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FeuilletonFrankfurt

Das Magazin für Kunst, Kultur & LebensArt

PETRA KAMMANN, HERAUSGEBERIN · www.feuilletonfrankfurt.de · GEGRÜNDET 2007 VON ERHARD METZ

Blickachsen 7 – Skulpturen im Kurpark und Schlosspark Bad Homburg

Können Kunst und Gesundheit etwas Gemeinsames haben? Aber sicher! Wenn Sie, liebe Leserinnen und Leser, beispielsweise durch den Bad Homburger Kurpark und anschliessend noch durch den Schlosspark gehen und sich dabei nicht weniger als 40 Arbeiten, genauer gesagt Skulpturen, von 22 Künstlerinnen und Künstlern anschauen. Sie werden dabei so an die sechs, sieben Kilometer zurücklegen, gänzlich neue Eindrücke und Einsichten gewinnen und abends das gute Gefühl haben, an frischer Luft etwas für die körperliche Ertüchtigung getan zu haben.

Auf welche Reise möchten wir Sie gerne schicken? Zu der Schau „Blickachsen 7“, die nur noch bis zum 4. Oktober 2009 zu sehen sein wird. Hier möchten wir all denjenigen, die sich bislang noch nicht auf den Weg nach Bad Homburg begeben konnten, mit einer Auswahl von 13 Objekten möglichst viel Appetit machen. Um niemandem Unrecht anzutun, gehen wir in alphabetischer Reihenfolge vor. Ein paar kleine Überraschungen haben wir eingestreut. Auf geht’s!

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Laura Ford, Rag and Bone With Bags, 2007, patinierte Bronze, 118 x 145 x 90 cm

Als Element einer dreiteiligen Installationsreihe präsentiert die 1961 in Cardiff geborene Laura Ford eine ihres Weges ziehende Obdachlose mit deren Habseligkeiten, ein in der Frankfurter Innenstadt erschütternd-„vertrauter“ Anblick. Die Frau in der Gestalt eines Igels erinnert an die uns aus dem Frankfurter MMK bekannten, mit Obdachlosengut behangenen Fahrräder von Andreas Slominski. Eine eindringliche Anklage gegen die gesellschaftliche Realität unserer Zeit.

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Paul Hoffmann, Tor (Hemmingen), 2005, Granit, 230 x 250 x 210 cm

Der Künstler, 1970 in Hannover geboren, widmet sich der Steinbildhauerei. In den monolithischen Granitblock mit seiner rauh behauenen Oberfläche scheint ein Tor zu weisen, soll es einen  – gedanklichen – Zutritt in das Innere des vom Künstler bearbeiteten, urweltlichen, für seine Härte bekannten Materials erschliessen?

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Kenny Hunter, Bonfire, 2009, Eisenguss, 120 x 122 x 64 cm

Kenny Hunter, 1962 in Edinburgh geboren, „entzündet“ zwei an Lagerfeuer, aber auch an Scheiterhaufen erinnernde rostrote Eisengüsse. Wird der Brand den in der Nähe heraufgewachsenen, mächtigen alten Baum verschonen? Welchen Frevel an den Wäldern, an der Natur begehen die Menschen mit ihrem ständig wiederkehrenden brandstifterischen Treiben in aller Welt, mit den grauenvollen Rodungen der Urwälder?

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Dietrich Klinge, Gordian V, 2006, Bronze, 254 x 122 x 148 cm

Es ist wirklich kein Holz, sondern ein Bronzeguss, staunt der Betrachter, durch Klopfen auf die Skulptur hat er sich überzeugt. Dietrich Klinge, 1954 in Heiligenstadt geboren, arbeitet lediglich mit Modellen aus Holz. Seinen Bronzearbeiten gibt er mit einer geschickten Patinierung die Anmutung von Holz oder lebendigen Baumstämmen. Die Skulptur wächst gleichsam aus dem Boden heraus, leider stört die nicht überzeugende Sockelplatte.

