WANDA PRATSCHKE – EIN KÜNSTLERISCHER PROZESS / 4
“LIEGENDE” von Wanda Pratschke
Von Erhard Metz
Robert Bock, Prof. Anja Pratschke, Susanne Kujer
Am 5. Februar 2009 eröffnete Robert Bock, Leiter und Kurator der Frankfurter AusstellungsHalle 1A, die Werkschau zum bevorstehenden 70. Geburtstag der Bildhauerin Wanda Pratschke. Professor Anja Pratschke, São Paulo, eine Tochter der Künstlerin, führte in die Ausstellung ein. Susanne Kujer, Referentin für Bildende Kunst im Frankfurter Kulturamt, würdigte in ihrer Ansprache das künstlerische Werk der seit vielen Jahrzehnten in Frankfurt am Main lebenden und arbeitenden Bildhauerin.
Susanne Kujer, Prof. Anja Pratschke und die Künstlerin Wanda Pratschke
Im Mittelpunkt der Eröffnungsfeier stand – neben den vielen anderen in der Halle ausgestellten Werken der Künstlerin – die Skulptur der grossen „Liegenden“. Das entsprechende Gipsmodell ist nahezu fertiggestellt. Bis Ende Februar wird Wanda Pratschke noch letzte Hand an ihr überlebensgrosses Geschöpf anlegen. Dann soll die „Liegende“ ihren Weg in die Bronze-Giesserei nehmen. FeuilletonFrankfurt möchte mitreisen und die weiteren Schritte begleiten.
Wanda Pratschke, Ende Februar 1939 in Berlin geboren, besuchte von 1956 bis 1961 die dortige Meisterschule für das Kunsthandwerk in der Sparte Bühnenbild. 1961 wurde sie Assistentin an den Städtischen Bühnen in Frankfurt am Main. Ihrer künstlerischen Berufung folgend nahm sie 1976 das Studium der Malerei (Professor Johann Georg Geyger) und der Bildhauerei (Willi Schmidt) auf. Nach Vollendung dieses Studiums im Jahr 1979 arbeitete sie als freie Künstlerin. In der Salzburger Sommerakademie 1983/84 vertiefte sie ihre Studien bei Professor Markus Lüpertz und Wolf Vostell. Studienreisen führten sie nach Argentinien, Brasilien, Chile und Peru sowie nach Westafrika.
Die Künstlerin erhielt eine Reihe von Preisen und Auszeichnungen. In nicht weniger als 16 Einzelausstellungen in Frankfurt am Main (dort wiederholt im Kunstkabinett Hanna Bekker vom Rath) und in Hessen, in Freiburg, Hannover, Speyer sowie im Saarland präsentierte sie ihre Arbeiten einem grösseren Publikum. Ebenso ihre 23 Ausstellungsbeteiligungen, über Hessen hinaus in Düsseldorf, Freiburg, Hannover, München, Saarbrücken, Speyer und Trier, legen ein beredtes Zeugnis von der Reichweite ihres künstlerischen Schaffens ab.
Manche ihrer Arbeiten befinden sich im öffentlichen Raum: so eine grosse „Stehende“ in den Frankfurter Wallanlagen, eine „SCHÖNE“ sowie eine Gruppe „4 Frauen“ im Terminal I beziehungswiese im Terminal II des Frankfurter Flughafens, eine grosse „Liegende“ im Neuen Kreishaus Hofheim. Werke sind ferner in der Hessischen Staatskanzlei und in der Flörsheimer Geschwister-Scholl-Schule aufgestellt. Weitere ihrer Arbeiten erwarben die Sammlungen des Frankfurter Amtes für Wissenschaft und Kunst und des gleichnamigen Hessischen Ministeriums in Wiesbaden, der Taunus Sparkasse und der Ludwigshafener Kreissparkasse, des Stadtmuseums Hofheim und des Oberhessischen Museums in Giessen sowie des Museums Beelden an Zee, Scheveningen.
„Frühling“, Bronze, 2007, 34 x 27 x 24 cm, Ex. 3/10
Es gehört sicherlich einiges an Mut und Überwindung, auch Selbstbewusstsein dazu, das abgeschiedene, Kontemplation ermöglichende, ebenso Ruhe und Geborgenheit spendende heimische Atelier zu verlassen und eine Arbeit, namentlich eine grössere, sich über viele Wochen hinweg erstreckende, in eine Ausstellungshalle zu verlagern, deren Türen jedermann offenstehen. Wanda Pratschke hat diesen Schritt gewagt – die AusstellungsHalle 1A bietet für ihr „work in progress“ sehr gute Voraussetzungen. Ähnlich arbeitete bereits Max Weinberg im vergangenen Jahr über einige Wochen hinweg in der zum Atelier umfunktionierten Halle. Vielleicht könnte sich daraus eine gewisse Tradition entwickeln, selbstverständlich ohne den normalen Ausstellungsbetrieb in Frage zu stellen – bildet die „1A“ mittlerweile doch ein anerkanntes und begehrtes Forum für bekannte wie auch noch nicht sehr bekannte Künstler namentlich im Frankfurter Umkreis.
