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FeuilletonFrankfurt

Das Magazin für Kunst, Kultur & LebensArt

PETRA KAMMANN, HERAUSGEBERIN · www.feuilletonfrankfurt.de · GEGRÜNDET 2007 VON ERHARD METZ

Starke Hände, starke Frauen – Barbara Feuerbach und das Bild der Frau in ihrer Malerei

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(Ausschnitt-Fotos: Erhard Metz)

Von Erhard Metz

Diese Hände – wem mögen sie wohl gehören? Wir verraten es: der wundervoll-schöpferischen Malerin Barbara Feuerbach – und einem ihrer weiblichen Geschöpfe, der in verschiedenen Versionen gemalten „Schönen Ulmerin“ – alias Maria Magdalena.

Barbara Feuerbach – wir veröffentlichten vor längerem  in diesem Magazin eine feurige Betrachtung ihrer Arbeiten – sie hat die starken Hände einer starken Malerin und Frau. Und es sind – neben vielem anderen – solche Hände, die sie in ihrer Malerei ihren Protagonistinnen mit auf den Weg gibt, als ein Attribut von versammelter Stärke, in sich ruhendem Selbstbewusstsein, heiterer und zugleich disziplinierter Vitalität.

Auch wenn uns eine ihrer „Schönen Ulmerinnen“ hier einmal nicht in pastellgrellem (ja, das gibt es tatsächlich auf Barbara Feuerbachs geheimnisvoller Palette) Rosa, Gelb, Grün, Blau oder Violett entgegensieht, sondern in verschmitzt-grünbraunem Fischgratmuster mit frech-aufsässigem, uns auf irgend eine Weise an Robin Hood erinnernden Hut unseren flanellgrauen männlichen Alltag aufmischt.

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(Bildnachweis: © Barbara Feuerbach)

Hände – es sind die frühesten Gestaltungsinstrumente einer sich in der Evolution auch durch ihrer Hände Arbeit entwickelnden Menschheit. In seinen Händen finden physische und psychische Konstitution eines Menschen durchaus adäquaten Ausdruck. Das wusste auch der von der Malerin als Vorbild verehrte Max Beckmann in seinen Arbeiten gestalterisch einzusetzen.

Neben der Frische der Farben, der Kraft und dem dynamischen Duktus des Farbauftrags, den mit unverwechselbarem Feuerbach-Blick schauenden Augen und dem charakteristisch geschwungenen übergrossen Mund, den die Malerin ihren Protagonistinnen gibt, der nonchalanten, spielerischen Choreografie eines Henri Matisse, mit der sie jene ins Bild setzt, sind es diese ebenfalls übergrossen Hände,  die Lebensfreude und Tatkraft, Gestaltungswillen und Mut vermitteln. Beschreitet der Betrachter einen Irrweg in der Vermutung, dass sich die Künstlerin unbewusst ihre eigenen Hände zum Vorbild nimmt?

Und sie spielt mit diesen Händen, diesen Fingern, man sollte letzteren durchaus Aufmerksamkeit schenken, könnte es doch sein, dass dieser oder jener Figur schon mal ein Finger an einer Hand fehlt: verborgenes Erkennungsmerkmal, Chiffre, für Unsympathisches, gar Böses?

In der Reihe „Lipsticks“ dominieren – mitunter die Grenze zum Parodistischen berührend – vor Lebensfreude und Selbstwertgefühl „strotzende“ Frauen: Sie treten in extravaganten, ultrakurzen Boutique-Kleidchen auf, springen über aus Designerhülsen ausgefahrere Lippenstifte, räkeln sich selbstverliebt in Hängematten oder steuern lässig-geniesserisch einen altehrwürdigen Oldtimer-Roadster (wobei „sie“ selbstverständlich auch den britischen Rechtslenker beherrscht).

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(Bildnachweis: © Barbara Feuerbach)

Das Bild der Frau in ihrer Malerei – so lautete unlängst denn auch das Thema eines gutbesuchten Künstlerinnengesprächs in der Frankfurter Galerie ARTE GIANI, der unsere Titelheldin verbunden ist.

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Galeristin Claudia Giani-Leber und Barbara Feuerbach beim Künstlergespräch in der Galerie ARTE GIANI  (Foto: FeuilletonFrankfurt)

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(Bildnachweis: © Barbara Feuerbach)

Erwischt! Da ist sie: Die Lady aus der Serie „Flintenweiber“ hat an ihrer Linken nur drei Finger! Warum auch trägt die „Unsympathische“ eine Tellermine auf dem Kopf! In bemerkenswertem wie irritierendem Kontrast: die elegante nerzbesetzte, malerisch aufs Feinste ausgeführte Garderobe der Dame.

Aber schauen wir genauer hin: Das Bild mag in besonderer Weise für die Ambivalenz vieler Arbeiten Barbara Feuerbachs stehen, für den Antagonismus zwischen einer Ästhetik, Schönheit, Innerlichkeit, kluger Friedfertigkeit verbundenen Weiblichkeit und einer oft im martialisch-kriegerischen Gebaren verharrenden, darin immer noch maskulin bestimmten Realität. Das mit den Tellerminen – jenen heimtückischen, barbarischen Kampfmitteln – scheinbar kokettierende „Flintenweib“ mutet uns deshalb nicht als Typus einer Terroristin an. Könnten die aschfahle, bläulich abgestorben erscheinende Haut, diese krallig-verkrampften Hände mit den blutigroten Fingernägeln nicht vielmehr eine Tote im Leichenschauhaus versinnbildlichen – nicht Täterin, sondern Opfer einer kampfbetonten, Tellerminen verbreitenden männlichen Welt?

