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FeuilletonFrankfurt

Das Magazin für Kunst, Kultur & LebensArt

PETRA KAMMANN, HERAUSGEBERIN · www.feuilletonfrankfurt.de · GEGRÜNDET 2007 VON ERHARD METZ

Mit Att Poomtangon auf Fischfang im Frankfurter Portikus

An der Wand ein kleiner Zeitungsausschnitt, Frankfurter Rundschau, 30. November 1988: Ein Artikel über einen Mann, “in dessen Augen sich, so wurde erzählt, Himmel und Fluss spiegelten”. Von Aal-Pfeiffer ist die Rede, von Joseph Pfeiffer, dem letzten der einst rund 45o Mainfischer allein im südlich des Flusses gelegenen Frankfurter Stadtteil Sachsenhausen. Am Rechneigrabenweiher hat ihm die Stadt ein Denkmal gesetzt.

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Wer den Zeitungsausschnitt an einer Wand der Frankfurter Ausstellungshalle Portikus lesen möchte, muss sich zunächst auf ein kleines Abenteuer einlassen: eine Art von Boot besteigen, das keines ist, vielmehr eine schwarze Plastikschüssel, in einen LKW-Reifenschlauch gebettet, das Gefährt schwankt bedenklich beim Entern, ein Sturz ins Wasser scheint nicht ausgeschlossen, endlich, wir sitzen in dem kleinen Rund, eine Hand stösst es vom hölzernen Ufersteg ab, reicht uns noch ein Paddel – wir treiben auf dem Wasser. Mit jedem Paddelschlag dreht sich das schwimmende Etwas um sich selbst, erst langsam lernen wir, es mit dem hölzernen Werkzeug in eine Richtung zu bugsieren, vielleicht gar zur ersehnten Lektüre des nur spärlich beleuchteten Zeitungsartikels an der entfernten Wand. Es ist dunkel, es ist Nacht über dem Wasser im Portikus, nur ein paar kleine Punktlichter leuchten, Sternen gleich, vom Himmel, einem Fischernetz, auf uns herab. Fische, an besagtem Netz aufgehängt, halten die Lämpchen in ihren Mäulern.

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In der Dunkelheit auf dem Wasser verspüren wir in unserem kleinen, leicht schaukelnden Rund, losgelöst vom Alltag, ein Wohlgefühl, eine eigenartige Leichtigkeit. Doch werden wir uns bewusst: Wir sitzen in einem Vehikel, welches kaum diesen Namen verdient, in Thailand jedoch auch heute noch traditionell zum Fischfang eingesetzt wird. Die Fischer nutzen die Plastikschüsseln zugleich als Boot wie auch als Fangbehälter.

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Der thailändische Künstler Att Poomtangon hat die Ausstellungshalle des Portikus in eine nächtliche Fluss- oder Meeresszenerie verwandelt. Über 60 Zentimeter hoch steht das Wasser in dem mit einer schwarzen Folie versiegelten, 90 Quadratmeter grossen, abgedunkelten Saal. Dessen Boden – zugleich Decke der darunter liegenden Räumlichkeiten – wurde aus statischen Gründen mit sechs Stahlstützen unterfüttert.

Poomtangon setzt sich in seiner Installation “On the Way to the Alps I see Sand” mit dem Konflikt zwischen den natürlichen Ressourcen, konkret der Reinheit und Qualität des Wassers, dem damit verbundenen Fischreichtum und einer der Ernährungsgrundlagen der Menschen einerseits und den – vermeintlichen – ökonomischen Zwängen andererseits auseinander, die diese Ressourcen in Flüssen und Meeren gefährden, wenn nicht zerstören. So nimmt die Vielfalt der Fischbestände weltweit fortlaufend ab, zu Lasten auch des ökologische Gleichgewichts in den Gewässern.

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Aber sprachen wir soeben nicht von einem gewissen Wohlgefühl, einer Leichtigkeit, die uns in unserem schaukelnden Ring erfüllte? Etwas von Spiritualität scheint sich mit Poomtangons Installation auf uns zu legen: In ihren Tempeln verehren die Thailänder auch heute noch die Tierwelt, namentlich die Fische, die ihnen als wichtigstes Nahrungsmittel dienen. Att Poomtangon gelingt es, eine gleichsam weihevolle Athmosphäre auf und über dem Wasser zu initiieren, die rituelle Stimmung in einem thailändischen Tempel zu vermitteln.

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Nicht umsonst siedelt Poomtangon seine Arbeit auf der Frankfurter Maininsel an: „Der Main war der fischreichste Fluss Deutschlands“, schrieb Aal-Pfeiffer seinerzeit an die Frankfurter Rundschau – wiedergegeben im zu Beginn erwähnten, nicht ohne weiteres erreichbaren Artikel an der fernen Wand. „Heute ist er eine stinkende Abfallgrube der Industrie, der Berufsfischer ist seiner Existenz beraubt worden. Durch das Mainwasser habe ich mir eine infektiöse Gelbsucht zugezogen.“

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Att Poomtangon in der Portikus-Pressekonferenz

Att Poomtangon, 1973 im thailändischen Bangkok  geboren, studierte an der Chiangmai University in Chiangmai Kunst mit dem Schwerpunkt Skulptur. Sein an der Staatlichen Hochschule für Bildende Künste / Städelschule) fortgesetzes Studium schloss er als Meisterschüler bei Tobias Rehberger ab. Auf der 53. Biennale 2009 in Venedig ist er mit einer raumgreifenden Skulptur auf dem Gelände der Arsenale vertreten.

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Bevor wir den Portikus verlassen, werfen wir einen Blick durch das Fenster des Büro- und Presseraums auf die Fahrrinne des Mains, auf die vorbeituckernden Binnenschiffe. Das Flusswasser ist in den letzten Jahren sehr viel besser geworden. Zahlreiche Wasservögel umgeben die Maininsel mit oft ohrenbetäubendem Geschrei. Wir freuen uns darüber. Fische haben wir von den Ufern und Brücken aus allerdings noch nicht gesehen. Es gibt Politiker, die zum Baden in diesem Fluss einladen. Wir schenken ihnen – noch – keinen Glauben.

Die Ausstellung im Frankfurter Portikus auf der Maininsel läuft noch bis zum 6. September 2009.

(Installation © Att Poomtangon; Fotos: FeuilletonFrankfurt)

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