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FeuilletonFrankfurt

Das Magazin für Kunst, Kultur & LebensArt

PETRA KAMMANN, HERAUSGEBERIN · www.feuilletonfrankfurt.de · GEGRÜNDET 2007 VON ERHARD METZ

Ulrich Mattner und Stephan Morgenstern Sieger beim Internationalen Medienpreis Frankfurt 2008


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Im Rahmen eines Festaktes Ende Oktober 2008 im Frankfurter Römer zeichnete der Frankfurter PresseClub e.V. sechs Journalisten und eine Journalistin mit seinem Internationalen Medienpreis Frankfurt 2008 aus.

Den Ersten, mit 10.000 Euro dotierten Preis erhielten die Fotojournalisten Ulrich Mattner und Stephan Morgenstern für ihre seinerzeit im „stern“ erschienene Fotostrecke „Blendende Aussicht bei guten Geschäften„.

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Erster Preis: Ulrich Mattner und Stephan Morgenstern (Foto: © Rainer Rüffer)

Für seinen Beitrag „Raus aus der Berliner Luft“ wurde Tobias Rüther (Frankfurter Allgemeine Zeitung) mit dem Zweiten Preis (7.000 Euro) ausgezeichnet. Den Dritten Preis (4.000 Euro) teilten sich Christoph Hickmann (Süddeutsche Zeitung) für die Reportage „Unter den Wolken“ sowie Silke Kujas und Kamil Taylan für die im Hessischen Rundfunk ausgestrahlte Fernsehreportage „Innenstadtrevier“.

Den Nachwuchspreis erhielt Sebastian Gehrmann für seinen in der Frankfurter Rundschau veröffentlichten Beitrag „Der Waldmensch“; er gewann damit eine zweiwöchige Recherchereise nach Südafrika im Vorfeld der Fussball-Weltmeisterschaft 2010.

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Die Preisträger 2008 (von links nach rechts): Kamil Taylan, Sebastian Gehrmann, Christoph Hickmann, Thobias Rüther, Ulrich Mattner, Stephan Morgenstern und Silke Kujas (Foto: © Rainer Rüffer)

Am 6. November 2008 eröffnete der Frankfurter PresseClub in seinen Räumen eine Ausstellung mit einigen Fotografien der Hauptpreisträger Mattner und Morgenstern. Blickfang der Ausstellung ist das seit seiner Veröffentlichung im „stern“ deutschland- und europaweit bekannte Motiv der Vorstandstoilette in der Frankfurter Commerzbank-Zentrale.

In seiner Festansprache zur Preisverleihung nahm sich Professor Wolf Singer, Direktor am Max-Planck-Institut für Hirnforschung, unter dem Titel „Wie wir uns zurechtlegen, was wir wahrnehmen“ dem Thema eines Informationsbewusstseins unserer Gesellschaft an.

„Wie wohnt eigentlich das Geld? Wie ist es eingerichtet?“ fragten damals die „stern“-Autoren Stefan Schmitz und Ulrich Mattner. Den Preisträgerfotografen Morgenstern und Mattner war es gelungen, sich hinter den glitzernden Fassaden der Frankfurter Bankenszenerie einmal genauer umzuschauen, hinter Fassaden, die „trotz ihrer gläsernen Hülle oft undurchsichtig sind“, wie Mathias Röder, Landesbüroleiter der Deutschen Presseagentur, in seiner Laudatio ausführte. „Fotografie dieser Güte erfüllt den Anspruch der Visualisierung von Themen in ganz heraus­ragender Weise“, so Röder. „Dass die Wahl auf die Fotostrecke fiel, ist auch eine Verbeugung vor der immer grösseren Bedeutung des besonderen Bildes im tagesaktuellen Journalismus.“

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© Ulrich Mattner: Commerzbank-Halle

Mattner und Morgenstern konnten vor zwei Jahren freilich nicht ahnen, dass im Jahr des Medienpreises 2008 die internationale Finanz- und Bankenkrise auch manche der Frankfurter Glasfassaden nebst den sich hinter ihnen entfaltenden Tätigkeiten in ein zwiespältiges Licht rückte. Vielleicht hätten sie dann einige zusätzliche Akzente in ihrer Fotodokumentation gesetzt. Die mit hochqualifizierten Presse-, Fernseh- und Hörfunk-Journalisten besetzte Jury liess es sich nicht nehmen, Mattners und Morgensterns herausragende Arbeit in einem Kontext zur aktuellen Situation zu deuten und ihr vielleicht auch im Blick auf die damit verbundene Dialektik den Ersten Preis zuzusprechen.

„Den Fotografen Ulrich Mattner und Stephan Morgenstern ist es gelungen“, schrieben die genannten „stern“-Autoren, „hinter die Mauern des zweitgrößten europäischen Finanzplatzes zu schauen. Ausgestattet mit einem Empfehlungsschreiben des Kulturamtes der Stadt arbeiteten sie sich immer weiter vor in das Innenleben des Kapitalismus. Sie zeigten den Türstehern der Branche ihre schönen Bilder aus dem Allerheiligsten der Konkurrenz und baten um Einlass – bis sie schliesslich fast überall gewesen waren. In den Gärten der Commerzbank, wo Oliven blühen. In den Fluren des Bankhauses Metzler, wo die Silberlöffelchen in den Teetassen klirren. Im Büro des Frankfurt-Chefs von McKinsey, dessen Glaubensbekenntnis über dem roten Designersofa hängt: ‚Dollar – we trust‘ … Mattner und Morgenstern bereisten eine Welt, in der Geld keine Rolle zu spielen scheint und doch das Gegenteil davon wahr ist.“

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© Stephan Morgenstern: Büroleiter bei McKinsey: DOLLAR WE TRUST

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Auf jeder Dollar-Note: IN GOD WE TRUST

Wiesen früher Dome und Kathedralen von Ferne den Weg in das Zentrum einer grösseren Stadt, so sind es heute die profanen Hochbauten, am Finanzplatz Frankfurt am Main die Tempel der Banken und sonstigen Finanzinstitute. Vom alt-ehrwürdigen Frankfurter Dom, einst Krönungsstätte der deutschen Kaiser, bleibt nicht viel zu sehen, man muss im Stadtpanorama mühsam nach ihm suchen. Heute sind die Bankvorstände die wahren Kaiser, und sie krönen sich selbst in ihren monumentalen Hochhauspalästen. Nicht zuletzt das besagte aktuelle Krisengeschehen macht uns deutlich, wie sehr sich die geistigen und materiellenen Proportionen in der Gesellschaft in den letzten Jahrzehnten verschoben haben. Nicht wenige Exponenten politischer wie moralischer und soziokultureller Institutionen mahnen die Abkehr von einer Entwicklung an, in der die Protagonisten der Finanzwelt, aber auch die von ihnen ausgelösten „Sachzwänge“ mehr und mehr einen bestimmenden Einfluss auf Regierungen und Gesellschaft ausüben.

Ob unter den gegenwärtigen Bedingungen Banken und andere Finanzinstitute Mattner und Morgenstern Zutritt in ihr „Allerheiligstes“ gewährt hätten? Wir glauben es nicht. Und eines der entlarvendsten Bilder wäre nicht entstanden: dasjenige von der hochherrschaftlichen Herrentoilette in der Frankfurter Commerzbank-Zentrale, ein fotodokumentarisches Meisterwerk, das bereits so oft und einschlägig interpretiert wurde, dass wir es nicht noch einmal zu tun brauchen, und das im übrigen für sich selbst spricht.

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© Ulrich Mattner: Commerzbank

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