53. Biennale Arte Venedig 2009 (4) – Tomas Saraceno und sein Spinnennetz-Kosmos
Von Erhard Metz
Es bedarf nur weniger Schritte, und wir sind bereits mittendrin: in Tomás Saracenos Netzwerk, das er in einer der zentralen Hallen des Palazzo delle Esposizioni aufspannt. Nun, wir gehen vorsichtig einige Schritte hinein in den von elastischen Seilen durchzogenen Raum, weichen den Strippen so gut es geht aus, vermeiden es auch, auf die durchaus stabilen Verankerungspunkte am Boden zu treten, schauen uns um und bemerken überrascht, wie weit wir uns bereits in die Gefangenschaft der vom Künstler gesponnenen Verstrickungen begeben haben.
Mal hell und licht, mal dunkel und bedrohlich wirken die Spinnennetzkugeln, phantasievolle Galaxien, die vor und über uns schweben, uns in Bodennähe den Weg versperren.
Je tiefer wir in diese Welt eindringen, desto beschwerlicher gestaltet sich das Vorankommen. Wir müssen, ob wir wollen oder nicht, die Spinnenseile berühren. Welche Impulse lösen wir jetzt aus? Sind es die Signal- und Fangseile eines geheimnisvollen, alles verschlingenden Wesens, rast in den nächsten Sekunden ein riesenspinnengleiches Etwas auf uns zu? Wie schnell könnten wir, ohne über die gefangennehmenden Schnüre zu stolpern, zu fallen, den rettenden Ausgang erreichen?
Nun will uns Saraceno in seiner Arbeit „Galaxies Forming along Filaments, like Droplets along the Strands of a Spider’s Web“ für die aktuelle Biennale nicht mit einer Schwarzen Witwe im Riesenformat bedrohen. Vielmehr untersucht er, vor allem unter dem Aspekt innovativer und futuristischer Architektur, die Möglichkeiten neue Räume konstituierender architektonischer Strukturen. Dabei interessiert ihn, wie spinnennetzähnliche Konstruktionen unter Nutzung geometrischer Muster und Strukturen hohe Gewichte zu tragen in der Lage sind.
Tomás Sarazeno, 1973 in Tucumán, Argentinien geboren, studierte Kunst und Architektur in Buenos Aires, zuletzt an der Escuela Superior de Bellas Artes Ernesto de la Carcova. Von 2001 bis 2003 setzte er seine Studien an der Staatlichen Hochschule für Bildende Künste (Städelschule) in Frankfurt am Main fort. Der Künstler lebt und arbeitet auch heute in dieser Stadt.
Saraceno stellte vielfach weltweit aus, in Deutschland vor allem in Berlin. Dem Frankfurter Publikum wurde er durch seine Ausstellungen im dortigen Kunstverein, im Portikus und in der Städelschule sowie im atelierfrankfurt bekannt.
(Installation © Tomás Saraceno; Fotos: Erhard Metz)
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