Ein Kreuzgang voller Malerei
Klaus Straßheim im ehemaligen Kloster Ilbenstadt
Gleich zwei Gründe gibt es in diesen Wochen, das ehemalige Prämonstratenser-Kloster – heute Haus St. Georg – in Ilbenstadt am Rande der Wetterau aufzusuchen: zum einen die renovierte Anlage, aber dann die Malerei von Klaus Straßheim.
Gelangen wir durch das barocke Obere Tor in die Klosteranlage zur Basilika und zu den vormaligen Ordensgebäuden,
treten wir ein durch das barocke Portal und begeben wir uns in den Kreuzgang,
und denken an Hermann Hesses Gedicht „Im Kreuzgang“, inspiriert von seinem Aufenthalt im Kloster Maulbronn.
Wir sehen uns inmitten der Malerei von Klaus Straßheim. Ihm wurde das Privileg zuteil, mit seinen Gemälden den renovierten Kreuzgang als künftige Ausstellungsgalerie im Hause St. Gottfried zu eröffnen.
Gouache, Stifte, 100 x 100 cm
Ein Kreuzgang nimmt, sagt Klaus Straßheim, eine zentrale Lage ein: Durchgang, zum Kloster etwa oder zur Basilika, zugleich aber Verbindung zwischen beidem.
„Für Hermann Hesse wird“, sagt er, „der Kreuzgang im Kloster Maulbronn ein Erinnerungsort auf seinem Lebensweg. Mit Besinnung, Störung, Verletzung, Fortgang, Verklärung, aber auch als Kraftquell für seine Zukunft“. Verbindungselement zwischen Funktionen – aber auch Ort des Innehaltens.
Wir fragen Klaus Straßheim, wie sich seine Malerei zu Hesses Gedicht verhält, und er antwortet, der innere Zusammenhang zwischen beidem habe ihn schon etwas erschrocken.
Gouache, Acryl, 100 x 100 cm
Wir sollten zunächst etwas zum malerischen Handwerk von Klaus Straßheim sagen:
Der Künstler wählt wasserfest grundierte MDF-Platten – mitteldichte Faserplatten – als Malgrund. Er bedient sich der alten Gouache-Technik: Seine hauptsächlichen Malmittel sind deckende bis halbdeckende Wasserfarben, die sowohl dünn als auch pastos aufgetragen werden können, mitunter auch Aquarellstifte und Acryl. Einen Pinsel benötigt er selten, eher zum „Ausbalancieren“der Farben, wie er sagt, oft bearbeitet er den Malgrund zunächst mit den blossen Fingern.
Mit seiner spezifischen Technik eines Farbablösens und wieder Übermalens schwemmt er die stets wasserlöslichen Gouache-Farben, oft unter fliessendem Wasser mit Hilfe eines feinen Schlauchs, wieder auf, es bilden sich Verläufe, Wasserlachen, die sich Wege auf dem Malgrund suchen, kleine Pfützen, deren Ränder beim Antrocknen wiederum eigene Verläufe bilden, die er, wie auch die übrigen Farbflächen, mit erneuten Farbaufträgen überarbeitet. Seine Bilder entstehen bei ihm stets als ein Prozess des Auftragens und Ablösens, des Verlaufens und des Neuauftrags, der sich oft über einen längeren Zeitraum hinweg erstrecken kann. Entsprechend bestehen sie aus Schichtungen, einem Übereinander der verschiedenen Mal- und Verlaufsvorgänge, sie gewinnen dadurch eine faszinierende räumliche Tiefe, eine Dreidimensionalität.
Gouache, 100 x 100 cm
Der pastosere Farbauftrag gewinnt nach dem Trocknen eine spröde, schrundige Struktur, Klaus Straßheim spricht von einem „Eisscholleneffekt“, wir erahnen in ihr kleine Miniaturgebirge und -täler, wir imaginieren landschaftsartige Flächen voller Erosionen, in oft feinen, pastellhaften Farben. In anderen Bildern fügt Straßheim die Farben kraftvoll und energisch zueinander.
