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FeuilletonFrankfurt

Das Magazin für Kunst, Kultur & LebensArt

PETRA KAMMANN, HERAUSGEBERIN · www.feuilletonfrankfurt.de · GEGRÜNDET 2007 VON ERHARD METZ

53. Biennale Arte Venedig 2009 (7) – Elmgreen & Dragset

Der Tote im Pool

Von Erhard Metz

Eine riesige Bungalow-Villa, davor ein Gartenschwimmbad, darin ein Toter. Korrekte Kleidung: schwarze Hose und weisses Hemd, jedoch Hosenbeine und Ärmel aufgekrempelt, dunkle Socken und schwarze Schuhe am Beckenrand geordnet abgelegt. Der Tote treibt bäuchlings auf dem Wasser, die Arme über den Kopf erhoben, eine hilflose, fast flehentliche Gebärde. Oder eine ins Groteske überhöhte Karikatur?

„Tod in Venedig“? Nun, so respektlos wollen wir mit Thomas Manns Meisterwerk nicht umgehen.

Aber ein Zeichen unserer Zeit, ein Zeichen der Finanz- und Wirtschaftskrise könnte es schon sein: Freitod eines gescheiterten Börsenspekulanten? Eines bankrotten Investmentbankers? Oder steckt nicht gar die Kunst, zumindest der Kunstbetrieb in der Krise? Also der Freitod eines Kunsthändlers, der seine „Blue chips“ nicht mehr an den millionenschweren Mann bringen kann? Eines Galeristen, der sich an dem, was er für marktträchtige Kunst hielt, verhoben hat?

Michael Elmgreen und Ingar Dragset inszenieren den Tod im Pool als Teil einer Gemeinschaftsausstellung im Pavillon Dänemarks sowie im benachbarten Pavillon der drei nordischen Länder Finnland, Norwegen und Schweden. „The Collectors“ lautet beziehungsreich ihr Titel. Und wir dürfen daher etwas sicherer in der Annahme gehen, dass es dem Künstler-Duo durchaus um zeitgenössische kulturell-ökonomische Phänomene geht.

Elmgreen & Dragset – die beiden treten mit dem Firmen-„&“ auf – verwandelten in Kooperation mit 24 Künstlern, Designern und entsprechenden Kollektiven den nordischen Pavillon in den Luxusbungalow eines homosexuellen Kunstsammlers. Eine grosszügige Wohnlandschaft ist ebenso wie eine Schlaflandschaft in die um einige Stufen erhöhte Hauptgebäudeebene eingesenkt. Eine futuristische Kücheneinrichtung beschränkt sich auf das Notwendigste. Dafür zieren verschiedene Kunstwerke meist homoerotischen Sujets den Raum und die Wände.

Der Tote im Pool: Ein Ende im hedonistischen Überdruss, in der Apokalypse der Dekadenz, im – purgatorischen? – Freitod. Menetekel? Vision? Ach ja, wir befinden uns ja auf der Biennale 2009 in Venedig, mitten im alleraktuellsten Kunstbetrieb (wäre da nicht noch der einwöchig zeitgleiche Messe-Markt der Art Basel).

Michael Elmgreen und Ingar Dragset, ersterer in Dänemark, letzterer in Norwegen geboren, leben und arbeiten in Berlin, seit 1995 in einer künstlerischen Kooperation. Das Duo Elmgreen & Dragset, weltweit bekannt für seine Installationen und Performances, entwarf das „Denkmal für die im Nationalsozialismus verfolgten Homosexuellen“, das im Mai 2008 in Berlin, nahe dem „Denkmal für die ermordeten Juden Europas“, enthüllt wurde.

„The Collectors“

Es ist fein eingedeckt im zur Villa gestalteten dänischen Pavillon – aber durch die Mitte des Esstisches, durch Stühle und Teller geht ein Riss. Die Welt ist zerrissen, geteilt in Gut und Böse, Nord und Süd, Reich und Arm, Glück und Pech.

Wohltätig ging es zu in der Villa, Bittgesuche und Dankschreiben Armer, Obdachloser, in Not Geratener bekleiden, sorgfältig passepartoutiert und auf das Feinste gerahmt, die Wand hinter dem Esstisch.

Das Künstlerduo Elmgreen & Dragset verwandelte mit seiner Arbeit „The Collectors“ – wiederum in Kooperation mit einer Reihe von Künstlern und Designern – den unmittelbar neben dem nordischen Pavillon gelegenen Pavillon Dänemarks in diese Villa.

Längst hat, längst musste das Kunstsammler-Ehepaar das Haus verlassen. Nur die Stumme Dienerin blieb.

Die Treppe in der Bibliothek ist zerbrochen – kein Weg führt mehr dorthin, wo „Oben“ ist. Auf einem Spiegel im Flur ein Abschiedswort. „FOR SALE“ – so steht es auf einem Schild vor dem Anwesen geschrieben.

Die Abbildungen mußten nach Ausstellungsende aus urheberrechtlichen Gründen leider entfernt werden.

→ 53. Biennale Arte Venedig 2009 (9) – Roman Ondák: Verweigerung

 

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