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FeuilletonFrankfurt

Das Magazin für Kunst, Kultur & LebensArt

PETRA KAMMANN, HERAUSGEBERIN · www.feuilletonfrankfurt.de · GEGRÜNDET 2007 VON ERHARD METZ

DOUBLE – ein Ausstellungskabinett im Frankfurter Museum für Moderne Kunst

DOUBLE

40 Jahre Kabinett für aktuelle Kunst, Bremerhaven

Ausstellungsreihe des MMK in Zusammenarbeit mit Gregor Schneider und Moritz Wesseler

Erinnern wir uns: Jürgen Wesseler, Jahrgang 1938, ein „Seiteneinsteiger“ in Sachen Kunst, Vorsitzender des Kunstvereins Bremerhaven und einer der Väter des dortigen Kunstmuseums, gründete 1967 in einem 33 qm grossen Ladenlokal in der Bremerhavener Innenstadt das „Kabinett für aktuelle Kunst“ als private Ausstellungsplattform für avantgardistische Künstler. Grosse Namen verbinden sich mit dem Kabinett: Bernd und Hilla Becher, Hanne Darboven, Isa Genzken, On Kawara, Blinky Palermo, Sigmar Polke, Gerhard Richter oder Andreas Slominski. 2001 installierte Gregor Schneider in dem Kabinett seine bekannte Ausstellung „N. Schmidt“, die das MMK im Jahr 2003 samt dem Nachbau – einem Double also – des Kabinetts erwarb.

DOUBLE nennt das MMK seine Anfang März dieses Jahres begonnene Ausstellungsreihe, die bis in den Herbst 2010 hinein fortgeführt werden soll. Das Museum rekonstruiert in enger Zusammenarbeit mit Gregor Schneider neun historische Ausstellungen des Bremerhavener Kabinetts. „Im Rahmen von Double nimmt sein Kunstwerk damit die zusätzliche Funktion eines Ausstellungsraumes an, der zu einem Doppelgänger seiner selbst wird und damit Fragen nach Endgültigkeit und Einzigartigkeit aufwirft“ verlautet aus dem MMK.

Den Auftakt bildeten Reiner Ruthenbecks „Umgekippte Möbel“, eine Arbeit, die der Künstler 1971 unter dem Titel „Objekte“ erstmals im Bremerhavener „Kabinett für aktuelle Kunst“ realisierte. Das MMK erwarb 1993 die Konzeptarbeit als Frankfurter Version unter dem bereits genannten Titel.

Eine Chaiselongue, drei Stühle, ein runder und ein rechteckiger Tisch liegen, scheinbar chaotisch verstreut, umgedreht beziehungsweise umgekippt auf dem steinernen Boden des Raumes, der uns von der Schneiderschen Installation her als ein Hauseingang bekannt ist, der zu einem Treppenaufgang führt. Ist das Mobiliar „Opfer“ eines Zufalls? Einer destruktiven Handlung? Wohl kaum, auch in funktionsgerechter Aufstellung lüden die Gegenstände kaum zum Verweilen, gar zum Wohnen ein.

Es scheint sich um ein bewusstes Arrangement zu handeln, das den Funktionen der Möbel wie auch sachgerechten, „bürgerlichen“ Vorstellungen über deren Sinn und Gebrauch zuwiderläuft. Die Szenerie wirkt komponiert, statisch. Statisch wie der „white cube“ des Raums, aus dem alle Bewegung gewichen ist. Das zunächst veritable Mobiliar ist zu einem Artefakt mutiert, der Betrachter in seiner Wahrnehmung des Gegenständlichen verunsichert. Nicht nur Sehgewohnheiten werden hinterfragt.

Gebrochen wird diese Wahrnehmung zudem durch die Erkenntnis, dass es sich um ein reinstalliertes, kopiertes Kunstwerk in einem ebenfalls kopierten Raum handelt. Erinnerungen an die grosse Sturtevant-Ausstellung des MMK werden wach.

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(Mario Kramer, Jürgen Wesseler, Gregor Schneider und Moritz Wesseler vor der Arbeit von Reiner Ruthenbeck „Umgekippte Möbel“; Foto: MMK/Axel Schneider)

Reiner Ruthenbeck, 1937 in Velbert geborener Bildhauer und Konzeptkünstler, studierte nach einer Ausbildung zum Fotografen Bildhauerei bei Joseph Beuys. Ruthenbeck war weltweit an zahlreichen, zum Teil spektakulären Ausstellungen beteiligt, in Deutschland unter anderem an der documenta 5 (1972), 6 (1977), 7 (1982) und 9 (1992) in Kassel. 1976 bespielte er zusammen mit Beuys und Jochen Gerz den deutschen Pavillon der Biennale in Venedig.

Vom 5. Mai 2009 an zeigt das MMK im Kabinett die rekonstruierte Wandmalerei von Lawrence Weiner „towards a reasonable end“. Der 1942 in New York geborene Künstler und Autor gilt ebenfalls als ein bedeutender Vertreter der konzeptuellen Kunst. Bekannt wurde Weiner unter anderem durch seine Wandinstallationen wie durch seine Film- und Videokunst, durch Performances sowie grafische Arbeiten und Skulpturen. Er war bei der Kasseler documenta 5, 6 und 7 vertreten.

⇒  Das Museum für Moderne Kunst Frankfurt im Jahr 2010
⇒  Liebe im Frankfurter Museum für Moderne Kunst
⇒  Blütenstaub: Wolfgang Laib im MMK-Double

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