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FeuilletonFrankfurt

Das Magazin für Kunst, Kultur & LebensArt

PETRA KAMMANN, HERAUSGEBERIN · www.feuilletonfrankfurt.de · GEGRÜNDET 2007 VON ERHARD METZ

Recht oder „gerecht“ – in „Kaiser’s Kaffee Geschäft“?

„Summum ius, summa iniuria“ – höchstes Recht, höchstes Unrecht – mit dieser alten Juristenweisheit machte uns ein vielbeachteter Professor bereits in unserem ersten Semester Rechtswissenschaft bekannt. Dass in dieser Sentenz mehr als nur ein Körnchen Wahrheit steckt, bewies sich in der Folge, was uns dazu veranlasste, nach dem Zweiten Juristischen Staatsexamen der Juristerei ein herzliches Adieu zuzurufen. Wir haben es nie bereut.

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Justitia mit Waage und Schwert: Angelo Bronzino, Kapelle der Eleonora da Toledo im Florentiner Palazzo Vecchio, um 1540

Wir hätten auch nicht, schon gar nicht „im Namen des Volkes“, Recht sprechen wollen im arbeitsgerichtlichen Prozess um die 1,30-Euro-Kündigung einer rund drei Jahrzehnte lang unbescholten tätigen Kassiererin – jetzt arbeitslose Mutter dreier Kinder – in einer Berliner Filiale der Kaiser’s Tengelmann AG, wie das einst geliebte „Kaffee Geschäft“ heute schnöde firmiert, von dem die Medien unlängst landauf, landab berichteten. Mal sehen, wie sich der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte zu dem formal vermutlich korrekten, in der Öffentlichkeit jedoch vielfach und heftig gescholtenen Urteil der landesarbeitsgerichtlichen Berliner Rechtsprecher verhält (Bundestagsvizepräsident Wolfgang Thierse in seiner inzwischen in ihrer Heftigkeit bedauerten Philippika: „barbarisches Urteil von asozialer Qualität“).

„Hätte man die Frau wirklich nicht in einem anderen Laden irgendwo fern der Kasse weiterbeschäftigen können? … Der geschädigte Arbeitgeber wäre auch besser davongekommen, schliesslich geht mit dem nicht bewiesenen und erst recht nicht zugegebenen Griff zu den Getränkebons ein gravierender Imageverlust einher, zeigt sich doch das Unternehmen so mit einer gewinngeil-verzerrten Fratze des Kapitalismus. Wird auf diese Weise über Gerichtsurteile der Kündigungsschutz aufgeweicht, den eine langjährige Mitarbeiterin geniesst?“ kommentierte Jaqueline Boysen, Deutschlandradio, Hauptstadtstudio Berlin, am 1. März 2009. Und: „Wer unter euch ohne Sünde ist, der werfe den ersten Stein auf sie“ haben wir doch einst bei Johannes 8, Vers 7 gelernt, oder ihr nicht, ihr Tengelmänner?

Vertrauen – dieser hehre Begriff spielte bei der Urteilsfindung über die blosse Verdachtskündigung wohl eine zentrale Rolle. Kaiser’s Tengelmann hätte es gut angestanden, dem Vertrauen wenigsten noch einmal eine grosszügige Chance einzuräumen, anstatt kleinlich auf Recht und „Gerechtigkeit“ zu pochen. Was verschlüge es? Und welch eine tolle, zudem kostenlose PR-Massnahme hätte Kaiser’s damit gelingen können? Dann hätten wir dort auch weiter unseren Kaffee gekauft!


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