Wanda Pratschke bekennt sich zu diesem „offenen“ Arbeiten – wenn auch nicht verschwiegen werden soll, dass sie mitunter darüber seufzte, wenn sich die Türe öffnete, ein Besucher eintrat und sie in ihrem Gedanken- und Arbeitsprozess unterbrach.
„Tischfrauen“, Bronze, 2004, 38,7 x 40 x 40 cm, Ex. 2/6
Wie viele ihrer Bildhauerkolleginnen und -kollegen beschäftigt sich Wanda Pratschke mit dem Bronzeguss. Sie bedient sich dabei der Hilfe von Ton- und erst neuerdings auch von Gipsmodellen. Am Anfang stehen Ideen, Vorstellungen, die in Skizzen umgesetzt werden, auch unter Rückgriff auf lebende Modelle. Wichtig sind ihr die Oberflächen, die Proportionen, die positiven und negativen Räume, die eine Skulptur beansprucht.
Es ist der weibliche Körper, den die Künstlerin in ihren Arbeiten reflektiert und deutet. Künstler wie Aristide Maillol sind ihr durchaus ein Vorbild, weniger etwa das Werk eines Henry Moore. Starke Impulse geben ihr die Arbeiten von Hans Josephsohn, den sie vor einigen Jahren persönlich kennenlernte. Dessen Grad an Abstraktion möchte sie in ihren Skulpturen allerdings nicht erreichen. Wie bei Josephsohn dominieren jedoch in ihren Figuren das Voluminöse, das Ruhende. Die Arbeiten strahlen Ruhe, Konzentration und Erhabenheit aus. Die Augen des Betrachters folgen den runden, geschlossenen, bergenden Formen. Doch etlichen der Körperoberflächen muten Rissiges, Verletztes, Vernarbtes an. Es sind die Stationen des Lebens, die dort ihre Spuren hinterliessen, die die zur Skulptur verinnerlichte Körperlichkeit kennzeichnen. Licht und Schatten spielen über diesen Flächen.
„Tanz“, Bronze, 2005, 58 x 65 x 65 cm, Ex. 1/6
Deutlich wird diese besondere Ausstrahlung ihrer durchweg figurativen Arbeiten auch in den Gruppendarstellungen: Die vier „Tischfrauen“ ruhen – bei aller skulpturaler Kommunikation untereinander – jeweils in sich. Sie verbinden nicht nur der Tisch, um den herum sie sich niedergelassen haben, sondern auch der fundamentale Sockel.
Ruhe, Verbundenheit und Würde stahlen auch die in einer inneren Harmonie zum „Tanz“ vereinten Frauen aus, wie sie sich an den Händen fassen und wie wiederum ein gemeinsamer Sockel als geschlossenes Fundament sie vereint.
Doch mit der Ruhe der Figuren kommuniziert eine ihnen innewohnende Kraft. So „lebt“ die grosse „Liegende“ in einer Ausgeglichenheit von Spannung und Entspannung. Sie stützt den voluminösen Körper auf die zum rechten Winkel eingezogenen Arme, den Rücken erhoben, den Kopf hoch emporgereckt, die Beine gekreuzt, den linken Unterschenkel und Fuss durch den Winkel gestreckt, den das rechte Bein bildet.
„Wanda Pratschke ist Bildhauerin im traditionellen Sinn“, schreibt Susanne Kujer zur aktuellen Ausstellung. „Die Formensprache ihrer Arbeiten verzichtet dabei weitgehend auf Details und individuelle Züge. Dafür strahlen ihre Akte in ihrem geschlossenen Volumen unendliche Ruhe und harmonische Ausgewogenheit aus. Auf diese Weise entwickelt sich auch die ‚Grosse Liegende‘ als voluminöse, sinnlich weibliche Figur, die mit fest konturierter Form von kraftvoller Geschlossenheit und betonter Plastizität in Erscheinung tritt.“
Die Werkschau in der AusstellungsHalle 1A ist noch bis zum 25. Februar 2009 geöffnet.
(Fotos: Erhard Metz; Skulpturen © VG Bild-Kunst, Bonn)