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Masayuki Koorida, Flower, 2008, Granit, mehrteilig, verschiedene Ausmasse

Der 1960 in Kyoto geborene Masayuki Koorida breitet seine „Blumen“ genannten Skulpturen aus poliertem schwarzen Granit – sie erreichen einen Durchmesser von bis zu zwei Metern – auf einer grossen Grünfläche aus, riesigen Bakterien oder Parasiten gleich. Bei aller Schwere und Wucht des Granits wirken die Gebilde doch nahezu zierlich, ja auf eine gewisse Weise lebendig, als wollten sie sich langsam über die Wiesenfläche fortbewegen.

David Nash, 1945 in Esher / Surrey geboren, beschäftigt sich mit Holz, und auch seine Metallskulpturen und -güsse entwickelt er, ähnlich wie Dietrich Klinge, nach Modellen aus diesem naturgewachsenen Material. Der fünf Meter hohe „Blitzschlag“ lässt die Kraft, ja Gewalt verspüren, die diesem Naturphänomen innewohnt.

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Michele Oka Doner, Titan, 2004, Bronze, 162 x 61 x 45 cm

Die 1945 in Miami Beach geborene Michele Oka Doner sammelt organische Materialien, deren Formen und Anmutungen sie in ihren Arbeiten künstlerisch umsetzt. Ein Mitglied der Titanen, Nachkommen der Gaia (Erde) und des Uranos (Himmel), des mächtige Göttergeschlechts der altgriechischen Mythologie, hier ohne Kopf  und ohne Arme dargestellt, der Körper, auf menschlichen Füssen stehend, von muschelkalkähnlicher ausgelaugter, zerfressener Struktur. Die Macht der einst mächtigen Götter ist gebrochen.

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Tom Otterness, The Lion and the Mouse, 2003, Bronze, 81 x 163 x 124 cm

„Der Löwe und das Mäuschen“ des altgriechischen Fabeldichters Äsop, eine Geschichte ähnlich der von David und Goliath, den Sieg des Schwachen über den Starken finden wir in dem Bronzguss des figurativ arbeitenden, 1952 in Wichita, Kansas geborenen Bildhauers. Seine zunächst humorvoll wie kindlich anmutenden, narrativen Skulpturen sind oft von politischer Sprengkraft, sie karikieren und kritisieren politische wie gesellschaftliche Machtverhältnisse. Der mächtige Löwe liegt gefesselt am Boden, das kleine Mäuschen triumphiert.

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Vanessa Paschakarnis, Internal Shield, 2005, roter italienischer Marmor, 100 x 80 x 116 cm

Für ihre Arbeiten erhielt die 1970 in Werneck geborene Künstlerin unlängst den im Rahmen der „Blickachsen“ verliehenen Förderpreis des Rotary Clubs Bad Homburg-Schloss. Die streng durchkomponierte Form und Marmor von erlesener Schönheit verleihen der Skulptur einen zeitlosen ästhetischen Reiz. Mögen sich beim Betrachter auch mancherlei Assoziationen einstellen, so zeugt bereits die formale Vollendung dieses Kunstwerks von dessen herausragender Qualität.

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Peter Randall-Page, Warts and All, 2006, Granit, 150 x 225 x 120 cm

Welch eigenartiges Tier präsentiert uns der 1954 in Essex geborene Künstler? Oder welche überirdisch-riesige Frucht? Die kaum zu zählenden pickeligen Erhebungen der vermeintlichen Haut oder Fruchtschale sind in fein geschwungenen, sich kreuzenden bogenförmigen Linien angeordnet. Licht und Schatten der umstehenden Bäume geben der Oberfläche zusätzlich eine besondere, wechselnde Kontur. Randall-Page setzt sich mit den in der Natur vorfindlichen Mustern und Strukturen auseinander.

13 geborstene Ringe eines gewaltigen Synchrotrons, von aufleuchtenden Magnetströmen durchflossen? Die monumentale Arbeit von Bernar Venet, 1941 in Château-Arnoux / Saint-Auban geboren, suggeriert elementare Energie und Kraftentfaltung. Und doch schliessen sich die Ringe nicht, sie unterbrechen den Kraftstrom. Der Rost auf der stählernen Oberfläche bildet feine lineare Strukturen – wir erstaunen: Wie makellos schön das ungeliebte Korrosionsprodukt doch sein kann!

(Abgebildete Werke © jeweilige Künstler; Fotos: FeuilletonFrankfurt)


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