auf die Anhöhe. Man soll sie auf die am Horizont sichtbaren Hügel der Mülldeponie Flörsheim-Wicker richten – es handelt sich dort, im Gegensatz zu den Zuständen im Berlusconi-Land, fast schon um einen (von euphemischen Kommunalpolitikern auch tatsächlich so bezeichneten) Deponiepark. Wir schauen mangels eines gläsernen Okulars  sozusagen in die Röhre und reiben uns anschliessend verblüfft die Augen.

Was wir da sehen, ist ja der Frankfurter Dom, wie das? Auf den Deponiehügeln? Ja und in den benachbarten Rohren den Eiffelturm im 480 Kilometer entfernten Paris und das Amphitheatrum Flavium im rund 1000 Kilometer entfernten Rom und, und … Und dann eine veritable Fata Morgana: die Sphinx vor der Chephren-Pyramide! Das kann doch nicht mit rechten Dingen zugehen, es muss sich um ein Kunstwerk handeln.

„Werden Generationen nach uns vielleicht ihre Prachtbauten auf unsere Müllberge errichten? Unser Abfall als Fundament künftiger Bauten?“ fragt Ingrid Hornef.

Das aktike Rom liegt rund vier Meter unter dem heutigen Stadtniveu. Eine Kultur baut und entsteht auf den Schutthaufen der vergangenen – das ist wahr, bisher jedenfalls. Künftig auch auf den Gift- und Atommüllhalden unserer heutigen Zeit?

Nicht weit davon entfernt grüsst uns der „Eisenbaum“, dessen Anblick uns bei näherem Hinsehen auch bei spätsommerlicher Temperatur frösteln lässt.

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Der Eisenbaum, 2007; Beton und Stahl, verzinkt und lackiert; 18 x 13 m, Blätter 70 x 70 cm; Idee: Lorenz Rautenstrauch, Entwurf: Frank Geelhaar, Metallbau: Bernd Dasbach

Bäume, bedrohte und vielfach hingemeuchelte Wesen vor allem im Rhein-Main-Ballungsraum mit seinem Grossflughafen. Ganze Wälder werden abgeholzt, fallen verkehrstechnischen Anlagen zum Opfer. Vom Menschen angelegte Monokulturen sind leichte Beute für Naturkatastrophen. Gentechnische Manipulationen bedrohen Fauna und Flora. Wir leben in einer Welt des „Künstlichen“, des der Natur Nachgestellten, weil es der oberflächlichen Betrachtung nach billiger ist. Unsere Nahrungsmittel sind verdorben von Extrakten und Stabilisatoren, Emulgatoren und Regulatoren, von Antioxidantien und Farb- und Geschmacksverstärkern aller Art.

Werden vielleicht schon unsere künftigen Ur-Ur-Enkel nur noch Eisenbäume sehen, als Denkmäler längst vergangener Vegetation?

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Im Blätterwerk des Eisenbaums

Ein Mahnmal, aber auch ein Kunstwerk, der 18 Meter hohe Eisenbaum: ohne Treppe und Aussichtsplattform 38 Tonnen schwer; 10 Äste aus bis zu 29 Einzelsegmenten verzweigen sich; 91 Blätter, die drei obersten mit Solarzellen bestückt; bewegungsmeldergesteuerte Sprach- und Klanginstallation mit fünf Lautsprechern. Um den stählernen, ausbetonierten Stamm des Eisenbaums führt eine Treppe auf eine Aussichtsplattform. Der Aufstieg lohnt: Man kann von ihr aus noch recht viele echte Bäume erblicken.

(abgebildete Objekte © jeweilige Künstler; Fotos: FeuilletonFrankfurt)

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