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FeuilletonFrankfurt

Das Magazin für Kunst, Kultur & LebensArt

PETRA KAMMANN, HERAUSGEBERIN · www.feuilletonfrankfurt.de · GEGRÜNDET 2007 VON ERHARD METZ

Bhutan – ein noch ziemlich unbekanntes Land (Folge 4 – Schluss)

Ausreise aus Bhutan

Text und Fotografien: © Ingrid Malhotra

Eigentlich war ich fest überzeugt, dass die Maskentänze in Thimphu nicht zu toppen seien (siehe Folge 3). Aber wie es scheint, ist Bhutan immer für eine Überraschung gut – selbst noch an den letzten Tagen, wenn man schon nur noch darüber nachdenkt, was wohl im nächsten Land Erfreuliches wartet.

Erst raubt Bhutan noch einmal den Atem – aber gründlich!

Am Abend des zweiten Maskentanztages ging es weiter in Richtung Paro, eine kleine Stadt nahe dem Flughafen. Dort gab es wieder einmal ein sehr nettes Hotel im Bungalowstil, einfach, aber trotzdem sehr gemütlich, mit netten Mitarbeitern und netten Gästen. Der Anteil an echten Globetrottern war hier für Bhutan ungewöhnlich hoch.

Und am nächsten Morgen fand ich auch heraus, warum: Taktsang. Ich hatte darüber gelesen, hatte auch Fotos gesehen und wunderte mich etwas über den Ruhm, denn in China hatte ich schon viel Vergleichbares gesichtet – dachte ich.

Aber ganz so eng an die Wand gequetscht und ganz so steil und unzugänglich waren die vergleichbaren Klöster in China denn doch nicht!

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Die grosse Frage war nun: wie komme ich da hoch? Nachdem es fast während der ganzen Reise feucht und kühl gewesen war, brannte heute natürlich die Sonne unbarmherzig vom Himmel, aber Karma wusste Rat – er hatte mir ein Reitpferd bestellt.

Hm, na ja, also, nicht, dass ich noch nie auf einem Pferd gesessen hätte. Als Kind hat man mich mal auf einer Seite hochgehoben, weil ich das lernen sollte. Ich bin dann unverzüglich auf der anderen Seite wieder hinunter gefallen, und das war’s so im Wesentlichen. Aber in China habe ich schon hie und da auf einem geführten Pferd gesessen, wenn die Wege gar zu ungemütlich waren – einen Versuch war’s wert. Wenigstens ist das Pferd klein. Aber es hat keinen Sattel! Nur eine Decke und vorne einen Strick, an dem ich mich festhalten soll. Ob das gutgeht?

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Es ging. Bis der Weg richtig steil wurde. Dann stand der Pferderücken nicht mehr waagerecht, und ich rutschte mit Decke, Strick und allem immer wieder nach hinten weg, bis ich aufgab und das Pferd von mir befreite.

Jetzt musste ich also doch hoch kraxeln. Es war steil, es war heiss, aber immer wieder gab es schöne Ausblicke, interessante kleine Rastplätze.

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Es ging eigentlich ganz gut. Bis ich dann oben war und sah, wie man über enge ausgetretene Stufen, schmale rutschige Pfade und eine wacklige Brücke über eine tiefe Schlucht hinüber zu dem Kloster gelangen konnte.

Eigentlich sieht es von hier sicher viel besser aus. Dort drüben steht man mitten drin und hat gar keinen so schönen Gesamteindruck mehr – wenn ich überhaupt in einem Stück dort ankomme!

Also, ich bleibe da, setze mich neben einen Österreicher, dem es wohl auch ein bisschen zu unheimlich war – sollte man gar nicht glauben, wo es doch da so viele Berge gibt! – und fotografiere und lasse mich endlich mal ein bisschen von der Sonne bescheinen.

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Beim Abstieg merkte ich dann, warum man immer Socken in Wanderschuhen tragen sollte. Ein Grossteil des sandigen Weges landete in meinen Schuhen. Arme Füsse …

Auf der Rückfahrt sehe ich dann auch endlich einmal einen schneebedeckten Berg – keinen von den ganz hohen, aber immerhin: Es ist Schnee darauf. Nach so vielen nebelverhangenen und verregneten Tagen wird man ja bescheiden.

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Dann besuchen wir noch einen alten Dzong, der vor Jahrzehnten abgebrannt ist,

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und das Briefmarkenmuseum. Bhutan macht sensationelle Briefmarken! Sogar aus Metall! Leider gab es dort keine davon zu kaufen. Aber schöne Ausblicke über das Paro-Tal

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und über ein idyllisches Dorf mit Chilies, die auf den Hausdächern zum Trocknen ausgebreitet waren, Pferdehändlern,

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einem uralten Räucherofen.

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Das war ja auch nicht schlecht.

Paro selbst stellte sich als eine recht verschlafene kleine Stadt heraus mit sehr hübschen Häusern und einer prächtigen Allee, und natürlich einem gewaltigen Dzong.