Der Maler beginnt, wie er ausführt, eine neue Arbeit durchaus planerisch. Die Auseinandersetzung mit der leeren Fläche sucht er nicht. Eine Grundkomposition entwickelt er oft aus selbst gefertigten fotografischen Vorlagen, etwa dem Abbild eines Stapels von Brennholz. Es folgen im weiteren Malprozess, wie er sagt, „Entwerfen, Entdecken, Verwerfen oder Verstärken, Zulassen oder Zurückweisen … wie im Leben, so beim Malen“.
Gouache, Acryl, 100 x 50 und 100 x 54 cm
Klaus Straßheims Arbeiten scheinen zu klingen, wir sehen und „hören“ die Schichtungen, die untereinander kommunizieren, wir denken an einen symphonischen Zusammenklang, an konzertante Stimmen, die sich mit dem Orchestralen streiten und wieder versöhnen. „So wie ein Musikinstrument aus Einzelklängen zu einer Melodie finden kann,“ schreibt Straßheim, „so vermag es ein geglücktes Gemälde, aus seiner Farb- und Formanlage heraus, die Entwicklung einer inneren Bildwelt im Betrachter anzuregen. Eine Verbindung vom äusserlichen Wahrnehmen zur imaginären Innenschau kann sich einstellen“.
Gouache, jeweils 75 x 75 cm
Neben ihrer räumlichen Tiefe entfalten die Bilder eine erstaunliche Transparenz und Leuchtkraft, sie erinnern uns an Glasmalereien, an Kirchenfenster, durch die gewaltig das Licht, vielfältig gefiltert, einbricht.
Gouache, 100 x 100 cm, Leihgabe
Durch ein Portal öffnet sich der – schon vor zwei Jahrhunderten seines Nordflügels beraubte – Kreuzgang zu einem kleinen, bescheiden wirkenden, heute begrünten Innenhof – einem Ort der Stille, der Kontemplation. Es ist ein Ort, an dem man die Gemälde Revue passieren, nachklingen lassen kann.
Die Gündung des Prämonstratenserklosters geht auf eine Schenkung der Grafen Gottfried und Otto von Cappenberg in „Eluistat“ – dem heutigen Ilbenstadt – an das Erzbistum Mainz in den Jahren 1122 /1123 zurück. 1159 weihte der Mainzer Erzbischof die im romanischen Stil errichtete Klosterkirche. Der Klosterbruder und Baumeister Abraham Sproher aus dem heutigen Bad Aibling errichtete in den Jahren 1707 bis 1715 die barocke Klosteranlage und stattete auch den Kirchenbau im barocken Stil aus. Das auf das Jahr 1721 datierte Obere Tor wird Bernhard Kirn, dem Baumeister des weitbekannten Klosters Eberbach im Rheingau, zugeschrieben. Nach der Säkularisation erhielten die Grafen von Altleiningen-Westerburg das Kloster, die die Anlagen erheblich veränderten und leider auch den heute vermissten Nordflügel des Kreuzgangs abreissen liessen. 1921 veräusserten sie ihre Ilbenstädter Liegenschaften an den Staat Hessen.
Nach dem Zweiten Weltkrieg erwarb die Diözese Mainz die Conventgebäude. Wenige Tage vor Weihnachten 1963 fielen erhebliche Teile von ihnen einem Grossbrand zum Opfer. Seit seiner Wiederherrichtung dient der Gebäudekomplex „Haus St. Gottfried“ als Jugend- und Bildungshaus der Diözese Mainz. Mit Beginn der Ausstellung von Klaus Straßheim steht der jüngst renovierte Kreuzgang künftig Künstlerinnen und Künstlern als Präsentationsforum zu Verfügung.
Von weitem grüssen die beiden Türme der Basilika, des „Wetterauer Doms“, und weisen den Weg nach Ilbenstadt, zum Kreuzgang und zu der Malerei von Klaus Straßheim.
(Fotos: FeuilletonFrankfurt; abgebildete Gemälde: © Klaus Straßheim)
19. November 2008 12:23
Imponierend….auch, wenn ich die Bilder bisher nur online gesehen habe…..
17. Dezember 2008 16:38
Hallo, dies ist eine sehr schöne Dokumentation, sowohl von der Basilika als auch von den Bildern von Klaus Straßheim. Leider war ich zur Zeit der Ausstellung im Urlaub, aber diese Ausschnitte gefallen mir sehr. Irmtraud Koch