Spiegelt sich das Bild der Frau in Feuerbachs Malerei zum einen unmittelbar in der Verkörperung ihrer Protagonistinnen wider, so definiert es sich zum anderen in der Darstellung der Männer.

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(Foto: Erhard Metz)

Nahezu sorgfältig beschützend hält die mit einem – mit feiner weisser Spitze besetzten – Kleid in warmem Rot gewandte Dame einen puppenhaft verkleinerten, mit Anzug, weissem Hemd und Krawatte korrekt gekleideten Mann in ihrer Rechten. Dieser streckt seine winzige, einem Vogelfüsschen ähnliche linke Hand in Richtung des übermächtig erscheinenden, den Weg weisenden Zeigefingers der Frau. Auf seinem Gesicht ein einfältig-zufriedenes Lächeln.

Dann die der Karikatur nahe Serie der „Bestäuber“: Junge, fröhliche, mitunter androgyn anmutende Männer hüpfen und springen, mit bunten schulterfreien Wäschebodys (nannte man zu früheren Zeiten solche Art Kleidung, wenn auch in weissem Feinripp, nicht „Hemdhosen“?) angetan, in ihren Händen halten und auf ihren Schultern tragen sie riesige Blütenstände – beherrscht und beseelt von ihrer biologischen Bestimmung, ihren Samen und ihre Gene in alle erreichbaren weiblichen Welten zu tragen.

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(Foto: Erhard Metz)

Hier gibt sich ein wiederum korrekt gekleideter Mann eine vergebliche Mühe: Seinen – noch dazu von einer Klarsichtfolie abgeschirmten – Blumenstrauss, den er wohl den Damen zugedacht hat, benötigen diese nicht, leben sie doch selbst in einem üppig blühenden Garten, den sie mit Giesskannen in ihren Händen pfleglich bewässern. Grünlich-blässlich der Mann, die Aura aus einer roten kreisförmigen Blume verstärkt seinen tragikomischen Gestus.

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(Bildnachweis: © Barbara Feuerbach)

Anders wiederum eine poetisch-zärtliche Szene: Eine junge Frau, wir vermuten sie in Schwangerschaft, ein junger Mann, sportlich mit lediglich einer Badehose bekleidet. Wie schützen wollend, dennoch hilflos-ungelenk legt er seine Linke seitlich an die Frau, diese aber hält jene fast ebenso beschützend, vielleicht zugleich abwehrend fest, ihre Hand ist grösser, dominiert. Eher verlegen, eine Barriere zwischen sich und der Frau bildend, führt der Mann seine rechte Hand an seine Brust. Skeptisch der Blick der Frau in die Zukunft, unsicher der des Mannes.

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(Foto: Erhard Metz)

Und schliesslich die Reihe der „Dunkelmänner“: Hoffnungsvoll-siegesgewiss ergreift der Herr in dunklem Zwirn seine vermeintlich sichere weibliche Beute, ein weiterer „Dunkelmann“ schaut voyeuristisch-grinsend zu. Die Dame in blumigem Rosarot vor ebenso blumigem rosarotem Hintergrund weiss um das bekannte Spiel. Blauäugig blickt sie vor sich hin – im doppelten Sinne dieses Wortes? Ihre Arme verschränkt sie in koketter Abwehr; sie kennt die Spielregeln.

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(Bildnachweis: © Barbara Feuerbach)

Mit Heiterkeit und Ironie, nie bösartig und niemals zynisch begegnet Feuerbach in ihren Arbeiten der männlichen Welt. Aber sie widerlegt entschlossen jenen Mythos, dass die Frau einst aus der Rippe des Mannes geschaffen ward.

Die Künstlerin blickt zu einer ihrer Arbeiten aus der Reihe „La belle Strasbourgeoise“ auf: eine Art „schrecklich nette Familie“. Der Mann in seiner verfremdeten steinernen Monumentalität (Vorbild soll der Hl. Laurentius sein), auf seinem Gesicht spiegeln sich böse Ahnungen, die zierliche Frau, ihre übergrosse Hand auf seiner von schwerem Umhang gedrückten Schulter, scheint wissend in eine dunkle Zukunft zu blicken, an „feuerbachroter“ Leine hält sie ein garstiges Bastardhündchen, dem ein Wasserspeier des Strasbourger Münsters als Vorbild dient.

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(Foto: Erhard Metz)

Barbara Feuerbach bricht in Lachen aus, ihr wissendes Lachen steckt uns an, entfaltet Befreiendes. Es löst sich ein Etwas in unserer von grauem Flanell bedeckten Brust. So herzlich-offen, wie die Künstlerin arbeitet, macht sie uns mit ihrer Kunst zum Ahnenden, wohl gar zum Mitwisser ihrer Geheimnisse, ihrer Weisheiten. Und wir schauen auf ihre in konzentrierter Kraft versammelten, gestaltenden Hände.

(alle abgebildeten Werke © Barbara Feuerbach)

→   Wer wagt sich aufs Wasser mit Barbara Feuerbach?

Ein Kommentar zu “Starke Hände, starke Frauen – Barbara Feuerbach und das Bild der Frau in ihrer Malerei”

  1. Kurt Höffner
    14. Mai 2010 18:51
    1

    Liebe Barbara,

    ich bin ein Fan von Dir und leide unter Entzugs-Erscheinungen. Wann darf ich mal
    wieder etwas von Dir hören.

    Vor allem hoffe ich, dass es Dir gut geht.

    Dein Schüler (für drei Wochen)

    Kurt