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Abends gab es im Hotel eine Überraschung: Wir haben zum Abschied am offenen Feuer gegrillt und uns gegenseitig Volkslieder aus unserer jeweiligen Heimat vorgesungen. Das war sehr romantisch!

Und am nächsten Tag ging es bergab. Zuerst der übliche Stau, weil wir noch ein Stück Richtung Thimphu fahren mussten.

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Aber dann ging es hinunter in ein Tal, hinauf auf den nächsten Bergkamm, vorbei an unzähligen Wasserfällen, und noch ein Tal, und wieder ein Kamm, auf und ab …

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Mittags eine kurze Rast. Ich sass draussen, fotografierte ein bisschen die umliegende Natur, als ein kleiner Junge ankam – sehr ordentlich gekämmt, festlich angezogen – und versuchte, sich mit mir zu unterhalten. Aber wir hatten keine gemeinsame Sprache. Also zeigte er mit Händen, Füssen und Grimassen, dass ich ihn fotografieren solle. Das habe ich natürlich gerne getan, und er hat posiert, als ob dies seit Urzeiten sein Beruf sei.

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Und wenig später ging es richtig bergab. Das sieht nicht nur von unten so aus, als ob der Himalaja wie eine 2000 Meter hohe Wand über Indien steht – das ist so.

Aber eben deshalb wollte ich ja unbedingt mit dem Auto nach Indien weiterreisen. Dort hinunter zu fahren, stellte ich mir enorm spannend vor. Und das war es auch.

Die Wand war steil. Und in jeder Haarnadelkurve lag irgendwo weit unten die nordindische Ebene, mit Flüssen und Städten, Dunst und Hitze.

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Hier oben war es angenehm: reiche Vegetation, klare frische Luft, Ruhe …

Häufig gab es dichte Nebelbänke – kein Wunder bei den Temperaturunterschieden zwischen unten und oben. Oben Nebel, unten diesig – man sah nicht viel, aber immerhin gewann man einen unangenehm deutlichen Eindruck davon, wie hoch und wie steil die Wand war, an der sich das Auto hinunter tastete. Und die zahllosen indischen Lastwagen, die zwar bunt bemalt waren und von vielen Götterbildchen geschützt wurden, sonst aber völlig verkehrsuntauglich waren, haben auch nicht wirklich Mut gemacht. Höchstens bei dem Gedanken: „Wenn die das können, dann können wir das auch!“

Wenigstens war die Strasse nicht so elend schmal wie die von Thimphu nach Osten …

Aber schliesslich waren wir unten, die Häuser sahen jetzt indisch aus, keine Schnitzereien und bemalten Wände mehr, und ein Warnschild liess den Schluss zu, dass die Bhutanesen nicht allzu hoch vom Sauberkeitsempfinden ihrer südlichen Nachbarn denken.

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Wir fuhren nach Phuentsholing hinein, wie die Grenzstadt auf der Bhutan-Seite heisst. Eine hübsche Kleinstadt, zwar mit indischer Architektur, aber sauber und ruhig. Fussgänger auf den Bürgersteigen, Fahrzeuge auf der Fahrbahn. Freundlich lächelnde Menschen. Sehr ordentlich.

Mitten im Ort eine Art Torbogen, durch den wir hindurchfahren mussten, um in den indischen Teil der Stadt namens Jaigaon zu kommen.

Auf der anderen Seite das Pandämonium!

Radau aus unzähligen Lautsprechern und Autohupen. Fussgänger auf der Fahrbahn, Rindviecher auf der Fahrbahn, Müllberge auf der Fahrbahn, Fahrzeuge auch. Und das gleiche Bild auf den unbefestigten, so genannten Bürgersteigen.

Alles starrte vor Schmutz. Bettelkinder drängten sich an die Fenster des Wagens. Auch sie starrten vor Schmutz. Meine Kamera schien ihnen besonders gut zu gefallen. Eigentlich war es zu warm, um die Fenster hochzukurbeln, aber bei dieser Masse gieriger Hände, dem Lärm und dem Gestank war das wirklich das kleinere Übel.

Wenn man nach der Ankunft in Indien das Flughafengebäude verlässt, ist der Kulturschock ja schon immer gewaltig. Aber wenn man aus einem so ruhigen Land wie Bhutan mit seinen ehrlichen, freundlichen und unaufdringlichen Menschen kommt, dann ist die Ankunft in Indien ganz besonders fürchterlich.

Ich will zurück …

Die Grenzformalitäten dauern ewig. Bis die Beamten alle Seiten meines Passes und meines Visums auswendig gelernt hatten, unzählige Stempel in unzählige schmuddelige Bücher geknallt hatten, das dauerte. Sie waren ja nett, aber alle Einträge mussten mehrmals und von Hand vorgenommen werden. Alles musste gestempelt und dann ins Nebenzimmer geschickt werden, damit auch dort noch einmal jemand eine Chance zum Stempeln erhielt.

Aber schliesslich war alles erledigt, ich musste mich von meinen beiden Jungs verabschieden und fuhr mit meinem assamesischen Führer weiter, durch endlose Teeplantagen in Richtung Darjeeling.

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Schluss

( Folge 1Folge 2Folge 3)

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